Staatliche Schuldenfonds - ein Problem?
1.
Missachtung der Rechtslage
Mit Urteil vom 15. November 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2021 der Ampel-Koalition für nichtig. Damit sollten Kreditermächtigungen, die während der Corona-Pandemie vom Bundestag genehmigt, aber nicht benötigt wurden, rückwirkend auf den „Energie- und Klimafonds“ (EKF) umgelenkt werden. Das Gericht begründete seine Entscheidung folgendermaßen:
Erstens konnte die Bundesregierung den für die Aussetzung der Schuldenbremse (Art. 115 Abs.2 GG) erforderlichen „Zusammenhang“ zwischen einer Notsituation und der zusätzlichen Kreditaufnahme nicht nachweisen.
Zweitens verstieß der Nachtragshaushalt 2021 gegen geltende Haushaltsprinzipien wie die Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit, wonach Kreditermächtigungen nicht in Nebenhaushalten gebunkert werden können, sondern grundsätzlich zum Jahresende verfallen.
Und drittens beanstandete das Gericht die mit dem Nachtragshaushalt 2021 erfolgte Änderung der Buchungsregel, wonach es für die buchhalterische Belastung mit dem Kredit nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Kredits, sondern auf die Erteilung der Ermächtigung ankommen soll, so dass die Merkel-Regierung damit belastet war.
Das finanzpolitische Debakel der Ampelkoalition
1.
Das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 war für die Ampelkoalition in Berlin ein Paukenschlag. Auf en Antrag von Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag erklärte es das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 wegen Verstoßes gegen die grundgesetzliche Schuldenbremse für nichtig und zeigte der Bundesregierung damit klare Grenzen in der Haushaltspolitik auf.
Ein solche Entscheidung hatte man von den Richtern in Karlsruhe nicht erwartet. Das Urteil trifft die Ampelregierung ins Mark und macht deutlich, dass SPD, Grüne und FDP eine Regierungskoalition ohne tragfähiges Fundament für ihre ambitionierten Ziele eingegangen sind. Um genügend Geld für ihre Programme zu bekommen, verstießen sie gegen zentrale Haushaltsgrundsätze und die Schuldenbremse.
Rudi Behr zur Agrar- und Ernährungswende
geht es Ihnen auch so? Zunehmend verliert man die Lust auf Berichte in den Medien, was aktuell wichtig sein soll und welche Schritte daraufhin politisch eingeleitet werden. „Auf den Weg gebracht“ ist eine Formulierung. Frage: Auf welchen Weg und wo endet der? Was ist das Ziel und was kommt dabei raus?Der Bundeslandwirtschaftsminister beschäftigt sich mit Vorschriften, was der Mensch essen darf. Das soll staatlich geregelt werden. Was gesund ist, sagt der Staat und das muss gegessen werden. Erst mit finanziellen Anreizen und mit leichtem Druck, der moralisch medial verstärkt wird. Wenn das nichts nützt, braucht man andere Mittel. Die Agrar- und Ernährungswende sei mit der freien Entscheidung des Bürgers, was er isst, nicht zu erreichen, so eine Verlautbarung aus dem Ministerium. Da hört man die nächste Eskalationsstufe schon raus. Die Grundsätze, die formuliert werden, haben in sich Zielkonflikte, die den fachlich kompetenten Betrachter schwindelig machen.
Kernfragen der Klimapolitik
Gespräch von Dr. Josef Schlarmann mit Dr. Philipp Lengsfeld, Gründer, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor der re:look climate gGmbH, eines kleinen freien wissenschaftlichen start-up, welches sich mit Fragen der Klima- und Umweltwissenschaft beschäftigt
Teil 2 Über die Kernfragen in der Klimaproblematik
Frage:
Lieber Herr Lengsfeld, im Teil 1 unserer Diskussion haben wir uns mit dem sogenannten Klima-Konsens auseinandergesetzt – Sie haben darauf hingewiesen, dass die re:look climate nicht nur den 97.1% claim entzaubert hat, sondern letztlich festgestellt hat, dass die Datenlage zu GHG-AGW* erstaunlich dünn zu sein scheint. Haben Sie hier inhaltlich noch weitere Erkenntnisse?
