Die Kohlekommission
Nach dem jüngsten Klimaschutzbericht der Bundesregierung wird Deutschland seine Ziele zu Senkung der Kohlendioxidemissionen deutlich verfehlen. Im Jahr 2020 wird der Ausstoß an Treibhausgasen nur um 32 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen, statt wie geplant um 40 Prozent.
Die tatsächlichen Effekte der deutschen Klimapolitik sind noch erheblich geringer: Denn der Löwenanteil des Rückgangs beruht auf dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft nach der deutschen Einheit. Die DDR deckte zwei Drittel ihres gesamten Energiebedarfs mit Braunkohle. Zudem werden die Klimagewinne aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien durch den Ausstieg aus der Kernenergie weitgehend konterkariert. Auch in den Sektoren des Energieverbrauchs jenseits der Stromerzeugung, wie Verkehr oder Gebäude, sind praktisch keine Fortschritte zu verzeichnen.
Die Energiewende der Bundesregierung ist bisher alles andere als ein Erfolg. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung eine Kohlekommission eingerichtet, um der Politik einen Ausweg aus der Sackgasse aufzuzeigen.
Ende der EZB-Anleihekäufe
Ist nach Jahren ein Ende der ultralockeren Geldpolitik in Sicht?
In erstaunlicher Deutlichkeit hat EZB-Präsident Mario angekündigt, was der Rat der Europäischen Zentralbank in Zukunft zu tun gedenkt:
Trotz gestiegener wirtschaftlicher und politischer Risiken wird die EZB das billionenschwere Anleihekaufprogramm beenden. Ab Oktober werden die derzeitigen EZB-Käufe von monatlich 30 Milliarden Euro auf 15 Milliarden Euro verringert. Ende Dezember sollen die Zukäufe auf null sinken.
Diese Entscheidung habe der EZB-Rat einstimmig getroffen, sagte Draghi nach der Sitzung des Zentralbankrates am 14. Juni 2018 in Riga. Die EZB werde allerdings den Bestand von dann rund 2,6 Billionen Euro durch Reinvestitionen auslaufender Papieren aufrecht erhalten. „Das Wertpapierkaufprogramm bleibt bestehen“, betonte Draghi. Es werde auch künftig als „normales Instrument“ für eventuelle Fälle einsatzbereit sein.
Die Leitzinsen werden nach dem Beschluss bis mindestens „den Sommer 2019 hindurch“ auf dem derzeitigen niedrigen Niveau bleiben, kündigte Draghi an. Ob während des Sommers 2019 oder erst danach eine erste Zinsanhebung denkbar sei, wollte er nicht präzisieren. Doch danach könnten die Zinsen steigen. Draghis Amtszeit läuft im Oktober 2019 ab.
"Tit for Tat"
Wer wird den Handelskrieg zwischen den USA und Deutschland gewinnen?
Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte der WELT am Rande eines Vortrags am Münchener Ifo-Institut: „Europa hat den Handelskrieg schon verloren, es gibt nichts, was Deutschland oder Europa tun können, um ihn zu gewinnen.“ Er begründete diese Aussage damit, dass Europa mehr Güter in die USA exportiere als umgekehrt und deshalb einen Außenhandelsüberschuss habe. Damit habe die EU bei einer Auseinandersetzung mit Strafzöllen und Gegenmaßnahmen immer mehr zu verlieren.
Widerspruch kam vom Leiter des Ifo-Instituts Clemens Fuest, der die Einschätzung von Varoufakis, dass die USA den Handelskonflikt gegen Europa nur gewinnen könnte, nicht teilen wollte. „Es gibt keinen Leistungsbilanzüberschuss der Europäer gegenüber den US-Amerikanern“, sagte Fuest. Wer das behaupte, berücksichtige nur den Güterhandel, vergesse aber die Dienstleistungen und die Gewinne amerikanischer Tochterunternehmen in Europa. „Wenn Trump glaubt, dass er in der besseren Position ist, irrt er“, sagte Fuest.
Abschied von der Energiewende
Peter Altmaier (CDU) verfügt über das Talent, gelegentlich Unbotmäßiges über die Energiewende zu sagen, ohne sie grundsätzlich in Frage zu stellen. Schon als Umweltminister hat er die Ökoszene gegen sich mit seiner Forderung nach einer „Strompreis-Bremse“ und der Warnung vor „Billionen-Kosten“ aufgebracht. „Sie dürfen die Leute nicht mit Horrorzahlen auf die Bäume jagen“, musste er sich von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagen lassen.
Entsprechend groß war die Spannung, als Altmaier Mitte April 2018 vor der internationalen Energiewende-Konferenz in Berlin eine energiepolitische Grundsatzrede zu halten hatte, diesmal als Bundeswirtschaftsminister. Insgesamt waren mehr als 2000 Botschafter, Politiker, Manager und Klimaaktivisten aus 90 Ländern zum „Berlin Energy Transition Dialogue“ zusammengekommen.
