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Migrationskrise : Stopp der irregulären Einwanderung
25.06.2025 18:28 (46 x gelesen)

Stopp der irregulären Einwanderung

Neuer Kurs in der Migrationspolitik

Unabhängig von den Plänen der Europäischen Union haben CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie in der nationalen Asyl- und Migrationspolitik einen anderen, konsequenteren Kurs einschlagen wollen. „Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen“, heißt das neue migrationspolitische Ziel der neuen Bundesregierung. 

Dazu sollen ausdrücklich auch Zurückweisungen an der deutschen Staatsgrenze gehören: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren.“ 

Um diesen Plan umzusetzen, hat der neue Bundesminister des Inneren, Alexander Dobrindt (CSU), den Präsidenten der Bundespolizei im Mai 2025 schriftlich darauf hingewiesen, „eine Regelung des deutschen Asylgesetzes zu beachten, wonach Asylsuchenden bei der Einreise aus einem sicheren Mitgliedstaat die Einreise verweigert werden kann; erkennbar vulnerable Personen können weiterhin an zuständige Einrichtungen weitergeleitet werden“. 

Dieser angesichts der Gesetzesbindung der Polizei ungewöhnliche Hinweis erklärt sich aus der in demselben Schreiben vollzogenen Rücknahme einer mündlichen Weisung des seinerzeitigen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) vom 13.September 2015 an die Bundespolizei. In der damaligen Flüchtlingskrise hatte die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden, um Schutz suchende Migranten grundsätzlich nicht zurückzuweisen, sondern „willkommen“ zu heißen. Das soll unter der neuen Bundesregierung nun anders werden.  

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin

Ob die neue Zurückweisungspraxis der Bundesregierung mit dem geltenden EU-Recht vereinbart werden kann, ist schon Gegenstand der aktuellen öffentlichen Debatte mit zahlreichen Stimmen und Argumenten. 

Das Verwaltungsgericht Berlin hat jetzt in einem Eilverfahren entschieden, dass Asylsuchende, die an der Grenze aufgegriffen werden, nicht abgewiesen werden dürfen, ohne dass im sogenannten Dublin-Verfahren das für das Asylverfahrens zuständige EU-Mitgliedsland bestimmt wird. Nach Angaben der Gerichtssprecherin handelt es sich bei dieser Entscheidung um die erste gerichtliche Entscheidung zu der von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verfügten Neuregelung.

Auslöser dieser Entscheidung war der Fall zweier Männer und einer Frau aus Somalia, die mit dem Zug von Polen nach Deutschland reisten. Am 9. Mai 2025 wurden sie am Bahnhof Frankfurt (Oder) durch die Bundespolizei kontrolliert. Nachdem sie einen Asylantrag gestellt hatten, wurden sie noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete die Zurückweisung laut Gericht mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

Dagegen wehrten sich die Betroffenen per Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin mit Erfolg. Das Gericht erklärte die Zurückweisung der drei Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Boden für rechtswidrig. Ohne die in der Dublin-Verordnung vorgeschriebene Klärung, welcher EU-Staat für ihren Asylantrag zuständig sei, hätten sie nicht abgewiesen werden dürfen. 

Die Bundesregierung könne sich nicht darauf berufen, dass die Verordnung wegen einer Notlage nicht anzuwenden sei. Dazu fehle es an der hinreichenden Darlegung einer vom Gesetz geforderten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Die Beschlüsse sind nach Angaben des Gerichts unanfechtbar.

Diese Entscheidung gilt formal nur für die drei Betroffenen. Das Gericht machte aber deutlich, dass es die Zurückweisung bei Grenzkontrollen in solchen Fällen generell für rechtswidrig hält. 

Der Schengen-Grenzkodex

Am 14. Juni 1985 unterzeichneten fünf europäische Staaten auf einem Schiff in der luxemburgischen Kleinstadt Schengen eine Absichtserklärung (Schengen I), die vorsah, die Kontrollen an den Binnengrenzen der damaligen EU-Mitgliedstaaten schrittweise abzubauen. Mit dem Inkrafttreten des Durchführungsübereinkommens am 26. März 1995 (Schengen II) wurden die Ziele des Schengen I- Abkommens umgesetzt und ausgeweitet. Mittlerweise gehören dem Schengen-Raum 29 Länder an. 

