Klimapolitik ohne Plan
Bei den Zielen in der Klimapolitik schreitet die rot-schwarze Bundesregierung mutig voran: Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Zur Mitte des Jahrhunderts will Deutschland sogar klimaneutral sein – also nicht mehr CO2 ausstoßen, als es binden kann. Das sind große Ziele, die viel verlangen, wenn sie sich nicht als Illusionen erweisen sollen. Doch tatsächlich tut sich die Koalition schwer damit, das Notwendige zu tun.
Dabei bleibt der Koalitionsregierung nicht viel Zeit, um konkrete Aktionen auf den Weg zu bringen. Lange gab es die Hoffnung, dass mit einem schnellen Ausstieg aus der Kohle Zeit gewonnen werden könnte. Doch als sich die Kohlekommission im Januar darauf einigte, die Kohleverstromung erst im Jahr 2038 zu beenden, war endgültig klar, dass neben der Energie auch die Sektoren Industrie, Verkehr und Landwirtschaft eigene Beiträge zur Einsparung von CO2 bringen müssen.
Klimaschutzgesetz und Klimakabinett
Dafür hat die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, ein Klimaschutzgesetz entworfen, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Der Gesetzentwurf schreibt jedem Ministerium CO2-Einsparziele vor, deren Verfehlung Strafzahlungen nach sich ziehen würde.
Merkel zu Besuch in Harvard
Als der amerikanische Präsident Donald Trump im Frühjahr 2019 wegen des Migrationskonflikts mit Mexiko und des Handelsstreits mit China innenpolitisch erheblich unter Druck geriet, besuchte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Universität Harvard bei Boston. Man hatte sie eingeladen, um dort bei der zentralen Abschlussfeier für die Absolventen – Bachelors, Masters und Doktoren aller Fakultäten – die große Rede zu halten.
Der Besuch in Harvard war für Angela Merkel ein Heimspiel, das ihr laut Medienberichten Freude gemacht hat. Ihr wurde nicht nur die Ehrendoktorwürde verliehen, sondern sie war auch durch den Einmarsch der Graduierten in ihren Talaren, die Redebeiträge und das Singen der Hymnen beeindruckt. Als der Kanzler der Universität ihr die Urkunde überreichte und sie als „the scientist who became a world leader“ vorstellte, strahlte sie über das ganze Gesicht.
Die Historisierung von Angela Merkel hat bereits begonnen. Harvard war dafür kein zufällig ausgesuchter Ort. Das linksliberale Milieu auf dem Campus von Harvard verehrt Angela Merkel als Heldin und schämt sich für den eigenen Präsidenten Donald Trump.
Enttäuschung der Wirtschaft
Proteste der Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert. Noch nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen gehörte der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) zu den Befürwortern einer neuen großen Koalition – aus der Sorge, unter einer Minderheitsregierung gebe es nur Stillstand. Ein Jahr später gab sich BDI-Präsident Dieter Kempf auf dem Tag der deutschen Industrie in Berlin keine Mühe mehr, seinen Unmut über die Arbeit der großen Koalition zu verbergen.
Deutschland habe eine „Regierung im permanenten Selbstgespräche-Modus“, kritisierte Kempf und präsentierte der Bundesregierung eine Liste unerledigter Angelegenheiten, die von niedrigen Strompreisen bis hin zu einer Reform der Unternehmenssteuern reichte. „Seit drei Legislaturperioden verspricht die Bundesregierung schnelles Internet“, rügte Kempf. Stattdessen vergeude sie ihre Kraft mit internen Querelen.
Schon zuvor hatte der ehemalige Chef der BASF, Jürgen Hambrecht, die Bundesregierung in einem persönlichen FAZ-Beitrag aufgefordert, „weniger zu reden und mehr zu machen“. Er warnte vor unrealistischen Zielen bei der Energiewende: „Eine fast vollständige Reduktion der Treibhausgase um 95 Prozent ist aus heutiger Sicht weder technisch noch wirtschaftlich, noch gesellschaftlich vorstellbar. Trotzdem wird sie weiterhin ernsthaft diskutiert.“ Hambrecht forderte von der Bundesregierung „mehr Augenmaß beim Planen, mehr Bescheidenheit beim Ankündigen, dafür umso mehr Mut und Entschlossenheit beim Umsetzen. Daran wird sich die Zukunft Deutschlands entscheiden.“
Leserbriefe
Leserbrief zum Verbraucherschutz (2014)
Der in der FAZ vom 9. Mai 2014 in gekürzter Fassung veröffentlichte Vortrag von Hans Jürgen Papier zum Verbraucherschutz zeigt in erschreckender Deutlichkeit, wie es um die Rechts- und Ordnungspolitik in Deutschland bestellt ist. Der neuerdings beim Bundesjustizministerium angesiedelte Verbraucherschutz hat sich zu einem in der Politik äußerst beliebten und wachsenden Betätigungsfeld entwickelt. Die Kompetenz dazu erklärt Hans-Jürgen Papier u.a. mit dem „deutschen Verfassungsverständnis“, d.h. der „Allzuständigkeit“ des Staates. Wörtlich: „Danach gibt es keinen geschlossenen Kanon staatlicher Aufgaben; prinzipiell alle gesellschaftlichen Bereiche stehen dem Aufgabenzugriff des Gesetzgebers offen. Dieser Ausgangspunkt scheint mir nicht überholt zu sein. Eine strikte Grenzziehung zwischen staatlichen Aufgaben einerseits und gesellschaftlichen Aufgaben andererseits ist weder praktikabel noch überhaupt wünschenswert. Dem Staat und seinen demokratisch legitimierten Organen muss es möglich sein, flexibel und nach wechselnden politischen Erkenntnissen und Zweckmäßigkeiten gesellschaftsgestaltend tätig zu werden.“
Aufstand gegen die Metropolen
Die Nachkriegsära war für den Westen ein großer Erfolg: Unter der Führung der USA entstand eine Reihe von internationalen Organisationen und Allianzen, um das Vordringen des Kommunismus zu stoppen (NATO) und den Frieden zu sichern (UNO). Die nationalen Volkswirtschaften wurden liberalisiert, und international entstand ein effektives Handelssystem (WTO/GATT). Auf dieser Grundlage erfolgten der Wiederaufbau der Wirtschaft in Europa und der Prozess der europäischen Einigung (Montanunion, EWG). Die nationale Identität blieb dabei unangetastet.