Spalterische EU-Reformen
Die Debatte um die Reform der Europäischen Union (EU) geht in die entscheidende Runde. Ende Juni 2018 kommen die europäischen Staats- und Regierungschefs zusammen, um über die verschiedenen Vorschläge zu beraten. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der im Herbst 2017 in seiner Sorbonne-Rede zu dieser Debatte aufgefordert hat, ist ungeduldig. In direkter Ansprache zur Bundeskanzlerin sagte er Anfang Mai bei der Verleihung des Karlspreises in Aachen: „Ich warte auf eine deutsche Antwort. Lassen Sie uns endlich handeln“.
Nur wenig später kam die Antwort von 154 deutschen Wirtschaftsprofessoren in Form eines in der FAZ vom 22. Mai 2018 erschienenen öffentlichen Aufrufs: „Wir - 154 Wirtschaftsprofessoren – warnen davor, die europäische Währungs- und Bankenunion noch weiter zu einer Haftungsunion auszubauen. Die in der Berliner Koalitionsvereinbarung erwähnten Vorschläge des französischen Präsidenten Macron und des EU-Kommissionschefs Juncker bergen hohe Risiken für den europäischen Bürger.“
Der Aufruf wirft ein Schlaglicht darauf, wie problematisch und umstritten die aus Brüssel und Paris stammenden Reformvorschläge sind. Die 154 Ökonomen kritisieren in erster Linie, dass die Vorschläge allesamt das Haftungsprinzip innerhalb der Eurozone weiter schwächen, wodurch Anreize für wirtschaftliches Fehlverhalten (moral hazard) entstehen und die Interessengegensätze innerhalb der Eurozone noch stärker werden. Den Vorwurf aus Brüssel, die deutsche Seite sage zu jedem Reformvorschlag nur „nein“, kontern die 154 Ökonomen mit konkreten Gegenvorschlägen.
Die verdruckste Migrationsdebatte
Nach der Wiedervereinigung war Deutschland zweimal das Ziel großer Ströme von Flüchtlingen: In den neunziger Jahren kamen Jugoslawen nach Deutschland, weil sie dem Bürgerkrieg in Jugoslawien entfliehen wollten oder für sich eine bessere Zukunft erhofften. Sie kamen in so hoher Zahl, dass sogar geeignete öffentliche Gebäude zu Flüchtlingsheimen umfunktioniert wurden. Damals wurde der Asylartikel 16 des Grundgesetzes durch restriktive Bestimmungen (Art. 16a) geändert. Mit dem Ende des Bürgerkrieges kehrten viele nach Jugoslawien zurück.
Dann kam es 2014 infolge des Bürgerkrieges in Syrien wieder zu einer anschwellenden Migrationswelle, vorwiegend aus den islamischen Ländern Syrien, Afghanistan und Nordafrika. 2015/2016 erreichte diese Massenzuwanderung über die Balkanroute und das Mittelmeer ihren Höhepunkt. Bedenken dagegen waren in der Öffentlichkeit zunächst nicht zu hören. Auch im Bundestag wurde darüber nicht geredet. Die praktizierte „Willkommenskultur“ wurde von der Bundeskanzlerin ins Leben gerufen („Unser Asylrecht kennt keine Obergrenze“ oder „Wir können die Grenzen nicht schließen“ oder „Wir schaffen das!“).
Das sahen allerdings nicht alle in Deutschland so. In Dresden entstand die „Pegida“ („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) als Widerstandsbewegung. Außerdem nahm sich die „AfD“ („Alternative für Deutschland“), die ursprünglich als eine Professorenpartei gegen den Euro gegründet worden war, des Themas der Migration an. Als Gegnerin der regierungsamtlichen Einwanderungspolitik zog sie zunächst in verschiedene Landtage ein. Seit September 2017 sitzt sie als stärkste Oppositionspartei auch im Deutschen Bundestag.
Die Entfremdung von Politik und Wirtschaft
Es ist paradox: Einerseits steht die deutsche Wirtschaft voll im Saft. Das Land nähert sich der Vollbeschäftigung, auf dem Arbeitsmarkt sind kaum Fachkräfte zu finden. Die Maschinen laufen bis ans Limit.
Andererseits kritisiert die Wirtschaft die neue Bundesregierung massiv. Wirtschaftsverbände und Experten übertreffen sich insbesondere gegenseitig mit vernichtenden Bewertungen des Koalitionsvertrages. „Eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt Zukunftssicherung“, bemängelt BDI-Chef Dieter Kempf.
Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Zugespitzt: Sind Wirtschaft und Politik Partner oder Gegner? Dazu einige Überlegungen:
Koalitionsverhandlungen 2018
Als Martin Schulz (SPD) am 7. Februar 2018 vor die Presse in Berlin trat, sprach er davon, dass der Koalitionsvertrag „in einem großen Maß sozialdemokratische Handschrift“ trägt. Diese Aussage war zureffend, wie eine Auswertung des unabhängigen Karlsruher Unternehmens „Thingsthinking“ inzwischen ergeben hat. Rund 70 Prozent im Koalitionspapier gehen auf das Parteiprogramm der SPD zurück. Nur 30 Prozent können der Union zugerechnet werden.
Nicht nur, dass die Sozialdemokraten viele ihrer Forderungen im Koalitionsvertrag durchsetzen konnten. Sie sicherten sich zudem drei wichtige Schlüsselministerien: neben dem Ministerium für Arbeit und Soziales auch das Außenministerium und das Finanzministerium. Die CSU erhält das wichtige Innenministerium. Für die CDU bleiben nur vergleichsweise unbedeutende Ressorts übrig: das Wirtschaftsministerium, das bei kaum einem Gesetz federführend ist; das Verteidigungsministerium, das mit vielen Problemen zu kämpfen hat; daneben ein paar Ministerien, die der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder als „Gedöns“ bezeichnet hat.
Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ist deshalb in CDU-Kreisen auf Unverständnis und Proteste gestoßen
Aktuelle Sondierungsergebnisse
Bei den Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD einigten sich die Verhandlungspartner auf ein 28-seitiges Papier, das der Öffentlichkeit am 12. Januar 2018 vorgestellt wurde. Bevor formelle Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden können, müssen die Gremien der beteiligten Parteien das Papier genehmigen.
Die Ergebnisse der Sondierung lassen bereits erkennen, wie die zukünftige Politik der nächsten (nur noch kleinen) großen Koalition aussehen wird, wenn es zur Regierungsbildung kommt:
In der Europapolitik wird die Bundesregierung auf Treiben Frankreichs, der EU-Kommission und der SPD weitere Schritte in Richtung Transferunion gehen. In der Energiepolitik wird man zwar nach neuen Wegen suchen, aber schließlich wieder bei planwirtschaftlichen Maßnahmen landen. Denn solange Angela Merkel Kanzlerin ist, wird man an den unrealistiechen Klimazielen festhalten. In der Asylpolitik wird die Regierung versuchen, den Zuzug von Asylanten auf 200.000 Personen zu begrenzen.
In der Sozialpolitik werden beide Parteien versuchen, mit gezielten Wohltaten Wähler zurückzugewinnen. Die Finanzierung der zusätzlichen Leistungen erfolgt kurzfristig aus den Rücklagen und langfristig aus höheren Beiträgen und Steuern. Eine Unternehmenssteuerreform zur Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit wird es nicht geben. Von einer Aufhebung des Solidaritätszuschlag werden nur kleine und mittlere Einkommensbezieher profitieren.
Die Union - eine Partei mit Zukunft ?!
Die Bundestagswahl im September 2017 löste einen politischen Erdrutsch aus.
Die Union (CDU/CSU) verlor knapp neun Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl und kam nur auf rund 33 Prozent der Stimmen. Damit fuhr sie ihr zweitschlechtestes Ergebnis seit 1949 ein. Der SPD erging es nicht viel besser. Sie verlor rund 5 Prozentpunkte und erzielte nur noch 20,5 Prozent der Stimmen. Wenn Union und SPD demnächst eine neue Regierung bilden, werden sie also nur noch 53,5 aller abgegeben Stimmen repräsentieren. Dies wäre eine große Koalition der Verlierer.
AfD und FDP waren die Gewinner der Bundestagswahl 2017: Nachdem die AfD im Jahre 2013 knapp die Fünf-Prozent-Hürde verpasst hatte, wurde sie nun mit fast 13 Prozent der Zweitstimmen drittstärkste Kraft. Der FDP gelang es, mit fast 11 Prozent (+6,0 Punkte) als viertstärkste Partei in den Bundestag einzuziehen.
Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die Union? Welche Fehler sind gemacht worden? Und was muss die Union tun, um stärkste politische Kraft zu bleiben? Darum geht es in diesem Artikel!
Europäische Alternativen
Im März 2017 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Rom, um den 60. Jahrestag der Römischen Verträge zu feiern. Die britische Oremierministerin Theresa May wird schon nicht mehr dabei.. „Das wird nicht nur eine Geburtagsfeier sein“, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor diesem Ereignis. „Es muss auch eine Geburtsstunde der EU der 27 sein.“
Zur Vorbereitung des Treffens in Rom präsentierte Juncker dem Europäischen Parlament ein Weißbuch, in dem die verschiedenen Handlungsoptionen für Europas Zukunft dargestellt werden. Bis Jahresende sollen sich die EU-Staats- und Regierungschefs konkret dazu äußern. Die CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament unterstütze diese Initiative. „Wir brauchen Alternativen und müssen dabei die Realität zur Kenntnis nehmen“, sagte Herbert Reul, der Vorsitzende dieser Gruppe.