Das Schengener Abkommen sollte dazu beigetragen, das Prinzip der EU-Freizügigkeit für die Bevölkerung erfahrbar zu machen. Sein Ziel ist, dass jeder Bürger in der EU überall wohnen und arbeiten und sich auch zwischen den Mitgliedstaaten ohne Kontrollen frei bewegen kann. Das gilt insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland, die ausschließlich an Schengen-Mitgliedsstaaten grenzt und an den Landesgrenzen Passkontrollen nicht mehr durchführt, wenn nicht Ausnahmen vorgesehen sind. 

Der Schengen-Grenzkodex ist im Mai 2024 dahin geändert worden, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, in eng definierten Ausnahmefällen zeitlich befristete Kontrollen an Binnengrenzen einzuführen. In Deutschland ist dafür das Bundesinnenministerium zuständig.   

Voraussetzung für die vorübergehende Einführung von Grenzkontrollen ist eine „ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“. Darüber hinaus fordert der Schengen-Kodex, dass Kontrollen nur das „letzte Mittel“ sein dürfen, und die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen begründen müssen. 

Im Juni 2025 haben elf Schengen-Mitglieder bei der EU-Kommission Kontrollen an ihren Grenzen angemeldet, allerdings mit unterschiedlichen Begründungen: Österreich und die Niederlande argumentieren mit der Abwendung „irregulärer Migration“; Dänemark verweist auf eine mutmaßliche hohe Terrorgefahr; Schweden auf einreisende Kriminelle. 

Seit 2015 kontrolliert Deutschland die österreichische Grenze. Im Oktober 2023 führte die Bundesregierung auch Kontrollen zur Schweiz, Polen und Tschechien ein. Diese wurden seither mehrfach verlängert. Das Bundesinnenministerium begründete seine Maßnahmen mit dem Kampf gegen Schleuserkriminalität und der Begrenzung „irregulärer Migration“. 

Die Bundesrepublik Deutschland hat also durchaus die Möglichkeit, sich gegen die irreguläre Migration zur Wehr zu setzen. 

Die Dublin-III-Verordnung

Artikel 16 a Abs.1 Grundgesetz gewährt politisch Verfolgten grundsätzlich Asyl in der Bundesrepublik. Darauf kann sich aber gemäß Artikel 16a Abs.2 Grundgesetz nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem „sicheren Drittstaat“ nach Deutschland einreist. 

Da die Bundesrepublik Deutschland nur von Ländern umgeben ist, die diese Voraussetzungen erfüllen, kann laut Grundgesetz eigentlich niemand, der auf dem Landweg nach Deutschland kommt, hier Asyl beantragen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die asylsuchende Person an der Grenze zurückgewiesen werden darf – denn das Grundgesetz wird nach herrschender Rechtsmeinung von der sog. Dublin-III-Verordnung aus dem Jahr 2013 überlagert. 

Der Zweck der Dublin-III-Verordnung ist es, die Zuständigkeit für Flüchtlinge im EU-Raum zu koordinieren. Es soll mit dieser Verordnung verhindert werden, dass Flüchtlinge durch Europa ziehen und sich kein Staat für ihre Asylanträge zuständig fühlt. 

Deshalb wurde in der Dublin-III-Verordnung festgelegt, dass jeweils derjenige EU-Mitgliedsstaat für das Asylverfahren zuständig ist, in dem der Flüchtling erstmals EU-Boden betreten hat. Somit wären eigentlich alle Staaten an den EU-Außengrenzen, z.B. Griechenland, Italien, Kroatien oder Ungarn, für das Asylverfahren zuständig. Das System funktioniert aber nicht, wenn die Asylsuchenden in diesen Ländern aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen nicht registriert, sondern nur „durchgewinkt“ werden, weil sich dann in vielen Fällen nicht mehr feststellen lässt, wo der Flüchtling in die EU eingereist ist. 