Aber schon die nächste Generation von Politikern verlor das Gespür für die realen Möglichkeiten. Europäische und kosmopolitische Eliten verfolgten den Traum, dass das von ihnen verachtete Nationale mühelos in einem europäischen Bundesstaat („Idee einer immer engeren Union“) oder Weltstaat aufgehen könnte. Den Weg dahin sahen sie in der Abschaffung von nationalen Grenzen, in dem Zusammenwachsen der Märkte und in der Übertragung von immer mehr Macht auf internationale Institutionen.
Was die politischen Eliten dabei aus den Augen verloren, waren die Menschen, die ihnen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr folgen wollen:
• Dazu gehören Menschen, die an ihrer nationalen Identität festhalten wollen.
• Darunter auch solche, die von der Globalisierung nicht profitieren, sondern zu ihren Verlierern gehören.
• Schließlich Menschen, die sich von supranationalen Institutionen nicht vertreten fühlen.
Viele dieser Menschen haben das Vertrauen in das westliche System verloren und wählen Politiker, die gegen Globalisierung und Supranationalität agitieren und das nationale Interesse ins Spiel bringen.
"Greta Thunberg"
Jetzt haben die Klimaaktivisten auch noch eine Ikone, die 16-jährige Greta Thunberg aus Schweden. Mit ihrer von Marketingexperten begleiteten „Fridays for Future“-Bewegung ruft sie weltweit zum Kampf gegen die von Menschen gemachte Klimakatastrophe auf und veranlasst dazu Jugendliche, konsequent freitags die Schule zu schwänzen.
Gretas Agenda lautet: Braunkohle, Steinkohle, Gas und Öl sowie Kernenergie (!) müssen abgeschafft und durch regenerative Energien ersetzt werden. So haben es die Klimawissenschaftler ausgerechnet und so predigen es die Klimaaktivisten weltweit. Auch Greta glaubt fest an diese Botschaft.
Selbst die Kirchen begrüßen diese Botschaft. Der Papst in Rom sprach Greta Thunberg Mut zu und wünschte der von ihr auf den Weg gebrachten Bewegung gutes Gelingen. Der Berliner Bischof verglich ihren Auftritt sogar mit dem Einzug Jesu nach Jerusalem. Wundern sollte man sich darüber nicht: Die moralische Überhöhung politischer Positionen, wie es die Grünen seit vielen Jahren machen, hat längst auch die Mitte der Gesellschaft erreicht.
Merkel´s wirtschaftspolitische Hinterlassenschaften
Ende des Aufschwungs
Die fünf „Wirtschaftsweisen“ warnten Angela Merkel schon im Herbst 2018 bei der Übergabe ihres neuesten Gutachtens, dass sich der bald ein Jahrzehnt währende Aufschwung in Deutschland zunehmend abschwächt. Für das Jahr 2019 sagten sie eine Abschwächung des Wachstums auf nur noch 1,5 Prozent voraus. Danach lagen die Ökonomen unterhalb der Herbstprognose der Bundesregierung, die für 2019 ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent erwartete.
Dass solche Annahmen deutlich zu optimistisch waren, zeigte die im April 2019 veröffentlichte Wachstumsprognose der fünf führenden Konjunkturforschungsinstitute. Darin wurde das für 2019 erwartete Wirtschaftswachstum auf 0,8 Prozent reduziert. „Der langjährige Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zu Ende“, sagte Oliver Holtemöller (IWH) zu dieser Prognose. „Sowohl das Ausmaß der inländischen Produktionshemmnisse als auch die Abkühlung der Weltkonjunktur wurden unterschätzt“, heißt es in der Analyse der fünf beteiligten Institute. „Die Gefahr einer ausgeprägten Rezession halten wir jedoch bislang für gering“.
Die Hiobsbotschaft der Ökonomen fiel mit der Nachricht aus der Wirtschaft zusammen, wonach die Auftragseingänge der Industrie im Februar unerwartet stark um 8,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen waren. Das war der stärkste Rückgang seit der Finanzkrise vor einer Dekade. Die Bundesregierung erklärte dies mit dem schwächeren Wachstum in China, den anhaltenden Handelskonflikten mit den USA und mit der Unsicherheit über den Brexit. Handlungsbedarf sah sie nicht, weil am Arbeitsmarkt weiterhin kein negativer Trend zu erkennen war und die Bevölkerung trotz der pessimistischen Wirtschaftsprognosen optimistisch gestimmt blieb.
Klimapolitik - Aktivisten und Skeptiker
Im Bundestagsausschuss für Umwelt fand 28. November 2018 ein denkwürdiges Treffen zwischen den Klimawissenschaftlern Prof. Dr. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Prof. Dr. Nir Shaviv von der Hebräischen Universität Jerusalem statt. Es ging in diesem Fachgespräch um die brisante Frage, ob es Belege für eine anthropogene Erderwärmung gibt oder ob Sonneneffekte entscheidend für das Klima sind.