Zentrifugalkräfte in Europa
Wenn richtig wäre, dass Europa vor allem in Krisen näher zusammenrückt, dann hätte die Europäische Union (EU) gestärkt aus der Eurokrise und Flüchtlingskrise hervorgehen müssen. Genau das Gegenteil ist aber eingetreten: In diesen Krisen sind die Mitgliedsländer immer mehr auseinander gerückt und die Union hat sich gespalten.
Die Spaltung ist eine doppelte: Der Euro hat die EU in einen schwachen Süden und starken Norden geteilt. Das hinter der Flüchtlingskrise stehende Schengensystem trennt den Osten vom Westen. Die Spaltung ist nicht exogener Natur, sondern hat endogene Ursachen, das heißt, sie ist selbstgemacht. Sie kann deshalb auch nur mit eigenen Anstrengungen überwunden werden.
Wirkungen und Fehlanreize der EZB-Politik
Mit dem QE-Programm will die EZB deflatorischen Tendenzen entgegen wirken und die Wirtschaft beleben. Wie dies im Einzelnen geschehen kann, ist unter den Ökonomen umstritten. Die EZB setzt auf folgende Wirkungskanäle:
Mögliche Wirkungsweisen
Der erste Weg führt über die Ausweitung der Bankenkredite an Unternehmen, damit diese investieren. Die Kreditvergabe der Banken in Europa ist seit Jahren trotz extrem niedriger Zinsen rückläufig. Die EZB hofft, dies durch den Ankauf von Staatspapieren und die Ausweitung der Bankenliquidität ändern zu können. Die Banken zögern jedoch, sichere Staatsanleihen gegen unsichere Unternehmenskredite zu tauschen, weil sie immer noch mit den faulen Krediten aus der Vorkrisenzeit zu kämpfen haben. Lieber verkürzen sie ihre Bilanz, um den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu genügen, als neue Kredite zu geben. Solange dies nicht korrigiert ist, bleibt dieser Wirkungskanal verstopft.
Die Mobilitätswende
Die Autoindustrie bietet der Politik ein Betätigungsfeld wie keine andere Branche. Davon ist keine Partei ausgenommen. Vorreiter sind jedoch die Grünen, die derzeit die Richtung und das Tempo bestimmen. Die Grünen wollen die Abgas-Manipulationen zum Wahlkampfthema 2017 machen. Cem Özdemir: „Wer will, dass der Automobilstandort Deutschland erhalten wird, und das geht nach Lage der Dinge nur mit emissionsarmen und dann eben mit emissionsfreien Fahrzeugen“ – wer das wolle , der findet bei den Grünen „das beste Angebot“. (DIE WELT vom 1. Aug. 2017)
„Selbstverständlich werden wir auch morgen noch mit Autos unterwegs sein“, heißt es im Programm der Grünen. „Es werden insgesamt weniger Autos sein, und sie werden mit Strom aus Sonne und Wind oder Wasserstoff statt mit Diesel und Benzin angetrieben.“ Die Zukunftsvision der Grünen rankt sich um „leise Autos ohne Auspuff und mit Fahrspaß“, um die „Stromtankstelle gleich um die Ecke“ und darum, dass die Menschen noch lieber mit dem öffentlichen Nahverkehr, der Bahn und auf „sicheren Rad- und Fußwegen“ vorankommen sollen.
Steuerreform und Steuermoral
Die Geschichte des Steuerrechts ist von dem stetigen Bemühen geprägt, jedenfalls eine äußere Obergrenze der individuellen Steuerlasten zu definieren. Schon Friedrich der Große betonte, die Hirten sollten ihre Schafe scheren, ihnen aber nicht das Fell über die Ohren ziehen. Es sei nicht gerecht, dass der Einzelne „die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Souverän teilt“ (1768). Das Bundesverfassungsgericht hat diese These im „Halbteilungsgrundsatz“ aufgenommen, aber gegenüber der schwankenden Gesetzgebung bisher auch noch keine scharfe Linie für eine Obergrenze der Besteuerung durchsetzen können.
Moderne Verfassungsstaaten stellen die Besteuerung strikt unter den Vorbehalt des Gesetzes. Dies dient dem Schutz des Steuerbürgers. Dem Gesetzgeber gelingt es jedoch gegenwärtig nicht, die Kultur des Maßes im Steuerrecht zu gewährleisten. Es ist deshalb ein lobenswertes Unternehmen, wenn sich die Wissenschaft dieses Themas annimmt.