Antwort:
Ich würde sagen ja: Mein Team und ich haben versucht uns mit den Säulen der momentanen GHG-AGW-Hypothese auseinanderzusetzen.
Lassen Sie mich dies aus meiner Sicht präzisieren: Im Kern beruht die GHG-AGW-Hypothese auf Klima-Modellierungen, mit zwei Kernannahmen: CO2/AGW-Forcing-Parameter und der Frage der CO2-Verweilzeit in der Atmosphäre. Die Kombination beider Parameter bedingt dann die Bedeutung von zusätzlichem menschgemachten CO2 durch fossile Verbrennung für die Klimarechnungen.
Nehmen wir den zweiten Punkt, die CO2-Verweilzeit, zuerst: Sie haben ja sicherlich bestimmt auch schon mal davon gehört, dass Teile des CO2 sehr lange in der Atmosphäre verweilen. Manchmal wird sogar das Bild eines „CO2-Endlagers“ in der Atmosphäre bemüht. Dieser Punkt spielt auch eine sehr große Rolle bei der Frage historischer vs. aktueller gesellschaftlicher Verantwortung – der wirklich kleine Beitrag von Deutschland an den aktuellen CO2-Emissionen im Vergleich zu China, Indien oder den USA wird gerne mit dem Verweis auf die kumulative historische Verantwortung gekontert. Die entsteht aber durch die angenommene lange Verweildauer.
Auch bei der sogenannten Attributionsforschung spielt die CO2-Kumulation eine enorme Rolle – es gibt ja an mehreren Orten der Welt den Versuch Firmen oder gar Länder für lokale Wetterkatastrophenereignisse und ihre jeweiligen Schadwirkungen in Mithaftung zu nehmen mit der Begründung, durch massive historische Emissionen hätte die jeweilige Firma bzw. das jeweilige Land eine Mitschuld oder Mitverantwortung für die in Rede stehende Katastrophe.
Wissenschaft und Klimakonsens
Gespräch von Dr. Josef Schlarmann mit Dr. Philipp Lengsfeld, Gründer, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor der re:look climate gGmbH, eines kleinen freien wissenschaftlichen start-up:
Teil 1 Über unabhängige Wissenschaft und den sogenannten Klimakonsens
Frage:
Lieber Herr Lengsfeld, wir haben uns erst letztens persönlich kennengelernt, obwohl Sie in der 18. Wahlperiode (2013-2017) CDU-MdB für Berlin-Mitte waren.
Sie haben 2019 ein wissenschaftliches start-up gegründet, die re:look climate gGmbH – erzählen Sie zunächst ein wenig die Hintergründe. Warum haben Sie dieses Institut gegründet? Wie kam es dazu?
Antwort:
Ich bin promovierter Experimentalphysiker und habe in meiner Doktorandenzeit in einer außeruniversitären Großforschungseinrichtung im Bereich Materialforschung für Solarzellen gearbeitet – meine Doktorandenzeit fiel zusammen mit dem rasanten Aufstieg der deutschen Solarindustrie. Im Umfeld dieser Forschung hatte ich schon als Doktorand sehr viel mit politischer Forschungsförderung und den Mechanismen des Wissenschaftsbetriebs insgesamt zu tun – eine Dimension, die mich neben reiner Politik und Geschichte immer fasziniert hat. Das war inhaltlich eine sehr intensive Zeit – mehrere meiner Co-Doktoranden sind in die Solarindustrie eingestiegen und haben die dann folgenden Achterbahnfahrten mitgemacht. Ich selber habe aber die Forschung nach der Promotion verlassen und bin zwar in die Industrie, aber in einen anderen Bereich und zwar in den Bereich Pharma, wobei ich noch heute in einem bekannten global agierenden Pharmaunternehmen mit Hauptsitz Berlin arbeite.