Anders Levermann, der auch die Bundesregierung berät, gehört zu der großen Gruppe von Klimaaktivisten, die es für erwiesen hält, dass der weltweite Temperaturanstieg im Wesentlichen durch den Ausstoß von Kohlendioxid und andere Klimagasen verursacht wird. Um eine Klimakatastrophe zu vermeiden, fordert Levermann die Politik zu entscheidendem Handeln auf: Wenn man die Temperatur des Planeten stabil halte wolle, sage die „reine Physik“, dass es nur noch „null Emissionen“ geben dürfte. Bei einer Verdopplung des Kohlendioxidausstoßes werde es zu einer Drei-Grad-Erwärmung mit verheerenden Folgen für die Weltbevölkerung kommen.
Demgegenüber gehört Nir Shaviv zu der kleinen Gruppe von Klimawissenschaftlern, die dazu raten, innezuhalten, bevor weitere Ressourcen „verschwendet“ werden: Für die Behauptung, die Erderwärmung sei im Wesentlichen „menschengemacht“, gebe es keine wissenschaftlichen Belege. Vielmehr gebe es Beweise dafür, dass die Klimaänderung vor allem auf Sonneneffekte zurückzuführen sei. Selbst wenn sich der Kohlendioxidausstoß verdopple, komme es nur zu einer Erwärmung von bis zu 1,5 Grad. Dies wolle der Weltklimarat aber nicht wahrhaben.
Der Abschiedsbericht
(2013)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse in dem Jahr 2013.
Mit der Bundesdelegiertenversammlung der MIT am 11. Oktober 2013 in Braunschweig endete mein Amt als MIT-Bundesvorsitzender. Es gab zwei Kandidaten für meine Nachfolge: Dr. Carsten Linnemann (MdB) aus Nordrhein-Westfalen und Oswald Metzger, der früher für die Grünen im Bundestag gesessen hatte. Bei der Wahl entschieden sich die Delegierten für Carsten Linnemann als neuen Vorsitzenden der MIT.
Meine Aufgabe auf diesem Kongress bestand eigentlich nur noch darin, den Rechenschaftsbericht für die letzten zwei Jahre abzugeben. Ich erweiterte den Bericht jedoch auf die Zeit ab 2005, also dem Jahr, als Angela Merkel Bundeskanzlerin und ich MIT-Vorsitzender wurde. Ich wollte den Delegierten noch einmal aufzeigen, wie sich die CDU in dieser Merkel-Zeit verändert hatte und warum wir darauf mit einem strikt ordnungspolitischen Kurs reagieren mussten.
Die politische Alternative
(2012-2013)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse in den Jahren 2012- 2013.
„Bogenberger Erklärung“
Die von den Euro-Staaten beschlossenen Rettungsschirme, um überschuldete Euro-Staaten vor dem Konkurs zu retten, trafen vor allem bei deutschen Ökonomen auf Widerstand. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei die Aufgabe des im Maastricht Vertrages verankerten „no-bail-out“-Prinzips.
Auch das ifo-Institut (Hans Werner Sinn) befasste sich in einer Strategiesitzung am 15. Oktober 2011 in Bogenberg, Obertaufkirchen, mit der Situation der Europäischen Währungsunion. Aus Sorge um Deutschland und Europa unterzeichneten die Teilnehmer die „Bogenberger Erklärung“, mit der das Ausufern der deutschen Haftung bei den Rettungsprogrammen und die Aushebelung der Marktprozesse verhindert werden sollten. Die Agenda sah folgendes vor:
• Die EZB wird auf die reine Geldpolitik beschränkt und gibt ihre Rolle als „Lender of Last Resort“ auf. Hilfsprogramme sind Aufgabe demokratischer Gremien.
• Die Verteilung der Stimmrechte und die Entscheidungsregeln im EZB-Rat werden revidiert.
• Target-Schulden sind wie in den USA einmal jährlich mit zinstragenden, marktgängigen Vermögensobjekten zu bezahlen.
• Der Rettungsschirm wird um einen klaren Krisenmechanismus und eine Insolvenzordnung ergänzt, welche die Hilfsmaßnahmen der Staatengemeinschaft auf kurzfristige Liquiditätskredite und längerfristige Garantien nach laufzeitbezogenen Schuldenschnitten begrenzen.
• Mittelfristig ist vorzusehen, dass Banken die erworbenen Staatspapiere mit Eigenkapital unterlegen und notfalls den Staat als Miteigentümer akzeptieren, wenn sie die dafür notwendige Rekapitalisierung aus eigener Kraft nicht schaffen.
• Man muss hinnehmen, dass Länder, die nicht in der Lage sind, ihre Schulden zurückzuzahlen, aus der Währungsunion austreten.
Das System Merkel
(2012)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse in den Jahren 2012.
Standortbestimmung der MIT
Nach der Wahl zum MIT-Vorsitzenden für zwei weitere Jahre stellte ich mir die Frage, wie sich die MIT zukünftig politisch aufstellen sollte. Auf der Klausurtagung des Bundesvorstandes am 20./21. April 2012 in Fulda wollte ich mit dem Vorstand darüber diskutieren.
Die Rahmenbedingungen für unsere politische Arbeit hatten sich gegenüber 2009 deutlich verschlechtert: Die CDU hatte wichtige Landtagswahlen verloren. Die Mehrheit im Bundesrat war verloren gegangen. Die FDP war dramatisch abgestürzt. Und die Union regierte auf Sicht ohne Kompass.
Nach den damaligen Umfragen gab es in Deutschland auch keine bürgerliche Mehrheit mehr. Daraus zog die Parteiführung die Konsequenz, dass das sozialpolitische Profil der Union geschärft werden musste. Im Übrigen vertraute man auf die Wahlkampftaktik der „asymmetrischen Demobilisierung“. Mit dem Verzicht auf eigenes Profil und als rot-grüne Kopie hoffte man, das gegnerische Wählerpotential einschläfern zu können.
