Unternehmer und Politiker - Partner oder Gegner?

Datum 27.12.2015 15:46 | Thema: 

Unternehmer und Politiker - Partner oder Gegner?

(Katholische Akademie Berlin am 27. August 2007)

Unternehmer und Politiker leben in unterschiedlichen Welten. Wanderungen zwischen diesen Welten sind selten. Ausnahmen wie Lothar Späth, ehemaliger Ministerpräsident in Baden-Württemberg und danach Chef von Carl Zeiss, Jena, oder Werner Müller, früherer Manager, dann Bundeswirtschaftsminister, bestätigen nur die Regel.

Dem Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft haftet in der öffentlichen Wahrnehmung häufig ein anrüchiger Beigeschmack an. Vor allem dann, wenn nicht die wirtschaftliche Expertise von Politikern gefragt ist, sondern nur deren Kontakte von Interesse sind. In Ländern wie Amerika ist das anders. Dort ist es nicht ungewöhnlich, dass Manager und Politiker die Rollen tauschen, ohne dass ihre Glaubwürdigkeit leidet.

In Deutschland dagegen sind Misstrauen und Entfremdung zwischen Politikern und Wirtschaftsführern tief verwurzelt. Politiker misstrauen dem Profitstreben der Unternehmen, und die Unternehmer verachten den politischen Parteienzirkus.


Eine solche Entfremdung gibt es nicht nur im Verhältnis von Wirtschaft und Politik, sondern auch in anderen Bereichen, in denen Politiker auf Menschen mit anderen Erfahrungen und Einstellungen treffen. Es ist vor allem der politische Wettbewerb, der Menschen aus bürgerlichen Berufen fremd und unheimlich ist. 

Paul Kirchhoff, der aus der Wissenschaft in die Politik wechseln wollte, schreibt dazu in der FAZ vom 8. Februar 2006: "Der politische Wettbewerb unterscheidet sich grundlegend von dem Wettbewerb in Kunst und Wissenschaft. Im Wettstreit um den Wähler kämpft jeder für sich, will Macht erwerben oder erhalten, den Konkurrenten überbieten oder ausstechen. Der Kandidat rückt sich in das Licht des Tüchtigen, Erfolgversprechenden, Entscheidungskräftigen und Sozialen, verweist den Gegner in das Dunkel des Widersprüchlichen, Halbherzigen, der Kälte und auch der Unredlichkeit. Der Wissenschaftler hingegen kämpft mit dem Argument, durch das er die Fachöffentlichkeit, also auch seinen potentiellen Mitbewerber, ansprechen will. Deshalb bindet er sich in Form und Stil, sucht den Konkurrenten nicht zu verletzen, sondern zu beeindrucken, weist das bessere Wissen des anderen nicht zurück, sondern übernimmt es als Grundlage seiner eigenen Forschungen. So entwickelt sich in der Wissenschaft Vertrauen, in der Demokratie Misstrauen. Ich habe diesen Wechsel von der Welt des Vertrauens in ein System des Misstrauens während meines vierwöchigen, vermeintlichen Ausflugs in die Politik erlebt."

Ein ganz wesentlicher Grund für die Entfremdung und das Misstrauen zwischen Politikern und Unternehmern ist die offene Frage des Primats zwischen Politik und Wirtschaft. Ein grundlegendes Merkmal des Liberalismus ist das Primat der Wirtschaft, weil die "unsichtbare Hand" auf den Märkten dafür sorgt, dass das Eigeninteresse mit dem Gemeinwohl zusammenfällt. Demgegenüber fordert der Sozialismus das Primat der Politik, um dem Gemeinwohl auf den Märkten Geltung zu verschaffen. Es ist das Verdienst des Ordoliberalismus, Eigeninteresse und Gemeinwohl in komplementärer Weise verbunden zu haben. Einerseits sieht man, dass Märkte nicht nur dem Eigennutz, sondern auch dem Gemeinwohl dienen, und andererseits wird gefordert, dass ein starker Staat auf den Märkten für Freiheit  und Wettbewerb sorgt.

