Beschleunigung von Infrastrukturinvestitionen

Datum 19.09.2019 17:37 | Thema: 

Beschleunigung von Infrastrukturinvestitionen

Ralph Brinkhaus, Chef der CDU-Fraktion im Bundestag, will die Klagemöglichkeiten von Bürgern und Umweltverbänden gegen Infrastrukturprojekte einschränken. „Wir können nicht jeden einzelnen Bürgerbelang vor das Gemeinwohl stellen“, sagte er Mitte September 2019 gegenüber der Presse.

Er wolle „keinem Bürger das Recht nehmen“ zu klagen. „Aber ich will verhindern, dass ein Projekt durch überlange Verfahren praktisch lahmgelegt wird“, so der CDU-Politiker weiter. Man solle „mit neuem Blick noch mal schauen, wo und wie man Verfahren straffen und beschleunigen“ könne. Er habe „hohen Respekt vor Artenschutz“, aber bei den Vorschriften zum Naturschutz habe er „das Gefühl, dass die Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu stimmen scheint. Da sind wir vielleicht aus der Balance geraten“.

Nach diesem Vorstoß legten fünf  CDU-Politiker, darunter der Generalsekretär Paul Ziemiak und MIT-Chef Carsten Linnemann, einen 11-Punkte-Plan vor, um „nationale Infrastrukturprojekte zu beschleunigen“. Zur Beschleunigung sollen das Klagerecht von Umweltverbänden eingeschränkt, das Personal in Behörden aufgestockt und Bürger besser beteiligt werden.


In dem Papier heißt es, dass es von der Planung bis zum Baubeginn häufig viele Jahre oder sogar Jahrzehnte dauere. „Dies ist aus Sicht der Bürger und Unternehmen ein unhaltbarer Zustand.“ Einer der Gründe liege in der wachsenden Zahl geltender planungs- und umweltrechtlicher Vorgaben. Als Beispiele genannt werden die Elbvertiefung, der Bau neuer Bahnstrecken oder Autobahnen. Verzögerungen gibt es auch beim Ausbau neuer Stromleitungen oder beim Bau von Windkraftanlagen an Land.

Zum Vorschlag, das Klagerecht von Verbänden einzuschränken, heißt es in dem Papier: „Umweltverbände sollen nur klagen dürfen, wenn die  Belange des entsprechenden Verbandes direkt betroffen sind oder eine ordnungsgemäße Beteiligung der Umweltverbände im Genehmigungsverfahren nicht gegeben war.“ Die Klagen von Umweltverbänden sollen sich auf umweltbezogene Rechtsvorschriften beschränken. Eine Stichtagsregelung soll ferner immer neue Verzögerungen durch neue fachliche Erkenntnisse vermeiden. „Ansonsten wird das Verbandsklagerecht pauschal für die Blockade von Infrastrukturprojekten benutzt“, heißt es in dem Papier.

Umweltverbände lehnten solche Pläne ab. „Wir sind dafür, Planungen zu beschleunigen – aber ohne die Rechte von Bürgern und Verbänden auszuschalten“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. „Die Bürger müssen bei Projekten mitgenommen werden. Deutschland muss Europarecht einhalten, das muss auch die CDU akzeptieren. Die Umweltverbände haben vor Gericht wiederholt erfolgreich gegen Verstöße bei europarechtlichen Vorgaben geklagt.“

Das Verbandsklagerecht beruht auf der Aarhus-Konvention, einem völkerrechtlichen Vertrag, der am 25. Juni 1998 von 47 Staaten – darunter alle EU-Mitglieder – unterzeichnet wurde. Darin sind der Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Infrastrukturvorhaben und der Zugang zu Gerichten bei Verstößen gegen umweltrechtliche Vorschriften geregelt. Damals war die spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel Umweltministerin und für den Vertragsinhalt verantwortlich.

Artikel 9 der Aarhus-Konvention gibt jeder Person ein Widerspruchs- und Klagerecht im Falle der Verweigerung des Informationszugangs, im Hinblick auf Entscheidungen, die der Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen, sowie allgemein bei Verstößen gegen umweltrechtliche Vorschriften. Hierzu hat die Europäische Gemeinschaft noch vor der Ratifizierung der Konvention die Rechtsschutzmittel-Richtlinie 2003/35/EG erlassen, die durch das Umweltrechtsbehelfsgesetz in das deutsche Recht umgesetzt wurde.

Für die Einschränkung des Verbandsklagerechts muss also nicht nur deutsches und europäisches Recht, sondern auch das durch die Aarhus-Konvention festgelegte internationale Recht geändert werden. Die fünf  CDU-Politiker schlagen deshalb vor, dass die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2020 für eine Initiative zur Reform der Aarhus-Konvention nutzen soll. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass ein solches Vorhaben spätesten auf europäischer Ebene an grün/roten Widerständen scheitern wird.

Der Vorschlag der fünf CDU-Politiker sieht deshalb zusätzlich vor, das Personal in den Genehmigungsbehörden aufzustocken, die Gerichtsverfahren zu beschleunigen und eine „neue Beteiligungskultur“ einzuführen. Die Vorschläge sind durchaus vernünftig, ihre Umsetzung setzt aber eine Verständigung zwischen Bund und Ländern voraus. Angesichts der grundsätzlichen Skepsis der Grünen gegenüber Infrastrukturvorhaben und ihrer Beteiligung an vielen Landesregierungen ist das politische Risiko des Scheiterns auf diesem Weg besonders groß. Auf Politiker in Verantwortung wirkt ein solches Risiko selten motivierend.  

Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass sich die deutsche Politik mit der Unterzeichnung der Aarhus-Konvention in eine Lage versetzt hat, die eine zügige Planung und Durchführung von größeren Infrastrukturvorhaben nicht mehr möglich macht. Die fünf CDU-Politiker sollten deshalb den Mut haben, die dafür verantwortlichen Politiker beim Namen zu nennen. Es ist in erster Linie die derzeitige Bundeskanzlerin.   


 





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