Schwarz-gelbes Scheitern
(2011-2012)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2011-2012:
Gespräch mit Angela Merkel
Am 6. April 2011 traf sich das MIT-Präsidium mit Angela Merkel zu einem längeren Gespräch im Adenauer-Haus. Das Treffen ging auf eine Anregung von Frau Merkel während des CDU-Parteitages 2010 zurück, bei dem die Anträge der MIT auf erheblichen Widerstand gestoßen waren. Um die Wogen zu glätten, hatte sie mir das Angebot für ein persönliches Gespräch gemacht, das ich angenommen hatte.
Angela Merkel erschien zu dem Gespräch wegen eines Unfalls mit zwei Gehhilfen, denen man in politischer Hinsicht eine gewisse Symbolik nicht absprechen konnte. Persönlich machte sie aber einen frischen und munteren Eindruck, der für eine starke Vitalität sprach. Wir trafen in dem Gespräch auf eine Bundeskanzlerin, die informiert war und kritischen Themen offen gegenüberstand. Merkel selbst bezeichnete das Gespräch später als „kontrovers, aber konstruktiv“.
Energiewende und Rettungsschirm
(2011)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2011.
Merkels Energiewende
Ende März 2011 standen in Baden-Württemberg Landtagswahlen an. Im Wahlkampf stand die nach der Landtagswahl 2006 gebildete Koalition aus CDU und FDP unter erheblichem Druck, weil die oppositionellen Grünen bei den Umfragen deutlich zulegten. Stefan Mappus (CDU) hatte erst 2010 das Amt des Ministerpräsidenten von Günter Oettinger übernommen
Am Freitag, dem 11. März 2011, erschütterte um 14.46 Uhr Ortszeit ein Beben der Stärke 9,0 den Nordosten von Japan. Das Kernkraftwerk Fukushima schaltete sich automatisch ab, und Dieselgeneratoren übernahmen die Notkühlung der Generatoren. Doch dann kam ein gewaltiger Tsunami und spülte die Dieselgeneratoren ins Meer. Ohne Kühlung waren die heißen Brennstäbe sich selbst überlassen, so dass sich im Reaktorgebäude explosiver Wasserstoff sammelte. Der Betreiber Tepco versuchte vergeblich, durch Ablassen der Gase eine drohende Explosion zu verhindern. Nacheinander kam es in mehreren Blöcken des Kraftwerks zu Wasserstoffexplosionen und zur Freisetzung radioaktiver Substanzen. Damit nahm die Katastrophe ihren Lauf.
Die politische Führung in Berlin reagierte auf die Katastrophe mit hektischer Betriebsamkeit. Umweltminister Robert Röttgen (CDU) setzte noch am selben Tag einen Krisenstab ein. „Alles hat sich radikal geändert“, sagte er. Am selben Abend gab es ein Treffen im Kanzleramt, um die Frage zu erörtern, wie man auf die Katastrophe „politisch“ reagieren müsse. In Baden-Württemberg befanden sich die Grünen im Aufwind. Man war sich im Kanzleramt einig, dass die Katastrophe ein „Umdenken“ erforderte und schnell etwas gegen die Verunsicherung der Bevölkerung, von der die Wahlkämpfer berichteten, getan werden müsste.
Schwarz-gelbe Enttäuschung
(2010-2011))
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2010 bis 2011.
Politischer Fehlstart
In der Politik gibt es Wörter, die sich schnell verbrauchen. Dazu gehörte das Wort „Neustart“, den die schwarz-gelbe Koalition den Wählern im November 2009 versprochen hatte. Nach acht Monaten Regierungszeit sprach niemand mehr davon. Die Bundesregierung befand sich in einer tiefen Akzeptanzkrise. Mehr als die Hälfte der befragten Wähler waren mit Merkel unzufrieden. Nur noch 32 % der Wähler wollten die CDU wählen. Laut einer Umfrage der Curt L. Schmitt Informationsdienste sagten 91,2 % der mittelständischen Leser, dass sie ihre politische Heimat nicht mehr bei Union und Liberalen sahen.
Gleichzeitig schrieb das Meinungsforschungsinstituts Emnid in BILD am SONNTAG, dass sich jeder fünfte Deutsche eine „bürgerlich-konservative Partei rechts von der CDU“ vorstellen konnte. Dies war für die Union eine alarmierende Nachricht. Besonders beunruhigend war die Aussage der Meinungsforscher: „Ausgerechnet die treuesten Unions-Wähler strömen derzeit in Scharen zu den Nichtwählern: Christlich geprägte Wertkonservative, die Wirtschaft mit Werten verbinden wollen, aber auf immer mehr Sozialdemokratisierung in der eigenen Partei treffen. Bereits die Vorstellung, sich für SPD oder Grüne zu entscheiden, ist für sie ein Graus. Stattdessen werden sie politisch heimatlos.“
Zeiten der Krise
(2009-2010)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2009-2010.
Kursbestimmung in Zeiten der Krise
Nach Bildung der neuen Bundesregierung fand in Berlin am 6.-7. November 2009 der Bundesdelegiertentag der MIT statt. Ort und Zeitpunkt waren so gewählt worden, damit wir uns unmittelbar nach dem Regierungswechsel zu Wort melden konnten. Die Stimmung unter den Delegierten war optimistisch. Angela Merkel hatte sich zu dem Kongress angemeldet, diesmal als Chefin einer schwarz-gelben Bundesregierung. Außerdem stand die Neuwahl des gesamten Vorstandes der MIT an.
