Wie "tickt" der Geschäftskunde der Bank

Datum 27.05.2016 15:57 | Thema: 

Wie "tickt" der Geschäftskunde der Bank?

 (Commerzbank am 26. Mai 2016)

Mittelständische Unternehmen sind eine wichtige Zielgruppe von Banken. Im sogenannten  „Geschäftskundenbereich“ von Banken werden üblicherweise  kleine und mittlere Unternehmen sowie Selbständige betreut.

Für die kompetente und passende Betreuung ihrer Geschäftskunden müssen die Mitarbeiter der Banken wissen, wie solche Unternehmen „ticken“. Wie denken sie und was ist wichtig für sie?


Wer ist der Geschäftskunde?

Aufhorchen lässt eine Umfrage der Johannes-Kepler-Universität im österreichischen Linz, in der das Verhältnis von Private-Banking-Kunden zu ihrem Berater untersucht wurde, und zwar mit folgendem Ergebnis:

„Wer bislang glaubte, alle Menschen gingen zu einem Bankberater, weil sie Rat erwarten, der irrt. Ein bedeutender Teil der Kunden sieht in seinem Gegenüber keinesfalls einen Experten. Zwar stimmte etwas mehr als die Hälfte der Befragten der Aussage zu, der Kundenberater wisse ´viel mehr als ich´ über Anlagethemen. Knapp die Hälfte war aber der Meinung, der Kundenberater sei in Anlagedingen auch nicht bewanderter als sie. Bei der Frage nach dem eigenen Kenntnisstand gaben sich deutsche Kunden besonders selbstbewusst: 55 Prozent attestierten sich ´ein fundiertes Anlagewissen´.“

Die Umfrage bezieht sich zwar auf Kunden aus dem Private-Banking-Bereich, eine Umfrage im  Geschäftskundenbereich wird vermutlich aber nicht viel anders ausfallen. Der Betreuer von Geschäftskunden muss sich deshalb auf ein Gegenüber einstellen, das selbstbewusst und kritisch zugleich ist.

Man sollte deshalb wissen, wer dieser Geschäftskunde ist. Dazu einige einführende Hinweise:

• Bei den Geschäftskunden  handelt es sich fast ausschließlich um inhaber- oder familiengeführte Unternehmen. In solchen Unternehmen treffen zwei unterschiedliche Welten aufeinander: die rationale Welt des Unternehmens und die private Welt der Familie. Mit dem Unternehmer sitzt immer auch ein Familienvater mit am Tisch und umgekehrt.

• Bei den Geschäftskunden handelt es sich um eine gesellschaftliche Gruppe, die ihr Einkommen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen verdient. Sie wirtschaften mit eigenem und nicht mit fremdem Geld. Als Eigentümer haften sie für das Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Dies prägt ihr Denken und Handeln.

• Als Eigentümer sind die Geschäftskunden Unternehmer auf Lebenszeit, nicht Unternehmer auf Zeit. Dies sichert nicht nur die Kontinuität der Geschäftsführung, der Strategie und der Unternehmenskultur, sondern prägt auch die Persönlichkeit.

Worin unterscheiden sich Geschäftskunden?

Inhaber- und familiengeführte Unternehmen sind in der Öffentlichkeit und den Medien lange Zeit unterschätzt worden. Dies hat viel mit der wirtschaftlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert zu tun. Aus dem  durch die Industrialisierung stark wachsenden Kapitalbedarf haben Wissenschaftler den falschen Schluss gezogen, dass Familienunternehmen nur die Vorstufe für die großen, von Managern geführten Kapitalgesellschaften sind.

Dies war ein historischer Irrtum. Die etwa 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland bestehen zu über 99 Prozent aus Inhaber- und Familienunternehmen. Viele dieser Unternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten außerordentlich erfolgreich entwickelt. Aus diesem Grund ist auch das Interesse an den Inhaber- und Familienunternehmen gewachsen.

Man hat sich vor allem mit den Stärken und Schwächen solcher Unternehmen und ihren Besonderheiten beschäftigt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind auch für den Geschäftskundenbereich der Banken relevant.

Führung und Strategie:

• Familienunternehmer legen großen Wert auf ihre Unabhängigkeit. Ihr Führungsstil ist häufig durch persönliche Einstellungen geprägt. Dies müssen die Bankbetreuer  respektieren.