Öffentlichkeit und Politik verstehen jedoch heute unter Sozialer Marktwirtschaft eine Wirtschaftsordnung, "in der dem Gewinnstreben und dem Wettbewerb die Zähne gezogen und Grenzen gesetzt sind, um die Betroffenen vor den schmerzlichen Auswirkungen der Marktwirtschaft pur zu schützen" (Karl Homann). Nach dieser Auffassung besteht die Funktion des Sozialen in der Bändigung und Zähmung der Marktwirtschaft, die erst nach einer solchen Korrektur sittlich akzeptabel ist. Märkte  und Unternehmen werden quasi als Gegner und Feinde von Moral und Sittlichkeit hingestellt, woraus sich dann das Primat der Politik von selbst ergibt..  

Ein solches Verständnis der Sozialen Marktwirtschaft widerspricht dem Grundverständnis des Ordoliberalismus, wonach die Marktwirtschaft nicht etwas Falsches, Unanständiges oder Unsittliches ist, sondern unmittelbar dem Gemeinwohl dient. Das Soziale ist deshalb nicht als ethisches Korrektiv, sondern als eine "Verbesserung" der Marktwirtschaft zu verstehen. Politik und Wirtschaft sind aufeinander angewiesen und ergänzen sich, so dass die Frage nach der "richtigen Wirtschaftsordnung" an die Stelle des Primats der Politik tritt.

Zu den Grundlagen des Ordoliberalismus gehört, dass eine private und arbeitsteilige Wirtschaft eine Rahmenordnung benötigt, die von der Politik zu schaffen ist. Dazu gehören die öffentlichen Güter, wie die Infrastruktur, Rechtssicherheit, sozialer Frieden, Wissenschaft und Kultur. In einer Marktwirtschaft muss der Staat zudem die unternehmerische Freiheit garantieren, das Eigentum schützen und den Wettbewerb auf den Märkten sichern. Der Staat benötigt auf der anderen Seite die Wirtschaft, damit die Bevölkerung mit den erforderlichen Gütern und Dienstleistungen versorgt wird. Ohne Unternehmen gibt es keine Arbeitsplätze und Einkommen, aus denen Steuern und Abgaben bezahlt werden. Das gesamte System der sozialen Sicherung hängt an erfolgreichen Unternehmen.

Unternehmer und Politiker sitzen deshalb in einem Boot. Ob sie wollen oder nicht, in der Sache sind sie Partner. Aber warum verstehen sie sich häufig als Gegner? Unabhängig von ideologischen Fixierungen ist der Konflikt in demokratischen Systemen strukturell bedingt, weil Politiker und Parteien auf die Gewinnung von Mehrheiten angewiesen sind. Tendenziell wird die Politik deshalb die großen Gruppen wie Arbeitnehmer und Rentner immer besser behandeln als Unternehmen, die nur eine Minderheit darstellen. Außerdem wird das Verhältnis zur Wirtschaft auch dadurch strapaziert, dass die Politik insbesondere vor Wahlen bestimmte Wählergruppen mit Wohltaten ködert, die von der Wirtschaft zu bezahlen sind. Dass solche Praktiken nicht vertrauensbildend sind, dürfte einleuchten.

Ob Unternehmer und Politik sich als Partner oder Gegner verstehen, läßt sich auch am wirtschaftspolitischen Stil erkennen. Der Politik stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um das das private Wirtschaftsverhalten zu beeinflussen: 1. Imperative Maßnahmen in Form von Geboten und Verboten, 2. Induzierende Maßnahmen in Form von materiellen und immateriellen Anreizen, 3. kooperative Maßnahmen durch unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft. Für den wirtschaftspolitischen Stil einer Regierung ist kennzeichnend, wie sie imperative, induzierende und kooperative Instrumente einsetzt oder kombiniert. Politiker, die in Unternehmen Gegner sehen, werden eher zu imperativen Maßnahmen greifen als Politiker, die die Wirtschaft als Partner betrachten.





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