Auch für mich als MIT-Vorsitzenden war das Jahr 2009 gut gelaufen: In den Debatten über den richtigen Weg in der Finanz- und Wirtschaftskrise waren wir ein wichtiger Impulsgeber gewesen. Durch unser Engagement im Bundestagswahlkampf hatte sich auch das Verhältnis zur Parteiführung entspannt. Zudem hatten wir uns mit wichtigen Positionen im Koalitionsvertrag durchsetzen können.
Es gab also etwas zu feiern. Hierzu hatte Dieter Lehnen am Vorabend des Kongresses im Berliner MARITIM-Hotel anlässlich meines siebzigsten Geburtstages und des Geburtstages von Peter Jungen, dem MIT-Schatzmeister, einen Empfang organisiert. Über 200 Gäste kamen, um zu gratulieren. Es wurden Ansprachen gehalten. Der aus Rheinland-Pfalz stammende Musiker Gerhard Dell unterhielt die Gäste auf dem Flügel. Der Beginn des Kongresses hätte nicht harmonischer sein können.
"Nationale Industriestrategie"
Die Anfang Februar 2019 von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) der Öffentlichkeit vorgestellte „Nationale Industriestrategie“ hat eine heftige Debatte über die Richtung der deutschen Wirtschaftspolitik ausgelöst. Umstritten sind insbesondere folgende Ziele und Maßnahmen:
• Die Bundesregierung will die deutsche Industrie vor dem chinesischen Expansionstreben „schützen“, soweit politische Interessen Deutschlands tangiert sind. Hierzu sollen das Außenhandelsgesetz verschärft und die Möglichkeit von Staatsbeteiligungen erweitert werden.
• Die Bundesregierung will auf nationaler und europäischer Ebene die Bildung von „nationalen Champions“ erleichtern, um die Unternehmen robuster und wettbewerbsfähiger zu machen. Dementsprechend sollen Zusammenschlüsse von Unternehmen durch eine Änderung des Wettbewerbsrechts erleichtert werden.
• Die Bundesregierung erwartet von der deutschen Industrie, dass sie den Rückstand bei „zukunftsfähigen Technologien“ wie der Elektromobilität, dem Internet und der Künstlichen Intelligenz durch zusätzliche Investitionen beseitigt. Die Bundesregierung will solche Investitionen mit Finanzhilfen und Beteiligungen fördern.
Mit seinen industriepolitischen Vorschlägen bekennt sich der Wirtschaftsminister offen zu einer Wirtschaftspolitik des Merkantilismus, bei der die Regierung steuernd in die wirtschaftlichen Prozesse eingreift, um politische Ziele zu erreichen. Auf die Soziale Marktwirtschaft im Sinne von Ludwig Erhard kann sich Altmaier nicht berufen, weil dessen Verständnis von Wirtschaftspolitik darin bestand, der Wirtschaft einen Ordnungsrahmen vorzugeben, in dem sie sich frei bewegen kann. Zudem war es für Erhard undenkbar, dass sich Politiker anmaßen „konkrete Technologien oder Unternehmen benennen zu können, die eine ´strategische´ Bedeutung für die Volkswirtschaft haben.“ So sieht es auch die Mehrheit im Sachverständigenrat.
Politisierte Naturwissenschaften
Jeder Besitzer eines Autos mit Dieselmotor wird die Zahl kennen: Auf den Straßen dürfen im Jahresmittel nicht mehr als 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NOx) pro Kubikmeter Luft gemessen werden, ansonsten drohen Fahrverbote. Kaum bekannt ist jedoch, wie es zu diesem Wert kam und welche Politiker ihn festgesetzt haben. Gleichwohl ist er die Grundlage für viele Maßnahmen der Luftreinhaltung und steht in zahlreichen Gerichtsurteilen. Denn mit dem Grenzwert sollen Menschen vor Gesundheitsschäden geschützt werde.
Wenn politische Entscheidungen auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse gestützt werden, sollten diese wissenschaftlichen Maßstäben standhalten. Es gibt aber gute Gründe für die Annahme, dass dies bei dem Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NOx) pro Kubikmeter Luft nicht der Fall ist.
Der Wutanfall der Kanzlerin
(2009)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2009.
Bankenrettung
Der Zusammenbruch von Banken als Folge der Finanzkrise kam für die Berliner Politik überraschend. Zeit für langes Nachdenken und kritische Debatten gab es nicht. Angela Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mussten schnell und effektiv handeln. Die Krise war die Stunde der Exekutive, nicht der Legislative. Dies bedeutete aber nicht, dass ordnungspolitische Grundsätze bedenkenlos über Bord geworfen werden durften.
Da von der Finanzkrise vor allem südeuropäische Banken betroffen waren, stellte sich als erstes die Frage, ob auf europäischer Ebene ein gemeinsamer Bankenrettungsfonds organisiert werden sollte. Ein solcher Vorschlag stand bei dem Treffen der wichtigsten Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten am 4. Oktober 2008 in Paris auf der Tagesordnung. Der Vorschlag scheiterte aber am deutschen Widerspruch, weil Angela Merkel die Risiken zu groß erschienen. „Chacun sa merde“, soll Angela Merkel zur Begründung gesagt haben. Ein Vertreter der deutschen Delegation bestätigte diesen Sachverhalt später in folgender Version: „Ein jeder kehr´ vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtquartier.“
Als die deutsche Delegation aus Paris zurückkehrte, brannte in Berlin die Hütte lichterloh. Der Hypo Real Estate (HRE) drohte die Pleite, und beunruhigende Nachrichten gab es auch von anderen Banken. In aller Eile musste deshalb an einer „nationalen Rettung“ gearbeitet werden. Der Bankensektor sah sich nicht in der Lage, die notwendigen Mittel aufzubringen, um kollabierende Institute zu retten. „Leider gibt es ohne den Staat keine Lösung“, hatte Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, der Bundesregierung mitgeteilt. Dies kam einer Kapitulation gleich, und der Staat war gefordert.