• Der „gesunde Menschenverstand“ ist in solchen Unternehmen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Es besteht eine gesunde Skepsis gegenüber modischen Managementmethoden. Im Entscheidungsstil ist zu unterscheiden: Der Konsequenz im Grundsätzlichen steht die Flexibilität im Detail gegenüber.  

• Vorsicht ist angesagt bei Patriarchen, die nach der „Herr-im Hause-Mentalität“ entscheiden. Gefahr ist im Verzug, wenn die Nachfolge nicht geregelt ist oder  ungeeignete Familienmitglieder mit Führungsaufgaben betraut wurden.

Produkt- und Marktstrategien:

• Der Geschäftsbereichskunde beschäftigt sich als Unternehmer in erster Linie mit seinen Produkten oder Dienstleistungen und seinen Kunden. Dort liegt seine eigentliche Kompetenz.

• Erfolgreich ist er, wenn er mit innovativen Produkten oder Dienstleistungen den Nutzen seiner Kunden steigern kann. Der Kunde steht im Mittelpunkt, nicht der Wettbewerber.

• Mit Finanzierungsfragen beschäftigt sich der Geschäftskunde ungern. Dies überlässt er dem Leiter Rechnungswesen oder der Bank. Die  Beschaffung der erforderlichen, aber gelegentlich fehlenden Finanzmittel ist nach seiner Überzeugung die moralische Verpflichtung der Hausbank.

Was erwartet der Geschäftskunde?

Der Geschäftskunde erwartet von seiner Bank natürlich eine passende und billige Finanzierung! Aber nicht nur das: Er sucht auch den kompetenten Gesprächspartner, dem er vertrauen kann.

Der Gesprächsbedarf des Geschäftskunden, in Finanzierungsfragen und darüber hinaus, wird von den Banken häufig unterschätzt. Dies ist ein Fehler: Denn nur mit Hilfe des persönlichen Kontaktes kann Vertrauen geschaffen und eine Kundenbindung aufgebaut werden.

Natürlich müssen Finanzierungsthemen im Mittelpunkt des Bankengesprächs stehen. Die Finanzierung bietet jedoch vielfältige Anhaltspunkte, um den Kreis der Themen zu erweitern.

Dazu ebenfalls ein paar allgemeine Hinweise:

Innenfinanzierung:

Familienunternehmen verfolgen regelmäßig eine vorsichtige Finanzstrategie. Vorrang hat generell die Innenfinanzierung, meistens durch Thesaurierung der Gewinne, seltener durch zusätzliche Einlagen.

Familienunternehmen legen großen Wert auf ihre Unabhängigkeit. Sie wollen aus eigener Kraft wachsen, nicht durch Zukäufe oder Zusammenschlüsse. Wegen begrenzter Finanzierungsmöglichkeiten  konzentrieren sie sich häufig auf Märkte und Produkte, die keinen extensiven Kapitalbedarf haben.

Auf die begrenzten Finanzressourcen reagieren Familienunternehmer häufig mit der Tugend der Sparsamkeit und einer restriktiven Ausschüttungspolitik. Dies kann zu Konflikten mit der Familie führen.

Eine besondere Schwäche von Familienunternehmen besteht darin, dass dem Unternehmen aufgrund von Ereignissen in der Familie, wie Erbfälle, Scheidungen oder Auseinandersetzungen Kapital entzogen wird. Wer hier keine Vorsorge trifft, gefährdet die Entwicklung des Unternehmens. 

Außenfinanzierung:

Bei der Außenfinanzierung besteht eine große Zurückhaltung gegenüber Equity-Finanzierungen, d.h. der Beteiligung Dritter am Unternehmen. Diese Einstellung resultiert aus der Furcht vor dem fremden Einfluss, der damit verbunden ist.

Der Bankkredit ist deshalb trotz rückläufiger Entwicklung weiterhin das klassische Instrument der Mittelstandsfinanzierung. Dies gilt sowohl für kurzfristige als auch für langfristige Finanzierungszwecke.

Mit der Einführung von Basel II und III hat sich daran grundsätzlich nichts geändert. Der Geschäftskunde hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass  Bankkredite nicht mehr nach dem „Hausbank - Prinzip“ vergeben werden, sondern Kreditentscheidungen in einem förmlichen und bürokratischen Verfahren getroffen werden.