In der 18. Wahlperiode war ich dann Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU Berlin. Mein Hauptausschuss war genau der, den ich mir gewünscht hatte: Bildung und Forschung. Ich wurde Berichterstatter u.a. für Energieforschung und war damit z.B. mit den politisch hochumkämpften Themen Kernkraft und Kernfusion beschäftigt, aber hatte vor allem auch die Berichterstattung für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, das TAB.
Grüne Denkfabriken und Netzwerke
Ein bis heute wirkendes Grunderlebnis der Grünen ist die westdeutsche Anti-Atombewegung. Zu den erklärten Gegnern der Grünen gehörten anfangs nicht nur die Betreiber von Kernkraftwerken, sondern auch die öffentliche Hand, mit deren Hilfe Atomkraftwerke errichtet wurden.
Die gesellschaftliche Mobilisierung erfolgte anfangs durch persönliche Netzwerke und privat finanzierte Öko-Institute, wie das im Jahr 1977 gegründete Öko-Institut in Freiburg im Breisgau. Das änderte sich im Jahre 1985, als Joschka Fischer in Hessen der erste grüne Umweltminister wurde und das Öko-Institut reichlich mit Staatsaufträgen versorgte.
Schon unter Joschka Fischer entstand auch das Netzwerk zwischen der Ministerialverwaltung und der grünen Bewegung. So berief Fischer den Umweltaktivisten Rainer Baake, der später auf Bundesebene eine entscheidende Rolle spielen sollte, zu seinem Staatssekretär.
Renaissance der Industriepolitik?
In Deutschland geht die Angst um, dass das Land nicht nur in eine Rezession rutscht, sondern seine wirtschaftliche Zukunft überhaupt verspielt. Die Rufe nach einem Investitionsprogramm ähnlich dem „US Inflation Reduction Act (IRA)“ in den USA werden immer lauter. Dieses Gesetz stellt in den nächsten zehn Jahren 369 Milliarden Dollar an Subventionen für klimafreundliche Produkte und Technologien wie Elektroautos, Wärmepumpen, Solarzellen und Windräder bis hin zu Kernkraftwerken bereit.
Die Förderung ist teilweise daran gebunden, dass die Güter in den USA oder in Ländern wie Kanada oder Mexiko produziert werden, mit denen die USA Freihandelsabkommen geschlossen haben. Europa gehört nicht dazu. Das benachteiligt Importe aus Europa und schafft Anreize für europäische Unternehmen, Produktionsstandorte nach Amerika zu verlagern. Verhandlungen zwischen den USA und der EU darüber, die Förderung auch für europäische Produkte zu öffnen, sind bisher ohne Ergebnis geblieben.
Mittlerweile haben zahlreiche Unternehmen in Deutschland bekannt gegeben, dass sie zukünftig in den USA auf Grund der dortigen Fördermöglichkeiten und Standortvorteile verstärkt investieren werden. Ein Beispiel ist die RWE, Deutschlands größter Kraftwerksbetreiber: das Unternehmen will bis 2030 aus der Kohle aussteigen und zum globalen Ökostromerzeuger werden. Zu diesem Zweck hat RWE den Solarstromentwickler „Con Edison Clean Energy Businesses“ in den USA für sieben Milliarden Euro erworben und wird dort zu einem der führenden Unternehmen für Erneuerbare Energien.
Vorstandschef Markus Krebber verbindet dieses Investment mit einem Loblied auf die USA, die „einer der attraktivsten und am schnellsten wachsenden Märkte für erneuerbare Energien“ seien. RWE werde dort seine Investitionen definitiv weiter erhöhen, so Krebber. Denn man erwarte eine Reindustrialisierung der USA mit steigendem Energiebedarf.
Die deutsche Bundesregierung und die Europäische Kommission stehen deshalb unter erheblichem Druck, auf die amerikanischen Initiative mit einem vergleichbaren Wachstumsprogramm zu reagieren. Dabei geht es nicht nur um eine Antwort auf das klimapolitische IRA-Programm, sondern vor allem um die Beseitigung der allgemeinen Standortnachteile Deutschlands gegenüber den USA.