"Ein bürgerlicher Rebell"
(2008)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2008.
Cadenabbia Italien
Im Mai 2008 reiste der gesamte Bundesvorstand der MIT nach Cadenabbia, um in der ehemaligen Sommerresidenz von Konrad Adenauer die jährliche Klausurtagung abzuhalten. Die historische Villa La Collina und die moderne Accademia mit den Tagungsräumen gehören heute zur Konrad-Adenauer-Stiftung und liegen in einem großen Park an einer der schönsten Stellen des Comer Sees. Meine Frau und ich wohnten in der Villa La Collina, die Konrad Adenauer viele Jahre als Feriendomizil und als „Ersatzkanzleramt“ gedient hatten. Das Haus, das isoliert auf einem Hügel liegt, war wie zu Adenauers Zeiten eingerichtet. Sich in diesen Räumen aufhalten zu dürfen, war ein besonderes Erlebnis.
Auf der Klausurtagung wollten wir uns zur Mitte der Legislaturperiode mit der großen Koalition und der Strategie der MIT beschäftigen. Hierzu hatten wir ein Papier „Deutsche Parteienlandschaft im Umbruch“ vorbereitet, in dem die Lage der Union als äußerst kritisch beurteilt wurde:
„Zur Bundestagswahl 2005 war die Union mit einem beachtlichen Reformprogramm angetreten. Eckpunkte waren ein gerechtes Steuersystem, eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, ein dereguliertes Arbeitsrecht und eine Reform der gesetzlichen Altersversorgung. Diese Eckpunkte wurden aber nicht umgesetzt. Stattdessen brachte die große Koalition in den vergangenen zweieinhalb Jahren die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, die Einigung auf den planwirtschaftlichen Gesundheitsfonds, einen Systembruch in der Rentenpolitik und die Einführung von Mindestlöhnen. Dies führte zur Verunsicherung über den Kurs der Union und einem Bild der Beliebigkeit und mangelnder Glaubwürdigkeit.“
Sozialdemokratisierung der CDU
(2007)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2007.
EU-Ratspräsidentschaft
Vm 1. Januar 2007 übernahm Angela Merkel bis Mitte des Jahres 2007 die EU-Ratspräsidentschaft. Dazu hielt sie am 17. Januar 2007 eine vielbeachtete Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Sie bekannte sich zu einem Europa, das sich auf die europäischen Kernaufgaben konzentriert, und versprach, den Abbau überflüssiger Bürokratieals eine ihrer Hauptaufgaben aufzugreifen. Außerdem wollte sie sich im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit Europas für den Abbau von Handelsbarrieren etwa beim Patentrecht oder bei Industriestandards einsetzen.
Namens des MIT Bundesvorstandes dankte ich Angela Merkel für ihre visionäre Rede und bot ihr insbesondere bei dem Vorhaben „Better Regulation“ unsere Unterstützung an. Außerdem übersandte ich ihr den Beschluss des Bundesvorstandes vom 17. November 2006 zur Fortentwicklung von Europa mit folgenden Forderungen der MIT:
• Ein Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollte es sein, die Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes zu verbessern. Ein weiteres Anliegen war der verbesserte Zugang mittelständischer Unternehmen zu Forschungsmitteln.
• Zudem forderten wir, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und überflüssige Regeln abzuschaffen. Hierzu schlugen wir die Schaffung eines Normenkontrollrates und eine regelmäßige Überprüfung anhängiger Regulierungsvorhaben vor.
• Außerdem forderten wir eine europäische Energiepolitik, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern. Diese sollte aus einem breiten Energiemix aus Erdöl, Stein- und Braunkohle, Gas und Flüssiggas sowie Kernenergie und erneuerbare Energien bestehen.
Hidden Agenda
(2006)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine politische Tätigkeit und Erlebnisse im Jahr 2006.Schrittweise Kursänderung
Nach Bildung der großen Koalition stand die MIT vor einem grundsätzlichen Problem: Die Union stellte die Kanzlerin, aber die Ministerien für die Kernanliegen der MIT waren bei der SPD. Damit drängten sich zwei Fragen auf: War die große Koalition überhaupt willens und in der Lage, auf die politischen Forderungen der MIT einzugehen? Und wie sollten wir reagieren, wenn dies nicht der Fall war, womit ich rechnete?
Das Dilemma für Angela Merkel und den neuen Generalsekretär Ronald Pofalla war, dass die Leipziger Reformbeschlüsse und der mit der SPD abgeschlossene Koalitionsvertrag nicht zusammen passten. Als Kanzlerin der großen Koalition war Angela Merkel an den Koalitionsvertrag gebunden, der in weiten Teilen die Handschrift der SPD trug. Als Vorsitzende der CDU konnte sie aber die von ihr initiierten Leipziger Beschlüsse nicht einfach über Bord werfen, wenn sie glaubwürdig bleiben wollte. Was sollte sie also tun, um diesen Konflikt zu lösen?
Ihre Lösung bestand darin, alles im Ungefähren zu lassen und über die Widersprüche nicht zu sprechen. So konnte sie hoffen, dass die Leipziger Beschlüsse allmählich in Vergessenheit geraten würden. Zudem der Sozialflügel der Partei ein großes Interesse daran hatte, dieses „neoliberale“ Machwerk verschwinden zu lassen und durch mehr „soziales“ Profil zu ersetzen. In einer ähnlichen Lage befand sich die SPD, wo der linke Flügen gegen Schröders „neoliberale“ Agenda 2010 zu Felde zog.
Große Koalition 2005
In den folgenden Ausführungen berichte ich über die Wirtschaftspolitik im Jahr 2005.