Für diese Fall sieht das Dublin-III-Verfahren vor, dass das Asylverfahren in dem Land durchzuführen ist, in dem der Betreffende das erste Mal seinen Asylantrag stellt. Das besagt auch § 18 Abs. 4 Nr. 1 Asylgesetz: „Ein Ausländer, der bei einer mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde (Grenzbehörde) um Asyl nachsucht, ist unverzüglich an die zuständige oder, sofern diese nicht bekannt ist, an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Meldung weiterzuleiten.“ 

Demnach verstößt die Anweisung des Bundesinnenministers an die Polizei, asylsuchende Personen an der deutschen Grenze zurückzuweisen, sowohl gegen die Dublin-III-Verordnung als auch gegen das Asylgesetz. Nun ist es nichts Neues, dass es gesetzliche Normen gibt, auf die eine nationale Regierung oder ein Parlament keinen Zugriff haben. Dazu gehört insbesondere das europäische Asylrecht, dem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der prinzipielle Vorrang vor dem nationalen Recht jeder Rangstufe zusteht. 

Der Kernbereich staatlicher Souveränität

Dieser Vorrang europäischen Rechts gilt aber – auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - nicht ausnahmslos: 

Das ergibt sich sowohl aus Artikel 4 des EU-Vertrages („Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben gemäß Artikel 5 bei den Mitgliedstaaten“) als auch aus Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV), der es erlaubt, die eigentlich geltenden europäischen Regeln zu Asyl- und Migrationsfragen zu ignorieren, wenn „die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ und der „Schutz der inneren Sicherheit“ in dem Mitgliedstaat in Gefahr sind, was nach Meinung der Bundesregierung in Deutschland der Fall ist. 

Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit gehören zu den unverzichtbaren Aufgaben des Staates und bilden den Kernbereich staatlicher Souveränität, der zur Wahrung der staatlichen Identität nicht aufgegeben werden darf. „Es gilt ein Identitätsvorbehalt als zwingende Integrationsschranke“ (Hans-Jürgen Papier in WamS vom 24./25. Juni 2025). 

Dieser Kernbereich staatlicher Souveränität besteht nicht zuletzt aus dem Recht der Bundesrepublik, dass seine demokratisch legitimierten Organe darüber entscheiden dürfen, ob und unter welchen Voraussetzungen Drittstaatsangehörige in Deutschland einreisen und sich dort niederlassen dürfen. „Dieses zentrale Souveränitätsrecht wird ausgehöhlt, wenn Deutschland gemäß europäischem Recht jede Person aus aller Welt bedingungs- und voraussetzungslos einreisen lassen müsste, sofern diese Person formal ein Asylbegehren geltend macht“ (Papier). 

Hinzu kommt, dass Asylbegehren in Deutschland in Fällen der Binnenmigration entweder wegen fehlender Zuständigkeit aussichtslos oder wegen der damit verfolgten sozialen Zwecke objektiv rechtsmissbräuchlich sind. „Entscheidungen europäischer Gerichte, die diesen verfassungsrechtlichen Identitätsvorbehalt missachten, ergehen ultra vires“, d.h. außerhalb der gerichtlichen Zuständigkeit (Papier).  

Im Übrigen trägt Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union dem nationalen Identitäts- und Souveränitätsvorbehalt dadurch Rechnung, dass er die Zuständigkeiten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit ausdrücklich den Mitgliedsstaaten überlässt. Insofern kann „von einer wirklichen Diskrepanz zwischen deutschem und europäischem Recht in der hier strittigen Frage letztlich keine Rede sein“ (Papier). 

„Solange der faktisch unbegrenzte und voraussetzungslose Zustrom von Migranten über die deutschen Binnengrenzen anhält und solange eine funktionsfähige und durchsetzbare gesamteuropäische Asylrechtsregelung, die den gegenwärtigen dysfunktionalen Zustand beendet, nicht erfolgt, wird Deutschland sich auf die Regelung des Artikel 72 AEUV berufen dürfen. Dies wird entsprechende Reaktionen von Nachbarstaaten Deutschlands auslösen und dadurch eine neue funktionsfähige EU-Asylrechtsordnung befördern“ (Papier). 