Der „US Inflation Reduction Act (IRA)“
Im August 2022 unterzeichnete US-Präsident Biden den “US Inflation Reduction Act (IRA)”. Mit diesem Gesetz reagierte die amerikanische Regierung auf die aktuellen Probleme der USA: 1. Die Deindustrialisierung und Verarmung ganzer Landstriche; 2. Das infolge der Globalisierung gewachsene Risiko bei der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern; 3. Die technologische, wirtschaftliche und militärische Bedrohung durch China. Also müssen junge Industrien gefördert und geschützt werden – mit einer Kombination aus Subventionen und Protektionismus.
Insgesamt sieht das Gesetz Gesamtausgaben von 725 Milliarden US-Dollar vor. Die Mittel sollen über einen Zeitraum von 10 Jahren unter anderem als Steuergutschriften an Käufer von Elektrofahrzeugen, umweltfreundlichen Technologiegütern sowie von Ökostrom fließen. Außerdem sieht das Gesetz staatliche Zuschüsse für klimafreundliche Projekte vor. Insgesamt planen die USA Investitionen in Höhe von 374 Milliarden US Dollar in den Klimaschutz und die Stärkung der Zukunftsbranchen.
Beeindruckend ist auch die Gegenfinanzierung dieses Investitionsprogramms: Die US-Regierung plant keine Kreditaunahme, sondern eine Mindeststeuer von 15 Prozent für die großen Tech-Konzerne, die ihre Gewinne unversteuert im Ausland bunkern. Damit löst die Biden-Regierung gleichzeitig ein Steuerproblem, was bei der europischen Diskussion über das IRA-Programm gern unterschlagen wird.
Kampf der EZB gegen die Inflation
Im Kampf gegen die Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins am 16. März 2023 erneut um 0,5 Punkte angehoben – auf nunmehr 3,5 Prozent. Das beschloss der Rat der Notenbank in Frankfurt. Seit der Zinswende im Juli 2022 ist dies die sechste Zinsanhebung in Folge.
Die EZB stand bei ihren Beratungen vor der schwierigen Aufgabe, die Stabilität des Finanzsystems zu sichern und gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die anhaltend hohe Inflation zu bewahren. „Wir sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Gerald Braunberger attestierte der EZB in der FAZ vom 16.03.2023, im Kampf gegen die Inflation endlich die notwendigen Konsequenzen gezogen zu haben. Die EZB habe damit die „nicht wenigen Neunmalklugen“ widerlegt, die der Ansicht waren, „die EZB könne ihre Leitzinsen nicht ein einziges Mal erhöhen, weil dann die Eurozone wie ein Kartenhaus einstürzen werde“. Die neuerliche Zinserhöhung belege jedoch, dass die EZB ihre Linie gefunden habe. „Diese Linie ist richtig“, so Braunberger.
Wie weit diese Erwartung trägt, bleibt abzuwarten. Jürgen Stark, ehemaliger Chefvolkswirt der EZB, hat dazu in der FAZ vom 17. März 2023 grundsätzliche Überlegungen angestellt, auf die sich dieser Beitrag stützt.
Ideologie und Dirigismus bei den Grünen
Die zurückliegenden Wahlen haben gezeigt, dass das Thema Klimawandel die Wähler, insbesondere junge weibliche Wähler, mobilisieren kann und den Grünen beachtliche Erfolge beschert. Die Grünen haben inzwischen in vielen politischen Fragen - der Klima- und Energiepolitik, der Wirtschafts- und Verkehrspolitik und in der Gesellschafts- und Kulturpolitik - die politische Deutungshoheit erlangt und geben die politische Richtung in Deutschland vor. Der Partei gelingt es seit Jahren, die anderen politischen Parteien und die jeweilige Bundesregierung mit ihren klimapolitischen Forderungen vor sich herzutreiben und zu verhindern, dass marktwirtschaftliche Lösungen umgesetzt werden. Mittlerweise haben sie es sogar erreicht, dass sich bedeutende Politiker aus dem bürgerlichen Lager als engagierte Klimapolitiker in Szene setzen und dirigistische staatliche Eingriffe befürworten.