Bundestagswahl 2005
Der September 2005 wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Am 18. September fanden vorgezogene Wahlen zum Bundestag statt, die Angela Merkel den Weg ins Kanzleramt ebnen sollten. Gerhard Schröder war wegen der „Agenda 2010“ in seiner Partei unter Druck geraten und hatte die Vertrauensfrage gestellt. Nach Auflösung des Bundestages wurden Neuwahlen angesetzt.
Die demoskopische Ausgangslage für die Union war günstig: Eine große Mehrheit war mit Rot-Grün unzufrieden. Es gab eine klar ausgeprägte Wechselstimmung. Und in der Sonntagsfrage hatte die Union einen deutlichen Vorsprung. Angela Merkel führte anfangs sogar in der Kanzlerfrage.
.Leipziger Reformparteitag
(2001 - 2004)
Die Wirtschaftspolitik von Angela Merkel (CDU) habe ich als Landes- und Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) aus der Nähe verfolgen können. Darauf beruhen die nachfolgenden Berichte für die Jahre 2001 bis 2013.
Aufbruchszeit
Mit dem Bundesverband der MIT kam ich erstmals bei der Bundesdelegiertenversammlung am 26. und 27. Oktober 2001 in Weimar in Kontakt. Ich hatte kein Mandat, sondern vertrat dort den Landesverband der MIT Niedersachsen als dessen Vorsitzender.
Der Weimarer Kongress der MIT fand zu einer Zeit statt, als die CDU dabei war, sich personell und inhaltlich neu aufzustellen. Die Spendenaffäre um Helmut Kohl hatte die Partei tief erschüttert. Anfang 2000 fasste der CDU-Vorstand den Beschluss, den Ehrenvorsitz von Helmut Kohl „ruhen“ zu lassen. Wenige Wochen später wurde auch Wolfgang Schäuble (CDU) von der Affäre erfasst und trat als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurück. Doch dann berappelte sich die Partei mit neuen Gesichtern: Am 29. Februar 2000 wurde Friedrich Merz zum Nachfolger Schäubles im Fraktionsvorsitz der CDU/CSU gewählt. Und sechs Wochen später wählten die Delegierten Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag in Essen mit 96 Prozent der Stimmen zur neuen CDU-Vorsitzenden. Sie war damit die erste Frau in Deutschland an der Spitze einer Volkspartei.
Krise in Italien
In Italien droht möglicherweise die nächste Eurokrise. Die wirtschaftliche Lage Italiens ist seit Langem schlecht: Das Land ist hoch verschuldet, die Wirtschaft wächst nur schwach und in den Bilanzen vieler Banken schlummern massenweise faule Kredite. Auf den Finanzmärkten geht die Angst um, dass mit der neuen Regierung, die sich explizit nicht mehr an die Regeln der Eurozone halten will, womöglich die Unterstützung der Europäischen Zentralbank wegfällt. Die Furcht vor einem Staatsbankrott hat die Zinsen für italienische Staatsanleihen sprunghaft ansteigen lassen.
Italien ist nach Deutschland und Frankreich die drittgrößte Volkswirtschaft des Eurogebiets. Wie der jüngste Landesbericht der EU-Kommission zeigt, sind die strukturellen Defizite des Landes bedrohlich: unter anderem ein dramatischer Rückgang der Investitionen, hohe Arbeitslosigkeit, ein ständiger Rückgang der Produktivität, hohe öffentliche Schulden und ein angeschlagener Bankensektor mit einem hohen Anteil "fauler" Kredite. Italien hat seit der letzten Krise 2008 neun Prozent seiner Wirtschaftsleistung und 25 Prozent seiner Produktion verloren. Davon wurde bisher kaum etwas aufgeholt.
Merkels Abschied in Raten
Am 29. Oktober 2018, einem Montagmorgen, teilte Angela Merkel dem Präsidium und Bundesvorstand der CDU folgendes mit:
Erstens: Auf dem nächsten Bundesparteitag der CDU im Dezember in Hamburg werde ich nicht wieder für das Amt der Vorsitzenden der CDU Deutschland kandidieren.
Zweitens: Diese vierte Amtszeit ist meine letzte als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Bundestagswahl 2021 werde ich nicht wieder als Kanzlerkandidatin der Union antreten.
Drittens: Für den Rest der Legislaturperiode bin ich bereit, weiter als Bundeskanzlerin zu arbeiten.
Die Ankündigung von Merkel, nicht mehr für das Amt der Vorsitzenden der CDU kandidieren zu wollen, kam für die Präsidiums- und Vorstandsmitglieder überraschend. Nur ihrer Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sie kurz zuvor gesagt, dass sie nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren werde.
Der plötzlicher Rückzieher hatte einen Grund: Es gab konkrete Hinweis, dass Friedrich Merz (CDU) sich auf dem Parteitag der CDU mit Unterstützung von Wolfgang Schäuble für den Parteivorsitz bewerben wollte. Einem solchen Wettbewerb mit ihrem früheren Intimfeind wollte sich Merkel auf keinen Fall stellen.
Manipulierte Dieselgrenzwerte
Seit Verwaltungsgerichte landauf, landab auf Antrag der „Deutschen Umwelthilfe“ für ältere Diesel-Fahrzeuge Fahrverbote anordnen, rückt der Grenzwert für Stickstoffdioxit ("NO2“) verstärkt in den politischen Fokus. Für Empörung sorgte insbesondere die gerichtliche Anordnung einer Diesel-Verbotszone auf der Autobahn A 40 in Essen. Die Straße ist eine der meist befahrenen Autobahnen Deutschlands und wird in der Region auch als „Lebensader des Reviers“ bezeichnet.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) warnte in einem Interview: „Urteile wie diese gefährden die Mobilität von Hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern. Niemand versteht diese selbstzerstörerische Debatte.“ Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bezeichnete er als „unverhältnismäßig“.