Die EU-Menschenrechtskonvention als Fessel der Asylpolitik

Seit Jahrzehnten versuchen die europäischen Staaten, die Asyl- und Flüchtlingskrise zu überwinden: Nationale Grenzkontrollen, internationale Migrationsabkommen und eine grundsätzliche Reform des Asylsystems - unzählige Maßnahmen wurden ergriffen, sie haben aber die illegale Migration nicht beendet. Das ist keine Überraschung, denn der Kern des Problems wurde nie problematisiert bzw. verändert: die weltweit einmalige juristische und politische Fesselung Europas durch die Europäische Menschenrechtskonvention. 

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der grundlegende Menschenrechte für die Mitgliedsstaaten des Europarats garantiert. Dazu gehören z. B. das Recht auf Leben, das Verbot von Folter, das Recht auf ein faires Verfahren und der Schutz des Familienlebens (Art. 8 EMRK). Auf diese Grundrechte kann sich in Europa jeder Mensch berufen, unabhängig von seiner Herkunft. 

Indirekt fördert der EMRK mit einigen seiner Rechte, die allen Menschen zustehen, auch die Migration nach und innerhalb Europa: 

  • Die EMRK verbietet zum Beispiel Staaten, Menschen in Länder abzuschieben, in denen ihnen Folter oder unmenschliche Behandlung droht (Art. 3). 
  • Gerichte, insbesondere der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), haben in Einzelfällen Abschiebungen untersagt, z. B. aus humanitären Gründen oder wegen des Schutzes der Familie. 
  • Art. 6 EMRK sichert das Recht auf ein faires Verfahren. Bei diesem Artikel handelt es sich um das wichtigste Menschenrecht in Asylverfahren. Mehr als jede dritte Beschwerde zum EMRK dreht sich um dieses Recht. Daher gibt es auch eine sehr detaillierte Rechtsprechnung zu dieser Thematik. 

Bisher galt es als Tabu, in der Asyl- und Migrationspolitik bei der EMRK anzusetzen. Das will aber eine Gruppe von Ländern jetzt ändern. Dänemark übernimmt für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Auf der Agenda steht für die Regierung in Kopenhagen auch, eine Debatte über die Europäische Menschenrechtskonvention anzustoßen, die den Kontinent seit langem in der Migrationspolitik lähmt. Dort wurzelt vor allem das Gebot, dass jeder Migrant, der Asyl begehrt, überall hinreisen darf und ein Recht auf Prüfung seines Falles hat. 

In einem offenen Brief der Regierung in Kopenhagen heißt es: "Wir müssen klären, ob in manchen Fällen das Gericht die Konvention über ihre ursprünglichen Absichten hinaus ausgelegt hat." Mit dem Gericht meinen die Unterzeichner den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der über die Menschenrechtskonvention wacht und an dessen Urteil die EU-Staaten gebunden sind. 

Die EMRK kann durch Zusatzprotokolle geändert werden: Diese Möglichkeit ist in Art. 59 Abs. 2 EMRK ausdrücklich vorgesehen. Änderungen der EMRK werden vom Ministerkomitee des Europarats vorgeschlagen, das aus den Außenministern und deren ständigen Vertretern besteht. Der Beschluss erfordert eine Zweidrittelmehrheit. 

Die Änderungen müssen von den Vertragsstaaten unterzeichnet und ratifiziert werden. Erst nach der notwendigen Anzahl von Ratifikationen treten das Protokoll und damit die Änderungen der EMRK in Kraft.   

Fazit: 

Die Bundesregierung bewegt sich mit ihrer Asyl- und Migrationspolitik nicht im rechtsfreien Raum, sondern muss die dafür vorgesehenen Regeln des Europarechts beachten. Gleichzeitig sollte sich die deutsche Regierung dem dänischen Vorstoß anschließen, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von solchen Vorschriften zu befreien, die einer notwendigen und angemessenen Asyl- und Migrationspolitik im Wege stehen. 


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