Die Migrationsfalle
Die Bundesregierung befindet sich bei der Bekämpfung der Flüchtlingskrise in einer selbst gestellten Falle: Die Bemühungen auf EU-Ebene, die eigentlichen Flüchtlingsursachen zu bekämpfen, werden ebenso scheitern, wie die Versuche, die Flüchtlingsströme mit völkerrechtlichen Verträgen aufzuhalten. Es gibt innerhalb der EU keine Verständigung darüber, wie legal einreisende Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Länder verteilt werden sollen.
Damit stellt sich auch für Deutschland die Frage nach einer nationalen Lösung: Allein im Dezember sind pro Tag 4.000 Flüchtlingen nach Bayern gekommen; dies sind aufs Jahr 2016 gerechnet etwa 1,5 Millionen Personen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat deshalb seine Forderung nach einer Begrenzung des Zuzugs auf 200.000 Personen konkretisiert. "Wenn wir nicht schnell handeln, müsste Deutschland in zwei Jahren zweieinhalb Millionen Flüchtlinge aufnehmen", sagte er im offenen Widerspruch zur Bundesregierung. Angela Merkel hält jedoch daran fest, dass "wir die Grenzen nicht schließen können. Wenn man einen Zaun baut, werden sich die Menschen andere Wege suchen. Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option."
"Merkels Jamaika-Desaster"
Deutschland steht nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen vor unübersichtlichen Verhältnissen. Drei Szenarien sind denkbar: Erstens: Die Bildung einer großen Koalition mit der SPD. Zweitens: Eine Minderheitsregierung unter Führung von Angela Merkel. Drittens: Neuwahlen.
Kanzlerin Angela Merkel stürzt damit in die schwerste Krise ihrer bisherigen Amtszeit. Ihr Lieblingsprojekt einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und Liberalen ist gescheitert. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Deutlicher kann man sich von der Politik der Bundeskanzlerin nicht distanzieren.
Macron oder Lindner ?
Es herrscht wieder Aufbruchstimmung in der Europäischen Union. Es war Mitte September 2017, als der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Abgeordneten im Europäischen Parlamentes sein Vision von Europa erklärte: Mehr Brüssel, mehr Euro und mehr Geld. Geht es nach Juncker, wird es zukünftig nur noch einen Präsidenten von Kommission und Europäischem Rat geben, der als „Spitzenkandidat“ von den Wählern direkt bestimmt wird. Der Euro soll kurzfristig in allen Mitgliedsländern der EU eingeführt werden.
Gleichzeitig unterstützte Juncker den Plan, den Euro-Krisenfonds ESM schrittweise in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) umzuwandeln, der selbständig entscheiden kann. Außerdem forderte Juncker einen Eurohaushalt mit deutlich mehr Geld und einen in der Kommission angesiedelten Finanzminister. Dieser solle „alle Finanzierungsstrukturen“ im Euroraum „koordinieren“. Das heißt: Er soll über viel Geld verfügen und es verteilen können. „Leinen los“ rief Juncker am Schluss seiner Rede den Abgeordneten zu.
Islamischer Fundamentalismus
Der Generalsekretär der größten Muslim-Vereinigung in Indonesien, Kyai Haji Yahya Cholil Staquf, hat der FAZ am 19. August 2017 ein Interview gegeben. Darin wurde er gefragt, was er davon halte, dass viele Politiker und Intellektuelle im Westen sagen, dass der islamistische Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Die Antwort des Generalsekretärs war von erstaunlicher Klarheit:
„Westliche Politiker sollten aufhören, zu behaupten, Extremismus und Terrorismus hätten nichts mit dem Islam zu tun. Es gibt einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Fundamentalismus, Terror und Grundannahmen der islamischen Orthodoxie. Solange wir darüber keinen Konsens erzielen, so lange werden wir keinen endgültigen Sieg über die fundamentalistische Gewalt im Islam erreichen.“
Und er fügte hinzu: „Radikalislamische Bewegungen sind doch nichts Neues. Auch in der indonesischen Geschichte gab es sie immer wieder. Ich bin selbst ein gläubiger Muslim. Der Westen muss aufhören, das Nachdenken über diese Fragen für islamophob (zwanghafte Islamangst) zu erklären. Oder will man mich, einen islamischen Gelehrten, auch islamophob nennen?“
Streit um Anleihekäufe der EZB
Anfang 2015 beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des sogenannten „Quantitative Easing“ (QE) ein unfangreiches Programm zum Ankauf von Euro-Staatsaleihen (PSPP). Das Programm sieht vor, dass die Zentralbank von europäischen Banken monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen im Volumen von insgesamt 1,8 Billionen Euro ankauft. Für den Ankauf gilt der Kapitalschlüssel der nationalen Notenbanken bei der EZB. Ein Fünftel der Käufe erwirbt die EZB auf Gemeinschaftsrechnung, der Rest wird auf getrennte Rechnung der nationalen Notenbanken erworben. Bis Mitte Mai 2017 wurden Staatsanleihen in einem Volumen von circa 1,5 Billionen Euro angekauft.