Anfänglich haben sich die Mittelständler schwer damit getan,  dass sie mit ihrem Unternehmen in eine bestimmte Risikoklasse eingeordnet und die Darlehen entsprechend „bepreist“ werden. Diesen schwierigen Gewöhnungs- und Umstellungsprozess haben die meisten Unternehmer aber hinter sich.

Viele Unternehmer haben sogar verstanden, dass man aus diesem neuen Verfahren Nutzen für das eigene Unternehmen  ziehen kann:

• Die unternehmerischen Strukturen und Abläufe werden  transparenter. 
• Die Aufstellung des Geschäfts- und Finanzplanes zwingt zu mehr Professionalität.
• Außerdem können im Gespräch mit der Hausbank Möglichkeiten der Optimierung betrieblicher Prozesse erörtert werden.

Diese Vorteile für den Unternehmer sollten Banken stärker zum Thema des Bankengesprächs machen. Insbesondere bei der Geschäfts- und Finanzplanung ist der Geschäftskunden auf  ihre Hilfe und Beratung angewiesen. Zudem erreichen die Bankbetreuer den Geschäftskunden am Besten, wenn sie ihm aufzeigen, wo die Schwachstellen sind und wie sie beseitigt werden können.

Solche Beratungsansätze gibt es sowohl auf der betrieblichen als auch auf der familiären Handlungsebene. Dazu einige Beispiele :

• Factoring oder Leasing  können sich positiv auf den Cashflow auswirken. Die Installation eines Risikomanagementsystems kann das Unternehmen vor Verlusten schützen.

• Die Verkleinerung des Lagers, kürzere Durchlaufzeiten oder ein wirksames Forderungsmanagement sind Möglichkeiten, die Kapitalbindung zu vermindern und die Ergebnisse zu verbessern.

• Die Entwicklung der Vermögens- und Finanzlage gibt  häufig Anlass, über Fragen der Altersvorsorge, der Vermögensanlage und der Nachfolge zu sprechen. 

Mit solchen Fragen und Hinweisen kann der Bankbetreuer unter Beweis stellen, dass er sich mit dem Geschäftskunden identifiziert und sein Interesse über das Verkaufen von Finanzprodukten hinausgeht. Eine solche Betreuung ist gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal im Verhältnis zu konkurrierenden Instituten. Und davon hängt möglicherweise ab, ob sich der Geschäftskunde von seiner „Hausbank“ oder von der Konkurrenz finanzieren lässt.

Alternative Finanzierungen:

Hierzu genügen einige Anmerkungen. Denn an alternativen Finanzierungsprodukten sind Geschäftskunden schon wegen der historisch niedrigen Zinsen kaum noch interessiert.

Dies gilt auch für Mezzanine Finanzierung, die eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital darstellen. Zu den eigenkapitalähnlichen zählen z.B. atypische stille Beteiligungen, zu den fremdkapitalähnlichen z.B. Nachrangdarlehen. Nur diese beiden Finanzierungsformen kommen für Geschäftskunden überhaupt infrage.

Eine weitere Finanzierungsalternative sind Unternehmensanleihen. Damit können sich Unternehmen unter Umgehung der Banken die benötigten Finanzmittel direkt am Kapitalmarkt besorgen. 

Vor einigen Jahren kamen solche Anleihen in Mode, sie wurden aber wegen des damit verbundenen Aufwands nur von größeren Unternehmen in Anspruch genommen. Inzwischen sind sie wieder verschwunden, weil die Anleger wegen zahlreicher Insolvenzen das Vertrauen in diese Finanzierungsform weitgehend verloren haben.   

Was ist das Resümee?

Der Geschäftskunde erwartet von seiner Hausbank, dass sie ihn kompetent und vertrauensvoll berät. Dazu gehört insbesondere auch, dass sie ihn auf Schwachstellen seines Unternehmens hinweist und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge macht. Daran sollte auch die Bank interessiert sein, insbesondere um den Kundenkontakt zu stärken.  
 
Auf dem Kreditmarkt ist der Geschäftskunde heute in einer starken Position. Er kann zwischen vielen Angeboten wählen, die sich häufig nur in Nuancen unterscheiden. Was kann die Bank in dieser Situation tun? Sie muss sich mit der Kompetenz und Empathie ihrer Geschäftskundenbetreuer um eine stärkere Kundenbindung bemühen. Dies ist das entscheidende Alleinstellungsmerkmal. 
 





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