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Klima und Energiewende : Rudi Behr zur Agrar- und Ernährungswende
30.07.2023 19:19 (571 x gelesen)

Rudi Behr zur Agrar- und Ernährungswende

geht es Ihnen auch so? Zunehmend verliert man die Lust auf Berichte in den Medien, was aktuell wichtig sein soll und welche Schritte daraufhin politisch eingeleitet werden. „Auf den Weg gebracht“ ist eine Formulierung. Frage: Auf welchen Weg und wo endet der? Was ist das Ziel und was kommt dabei raus?

Der Bundeslandwirtschaftsminister beschäftigt sich mit Vorschriften, was der Mensch essen darf. Das soll staatlich geregelt werden. Was gesund ist, sagt der Staat und das muss gegessen werden. Erst mit finanziellen Anreizen und mit leichtem Druck, der moralisch medial verstärkt wird. Wenn das nichts nützt, braucht man andere Mittel. Die Agrar- und Ernährungswende sei mit der freien Entscheidung des Bürgers, was er isst, nicht zu erreichen, so eine Verlautbarung aus dem Ministerium. Da hört man die nächste Eskalationsstufe schon raus. Die Grundsätze, die formuliert werden, haben in sich Zielkonflikte, die den fachlich kompetenten Betrachter schwindelig machen.

Fleisch soll nicht mehr in Mengen gegessen werden. Zucker und Salz kommen auf den Index. Es soll eine pflanzenbasierte Ernährung eingeführt werden. Wir als Gemüsebauern müssten jubeln und Dankgebete zum Himmel schicken, ob solcher von hoher Stelle gegebenen Unterstützung. Ich kann es aber nicht.

Es sollen pflanzliche Nahrungsmittel gegessen werden, die regional erzeugt wurden. Sie sollen möglichst aus ökologischem Anbau stammen und im Preis sozialverträglich sein. Gleichzeitig soll der Mindestlohn weiter steigen. Das ganze Konzept wäre nachhaltig. Auch die Frage der Ernährung von 8 Milliarden Menschen auf der Erde wird zumindest als möglich erachtet. Wie genau wird nicht erwähnt.

Möglichst regional: Regionaler Anbau vermindert Transportwege zum Konsumenten. Regionaler Anbau fördert den Familienbetrieb. Das ist richtig!! Aber:
Regionaler Anbau verhindert die Mechanisierung, weil die Maschinen und Anlagen in kleinen Produktionen nicht bezahlbar sind. Das Produkt muss wegen der hohen Handarbeit sehr viel mehr Geld kosten und kann besonders bei steigenden Mindestlöhnen nicht sozialverträglich angebaut werden. Die großen, überregionalen Anbauverfahren belasten den Boden weniger und schonen die Ressourcen pro Einheit: Sie benötigen weniger Ackerflächen, weniger Wasser, weniger Pflanzenschutzmittel und Dünger pro verzehrfähige Einheit und erlauben großzügige Randflächennutzung für Blühstreifen und Umweltmaßnahmen.


Möglichst ökologisch: Das Ziel fördert die Rückbesinnung auf pflanzenbauliche Tugenden, die im konventionellen Anbau oft nicht beachtet werden. Der Boden wird durch organische Düngung zur Stickstoffversorgung verbessert und das Bodenleben gefördert. Der Pflanzenschutz ist tendenziell weniger eingreifend in das Ökosystem.
Das ist richtig!! Aber:
Für uns als Bio- und konventioneller Anbauer von Gemüse sind die Erkenntnisse sehr wertvoll und finden auch im konventionellen Anbau Raum und Platz. Die Lehre, dass alle eingesetzten Mittel natürlichen Ursprungs sein müssen, kommt aus der Überzeugung, dass die Natur grundsätzlich gut zu den Menschen ist. Wissenschaftlich ist das nicht belegbar. Nachteilig ist aber der viel größere Flächenbedarf durch Minderernte und benötigte Regenerationsfläche um etwa 40% bis 50%. Der Wasserbedarf pro Stück und kg verzehrbarer Menge ist höher. Der Ressourcenverbrauch pro ha Anbaufläche ist zwar geringer, aber nicht pro verzehrbare Einheit.

Zudem sind alle aufgeführten Maßnahmen auch auf den konventionellen Anbau übertragbar.

Die ökologische Betriebsstruktur ist kleinteilig und erfordert sehr viel Handarbeit. Die landwirtschaftlichen Flächen sind weltweit nicht vorhanden, um die Mindermengen auszugleichen. Das Produkt hat hohe Kosten und muss teuer angeboten werden. Der Fachhandel für ökologische Produkte ist rückläufig. Der Vollsortimenter und der Discount übernehmen die Führungsrolle, weil sie konventionelle Produkte und ökologische Produkte anbieten können, was den Konsumenten entgegenkommt. Die kaufen auch ökologisches Gemüse, aber nicht ausschließlich.

Mittelfristig werden große Strukturen im Öko-Anbau begünstigt, da die Einkaufsstruktur des LEH das erfordert und die Handarbeit durch Mechanisierung reduziert werden muss. Der häufig propagierte Weg, alle Betriebe im Vertrieb zu bündeln, beseitigt nicht den Grundkonflikt in der Produktion. Gebündelter Verkauf von 1000 Dorfschmieden ergibt keine Autofabrik. Das politische Ziel, 30 % der Fläche mit Öko-Anbau zu belegen, muss breitere Käuferschichten erschließen, die derzeit nur bereit sind, Öko-Gemüse zu kaufen, wenn es billig ist.

In der Realität führen die politischen Ziele zu höheren Kosten und versperren den ärmeren Schichten den Zugang zur pflanzenbasierten Ernährung. Die ärmeren Bevölkerungsschichten sollen von Fast Food zur pflanzenbasierten Ernährung umerzogen werden. Dazu sind sozialverträgliche Preise notwendig, die durch die Agrar- und Ernährungswende aber verhindert werden.

Die Nachhaltigkeit definiert sich durch geringen Ressourcenverbrauch, hoher Effektivität und Erhaltung der Produktionsfaktoren in der Zukunft. Eine automatische Gleichsetzung mit regional und ökologisch ist nicht wissenschaftlich, wird aber politisch so festgelegt. Ein ergebnisoffener Dialog ist so unmöglich. Eine Kommission, die per Losentscheid eingesetzt wird, soll die praktische Vorgehensweise ausarbeiten. An der Richtung ändern, kann sie nichts. Sie soll nur die vorgegebene Richtung ausgestalten. Und das soll bürgernah sein.


Die mangelnde Logik hat Hochkonjunktur. Lassen Sie sich einen Satz von Bundeskanzler Scholz auf der Zunge zergehen. Dem chinesischen Ministerpräsidenten erklärte er, dass Deutschland und China angesichts der hohen CO2-Emissionen beider Länder aufgerufen sind, vorrangig die Reduzierung voranzutreiben. Die Realität: Deutschland verursacht knapp 2 % der Weltemissionen, China 33 % und plant weltweit 600 Kohlekraftwerke zu bauen. Da müssen sich unsere 2 % aber ganz schön anstrengen, um das zu kompensieren.
Ihr
Rudolf Behr

(Rudi Behr gehört zu den großen Gemüsebauern in Deutschland und Spanien)


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