Die Entscheidung der EZB löste unter Ökonomen und Juristen eine heftige Diskussion über die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit eines solchen Programms aus. Mitte August 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht über mehrere Verfassungsbeschwerden im Sinne der Beschwerdeführer. Ein Jahr später fand der Anhörungstermin vor dem Europäischen Gerichtshof statt, in dem die Beteiligten ihren Standpunkt darlegen konnten.
Bemerkenswert waren dabei die Einlassungen der Bundesregierung, mit denen sie die Verteidigung der EZB und der EU-Kommission unterstütze.
Dieselskandal 2017
Es gibt zum aktuellen Dieselskandal eine Vielzahl von Antworten auf die Frage, wie es so weit kommen konnte. Zwei Kurzfassungen möchte ich zitieren, weil sie meines Erachtens das Wesentliche herausstellen:
Der Kabarettist Vince Ebert kommt zu folgendem Urteil: „Was ist typisch deutsch? Wenn studierte Theaterwissenschaftler utopische Grenzwerte beschließen, Ingenieure und Automanager aus Feigheit vor einer öffentlichen Konfrontation kuschen und dann hintenrum versuchen, das Ding mit unlauteren Mitteln hinzubiegen.“
FDP-Vorsitzender Christian Lindner ist zu folgendem Ergebnis gekommen: „Die deutsche Politik hat den Diesel zum Klimaschutz gefördert und vor Nebenwirkungen die Augen verschlossen. Mit einer einseitigen Orientierung an der Elektromobilität drohten nun aber neue Fehler.“
Zwei interessante Analysen, aber halten sie dem Faktencheck Stand?
Das Comeback der Flüchtlingskrise
Die Flüchtlingskrise endete für Deutschland "gefühlt" mit der Schließung der Balkanroute und dem Türkei-Deal im Frühjahr 2016 sowie mit dem nachfolgenden Rückgang der Flüchtlingszahlen. Man glaubte, das Problem im Griff zu haben. Tatsächlich veränderten sich aber nur die Fluchtrouten und die Zusammensetzung des Flüchtlingsstroms. Statt syrischer und irakischer Flüchtlinge über den Balkan kamen Afrikaner zu Tausenden über das Mittelmeer nach Europa. Denn die Außengrenze im Süden Europas nach Italien ist trotz aller Bemühungender EU weiterhin offen.
Schon im Jahr 2016 kamen rund 181.000 Migranten von Nordafrika nach Italien. Im ersten Halbjahr 2017 waren es 85.000 Personen, also 21 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In Italien, wo im Frühjahr 2018 Wahlen anstehen, ist die Lage explosiv. Die Bürgermeister rebellieren, so wie in Deutschland im Herbst 2015. „Das Problem ist, dass uns niemand in die Entscheidungen einbindet“, beschwerte sich ihr Wortführer bei italienischen Zeitungen. Niemand habe etwas gegen Migranten persönlich, aber es sei inzwischen eine „Invasion“.
Angela Merkel aus der Nähe
(In Anlehnung an Josef Schlarmann, Angela Merkel aus der Nähe, erschienen im Lau-Verlag 2017)
I
Bei der Bundestagswahl 2013 warb Angela Merkel für sich mit dem Satz: „Sie kennen mich!“ Sie gewann die Wahl – nicht zuletzt mit üppigen Wahlversprechen. Aber kannten die Wähler Angela Merkel wirklich? Wohl kaum! Denn die Bundeskanzlerin ist eine verschlossene Politikerin, die über ihr Privatleben nichts und über die eigentlichen Ziele ihrer Politik nur wenig preisgibt.
Die Öffentlichkeit hat jedoch ein festes Bild von der Bundeskanzlerin: Das Bild einer uneitlen und fleißigen Politikerin, die klug abwägt und auf die Verlass ist. Ihr Politikstil wird als „pragmatisch“ und „ergebnisorientiert“ beschrieben. Angeblich denkt Angela Merkel bei ihren Entscheidungen jeweils vom Ende her, was man ihr als Physikerin auch gern abnimmt. Deshalb sehen viele in ihr einen „Stabilitätsanker“ in unruhigen Zeiten. Dies erstaunt, weil die Bundesrepublik noch nie einen Regierungschef gehabt hat, der so flexibel und unberechenbar ist wie Angela Merkel.
Fakten zur Energiewende
Deutschland geht international in der Energiepolitik einen Sonderweg. Neben dem Ausstieg aus der Kernenergie wird der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind massiv gefördert und gesteuert, um die Klimabelastung durch Reduzierung der CO2-Emissionen zu senken.