Deutschland kapituliert
In Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik bestehen zwischen Deutschland einerseits und Frankreich sowie Italien andererseits nicht zu übersehende Unterschiede. Die Gründe dafür ergeben sich aus den jeweiligen Wirtschaftskulturen. Ludwig Erhard verstand unter Wirtschaftspolitik in erster Linie Ordnungspolitik, d.h. die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Der Grundsatz der Haftung spielt dabei eine zentrale Rolle. Demgegenüber standen der Staat und seine Gestaltungsmacht in Frankreich immer im Vordergrund der Wirtschaftspolitik. Wichtige Anliegen sind vor allem die Handlungsfähigkeit und Flexibilität einer starken Exekutive.
Aus solchen Unterschieden ergeben sich in der Geld- und Wirtschaftspolitik gegensätzliche Handlungsempfehlungen: Für die deutsche Notenbank war die Stabilität der Währung oberstes Gebot. Damit sollte Sparen und solides Haushalten belohnt werden. Demgegenüber sehen französische Politiker in der Währung ein Mittel, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Schulden von Banken oder Staaten interpretieren sie eher als ein Liquiditätsproblem, das sich mit staatlicher Hilfe lösen lässt.
Die südlichen Länder in Europa folgen weitgehend der französischen Denkweise, während der Norden eher den deutschen Positionen zuneigt. Mehr und mehr hat sich aber in den europäischen Institutionen die französische Sichtweise durchgesetzt, weil die Bundesregierung in der Währungsunion ständig Zugeständnisse machte und gegenüber den südeuropäischen Ländern kapitulierte. Der Deutsche Bundestag leistete dagegen kaum Widerstand, weil man die Bundeskanzlerin nicht brüskieren wollte.
Die Warnung der Autoindustrie
Während Angela Merkel in Berlin mit der Bildung einer Jamaika-Koalition beschäftigt war, sah die deutsche Automobilindustrie mit großer Sorge den neuen CO2-Auflagen entgegen, welche die EU-Kommission Anfang November 2017 präsentieren wollte. Es ging um die Frage, wie stark die zulässigen Kohlendioxidgrenzwerte für neu zugelassene Fahrzeuge in Europa bis zum Jahr 2030 gesenkt werden sollen. Die Industrie befürchtete, dass die Kommission nach dem Dieselskandal künftig sehr viel strengere Umweltmaßstäbe anlegen würde. Es war bereits die Rede vom Schicksalstag der europäischen Automobilindustrie.
Hinter den Kulissen wurde intensiv verhandelt und gefeilscht. Die deutschen Autobauer hatten die Hoffnung, eine drohende 40-Prozentgrenze verhindern zu können. Mit der Unterstützung der Bundeskanzlerin konnten sie diesmal nicht rechnen, obwohl sie Merkels Hilfe dringender denn je brauchten. Stattdessen appellierte Sigmar Gabriel (SPD) an Brüssel, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Branche nicht zu überfordern. Auch EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sprang für die Hersteller in die Bresche. Er warnte vor Planwirtschaft und unrealistischen Klimazielen: „Einige Politiker sind zu blauäugig und glauben, die Autoindustrie schafft jede Vorgabe.“
Der Target2-Skandal
Der Target2-Skandal besteht darin, dass die Target2-Forderungen der Bundesbank gegen die Europäische Zentralbank (EZB), die per Ende Juni 2018 auf den Rekordwert von 976 Milliarden Euro geklettert sind, faktisch uneinbringlich sind. In dem für Target2 geltenden Regelwerk ist festgelegt, dass Target2-Forderungen weder fällig gestellt werden können noch zu besichern sind. Umgekehrt sind Target2-Verbindlichkeiten zu keinem Zeitpunkt auszugleichen. Die derzeit gültige Regelung stammt aus dem Jahr 2007, als Axel A. Weber Präsident der Deutschen Bundesbank war.
In seiner Wirkung kommt das Target-System damit einem Kontokorrentverhältnis gleich, aus dem sich die europäischen Schuldnerländer jederzeit in unbegrenzter Höhe zu einem derzeitigen Zinssatz von 0,0 Prozent finanzieren können. Davon machen vor allem Italien und Spanien Gebrauch, wie an den Target-Verbindlichkeiten dieser Länder zu erkennen ist. Die Verbindlichkeiten von Italien belaufen sich inzwischen auf 481 Milliarden Euro und die von Spanien auf 398 Milliarden Euro.
Die wachsenden Target-Salden bringen die EZB in Erklärungsnot. Ihr Präsident Mario Draghi weicht Fragen zur Tilgung oder Besicherung der Salden aus. Frühere EZB-Mitarbeiter wie der DIW-Präsident Marcel Fratzscher und der Ökonom Martin Hellwig verteidigen sich mit dem Argument, es handele sich doch nur um belanglose Salden.
Britischer EU-Austritt
Mehr als zwei Jahre nachdem die Briten für den Austritt aus der EU gestimmt haben, hat Premierministerin Theresa May zum ersten Mal einen detaillierten Plan vorgelegt, wie sie sich die künftigen Beziehungen zur EU vorstellt.
Der Plan der Regierung in London ist hoch umstritten. Außenminister Boris Johnson, Befürworter eines harten Brexit, ist aus Protest zurückgetreten. Der amerikanische Präsident Donald Trump droht damit, auf ein Handelsabkommen mit Großbritannien zu verzichten, wenn May ihren Plan weiter verfolgt.
Zudem sind die vorgeschlagenen Zollregeln sehr kompliziert. Klarer Verlierer ist die Finanzbranche in Großbritannien. Ob der Finanzplatz Deutschland davon profitiert, ist angesichts französischer Akquisitionsbemühungen keineswegs sicher.