Aktuell ist nicht zu erkennen, dass irgend ein anderes Land dem deutschen Sonderweg folgt. Der Grund ist die miserable Erfolgsbilanz der Merkel´schen Energiewende. Es wird zwar viel für die erneuerbaren Energienen getan, jedoch - paradoxerweise - wenig für den Klimaschutz. Darüberhinaus verfehlt die Energiewende wesentliche Ziele, die sich der Energiepolitik stellen:
- Der Strom muss bezahlbar und wettbewerbsfähig sein.
- Die Stromversorgung muss sicher sein.
- Die Stromerzeugung muss technikoffen und effizient sein.
Wie sehen die Fakten dazu aus?
Elbvertiefung
Anfang 2016 lief das fast 400 Meter lange chinesische Containerschiff „Indian Ocean“ in der Unterelbe auf Grund. Das Schiff war auf dem Weg zum Hamburger Hafen. Zwar war ein Defekt in der Ruderanlage die Ursache, dass das Schiff neben der Fahrrinne im Schlick zum Stehen kam und dort für einige Tage eine Sehenswürdigkeit bildete. Dennoch machte der Unfall noch einmal deutlich, wie schwierig die Bedingungen für den Hamburger Hafen geworden sind: Die riesigen Containerschiffe können gar nicht oder nur bei Flut durch die Elbe zum Hafen oder umgekehrt zurück in die Nordsee fahren.
Für die Hansestadt Hamburg ist die Vertiefung der Elbe gleichbedeutend mit der Zukunft des Hafens. Laut der Behörde für Wirtschaft und Arbeit waren 2005 in der Metropolregion Hamburg rund 154.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Hafen Hamburg abhängig. Nach Berechnungen des für die Vertiefung der Elbe zuständigen Planungsbüros sind ohne die Fahrrinnenvertiefung circa 35.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Kritiker aus den Umweltverbänden und den Grünen bezweifeln die Zahlen. Ein Zusammenhang zwischen Hafenwachstum und Arbeitsplätzen lässt sich aber nicht bestreiten.
Inzwischen wird seit 15 Jahren über die Elbvertiefung gestritten. Die Pläne wurden immer wieder geändert, um den Kritikern aus den Umweltverbänden entgegenzukommen. Hamburg musste sich mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein verständigen. Außerdem war die Stellungsnahme der Europäischen Kommission abzuwarten. Und als man meinte, man könne mit der Elbvertiefung beginnen, zogen die Gegner des Vorhabens vor das Bundesverwaltungsgericht.
Trumps Wirtschaftspolitik
Kein politisches Ereignis hat 2016 Politiker, Wirtschaftsexperten und Journalisten in der westlichen Welt so überrascht und schockiert, wie die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten der USA. Mit Erklärungen war man schnell zur Hand: Eine Mehrheit von Ungebildeten und zu kurz Gekommenen, von Fremdenfeinden und Rassisten hat über die Vernünftigen und Aufgeklärten gesiegt und damit – verführt von einem Populisten – gegen die eigenen Interessen gehandelt.
Inzwischen hat Donald Trump seine politischen Absichten konkretisiert und damit weitere Unruhe gestiftet. Seine Programmpunkte lauten: Obamacare revidieren; die Regulierung der Finanzmärkte lockern; den Umweltschutz zurückführen; die Freihandelstradition beenden; Importzölle einführen; die Unternehmenssteuern senken; in die Infrastruktur investieren; die illegale Einwanderung beenden; die Verlagerung von Betrieben stoppen.
Steuern - einfach, niedrig und gerecht ?
„Einfach, niedrig und gerecht“ lautete ehemals das steuerpolitische Credo von CDU und FDP.
„Einfach“ sollten Steuern sein, damit sie jeder versteht und ausrechnen kann. Der Bierdeckel von Friedrich Merz brachte das plastisch zum Ausdruck.
„Niedrige“ Steuern wurden gefordert, um den wirtschaftlichen Spielraum der Bürger zu vergrößern. Leistung sollte sich lohnen. So wollte man das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Und „gerecht“ sollten Steuern sein, weil sie ansonsten Widerstand auslösen. Als gerecht gelten Steuern, wenn sie gleichmäßig erhoben werden und sich an der Leistungsfähigkeit orientieren.
Was ist aus diesen Forderungen geworden?
Sie sind inzwischen weitgehend vergessen! Wolfgang Schäuble hat einmal gesagt: „Große Entwürfe, die man mit ´Bierdeckel´ bezeichnet, haben mit der Realität nichts zu tun.“
Ist das wirklich so? Gibt es zu einem „komplexen Steuerrecht, hohen Steuersätzen und einer ungleichmäßigen Belastung“, keine Alternative?
Es lohnt sich, dieser Frage am Beispiel der jüngst reformierten Erbschaftssteuer noch einmal nachzugehen.
Wirtschaftspolitische Baustellen
Was die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung leisten muss, steht im „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabWG)“ geschrieben. Danach haben die staatlichen Organe ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen so zu treffen, dass sie gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einen hohen Beschäftigungsstand und außerwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigen und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen („magisches Viereck“). Die Bundesregierung muss hierbei sowohl die kurzfristige konjunkturelle Lage als auch die mittelfristige Entwicklung der Produktivkräfte im Auge haben. Zusätzlich gelten für die Bundesregierung die europarechtlichen Grenzen für die Gestaltung der Haushaltspolitik.
Nimmt man die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die maßgeblichen Indikatoren (Inflationsrate, Beschäftigung, Außenhandel und Wachstum), befindet sich die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung in der Nähe des Zielkorridors. Dies gilt aber nur bei kurzfristiger Betrachtung. Berücksichtigt man dagegen auch die längerfristigen Wirkungen der derzeitigen Politik, kommt man schnell zu einem anderen Ergebnis. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung ist mit vielen Risiken und negativen Folgen verbunden, so dass die im magischen Viereck vorgegebenen Ziele deutlich verfehlt werden.
Wohin treibt Europa ?
Die Europäische Union steht derzeit vor ihrer bisher größten Bewährungsprobe. An der Spitze der Herausforderungen steht das Thema der Migration. Auf Fragen, wie die EU-Außengrenzen wirksam zu sichern sind oder wie Flüchtlinge einigermaßen fair auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden könnten, wurden bis heute keine angemessenen Antworten gefunden.
Ebenso planlos wirken die Versuche, die wirtschaftlich und fiskalisch angeschlagenen Mitgliedstaaten der EU zu stabilisieren. Bis heute sind über die Rettungsschirme und den Internationalen Währungsfonds IWF allein nach Griechenland rund 240 Milliarden Euro geflossen, ohne dass sich dort die Wirtschafts- und Haushaltslage verbessert hätte.
Gleichzeitig bewegt sich die Europäische Zentralbank mit ihrer Nullzinspolitik und dem Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen ordnungspolitisch und rechtlich auf sehr dünnem Eis. Während die positiven Effekte der monetären Expansion immer geringer werden, nehmen die negativen Nebenwirkungen deutlich zu.
Die EU ist ökonomisch geschwächt und institutionell gelähmt. Die Politik wirkt ratlos, erschöpft und zerstritten. Zeit zu kaufen scheint zur Maxime der Rettungspolitiker geworden zu sein. Von überzeugenden Lösungen ist kaum eine Spur zu erkennen. In allen Mitgliedstaaten befinden sich EU-skeptische Parteien im Aufwind.
Deshalb ist die Frage nach der Richtung, in die Europa treibt und in die es sich entwickeln sollte, selten so aktuell gewesen wie derzeit.
Gerechte Steuern - am Beispiel der Erbschaftssteuer
„Einfach, niedrig und gerecht“ lautete ehemals das steuerpolitische Credo von CDU und FDP. Die CDU formulierte es letztmalig auf ihrem Leibziger Parteitag im Jahr 2003. Die FDP machte es 2009 zum zentralen Thema des Bundestagswahlkampfes, gewann damit die Wahl und legte es dann ebenfalls ad acta.
„Einfach“ sollten Steuern sein, damit jeder sie versteht und ausrechnen kann. Der Bierdeckel von Friedrich Merz brachte dies plastisch zum Ausdruck. „Niedrige“ Steuern wurden gefordert, um den wirtschaftlichen Spielraum der Bürger zu vergrößern. Man war damals noch der Überzeugung, dass Private mit dem Geld besser umgehen können als der Staat. Und „gerecht“ mussten Steuern sein, weil sie ansonsten auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Darunter verstand man vor allem eine gleichmäßige und an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung der Bürger.
In der gegenwärtigen steuerpolitischen Diskussion tauchen solche Vorschläge und Gedanken nicht mehr auf. Für die Steuerprofis in der Verwaltung sind Vorschläge für ein „einfaches“ Steuerrecht unrealistisch, weil die zu besteuernde Wirklichkeit „komplex“ ist. Auch die Forderung nach „niedrigen“ Steuern ist in allen Parteiprogrammen gestrichen worden. Stattdessen fordern die linken Parteien „höhere“ Steuern, insbesondere für Vermögen und Reiche. Selbst das Postulat nach „gleichmäßiger“ Besteuerung tritt zunehmend in den Hintergrund und wird durch das Merkmal der „sozialen“ Besteuerung ersetzt. Immer deutlicher wird das Ziel formuliert, den volkswirtschaftlichen Reichtum mit Hilfe der Steuerpolitik „umzuverteilen“.
Die jüngst beschlossene Reform der Erbschaftssteuer ist ein Beispiel für diesen steuerpolitischen Paradigmenwechsel.