Die Grünen verstehen sich als postindustrielle Partei und als die Verkörperung des modernen Zeitgeistes. Tatsächlich gehören sie inzwischen – auch dank der medialen Öffentlichkeit – mit ihrem kosmopolitisch-städtischen Lebensstil, mit ihren Vorstellungen von einer multikulturellen Gesellschaft und ihrem Öko-Label zur tonangebenden Bevölkerungsgruppe in der Gesellschaft.
Doch was wollen die Grünen wirklich? Den zentralen Markenkern der Grünen bildet eine wohlklingende ökologische Ideologie, verbunden mit einem hohen moralischen Anspruch, einem unerschütterlichen Machbarkeitsglauben und der Neigung zum allumfassenden Staatsdirigismus. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass das Denken und Handeln der Grünen in vielen Teilen mit demokratisch/rechtsstaatlichen Prinzipien und einer marktwirtschaftlichen Ordnung in Widerspruch steht.
Undemokratische Klimapolitik
Auf der Pariser Weltklimakonferenz im Dezember 2015 einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, die Erderwärmung "möglichst" nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen. Um dieses 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, sollte spätestens bis zum Jahr 2050 „Klimaneutralität“ hergestellt werden. Das bedeutete, dass ab Mitte des Jahrhunderts nicht mehr Treibhausgasemissionen ausgestoßen werden sollen, als zum Beispiel durch Aufforstung, unterirdische Kohlenspeicher etc. aufgefangen werden können.
Artikel 4 des Übereinkommens der Klimakonferenz lautet: „Zum Erreichen des [...] langfristigen Temperaturziels sind die Vertragsparteien bestrebt, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, [...] und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken [...] herzustellen.“
Der abgeschlossene Klima-Vertrag war rechtlich nicht bindend, sondern legte die Umsetzung des vereinbarten Ziels in die Hände der Vertragsstaaten. Sie sollten sich konkrete Ziele zur Minderung des CO2-Ausstoßes setzen, die alle fünf Jahre überprüft und verschärft werden sollten. Sanktionsmöglichkeiten gab es nicht. Doch die Europäische Union (EU) und einige EU-Länder wie Deutschland, verpflichteten sich durch Gesetz, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Bei der Wahl der Mittel zur Erreichung des 1,5 Grad-Zieles waren die Regierungen relativ frei. Das verpflichtende Ziel der Klimaneutralität sollte jedoch der Antrieb für die Vertragsstaaten sein, klimapolitische Aktivitäten zu ergreifen. So wurde in der EU ein Emissionshandelssystem geschaffen, um die Emissionen zu reduzieren. Zusätzlich setzte die EU im Verordnungswege insbesondere für den europäischen Verkehrssektor zahlreiche Grenzwerte für den Ausstoß klimaschädlicher Gase fest. Außerdem wurde ein CO2-Grenzausgleich eingeführt. Dieser erhebt eine CO2-Abgabe auf Importe bestimmter Waren aus Ländern mit geringeren Klimaaktivitäten.
CDU und Russlandpolitik
Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine verneint und ist dafür u.a. von dem früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) kritisiert worden. Aus Schäubles Sicht haben alle Politiker den Fehler gemacht, die Bedrohung durch Wladimir Putin zu unterschätzen. "Wir wollten es nicht sehen. Das gilt für jeden." Er sei in diesem Punkt auch wütend auf sich selbst. Anzeichen für die Gefahr habe es nämlich gegeben.
So sieht es auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: "Es war ein parteiübergreifender Fehler der deutschen Politik, die Entwicklung in Russland zu naiv zu beurteilen und die warnenden Stimmen aus Ost- und Mitteleuropa zu überhören. Wir hätten sehen können, was Putin vorhat, wir haben es aber alle nicht sehen wollen. Die günstigen Energiepreise haben uns für die Gefahren blind gemacht."
Für Wolfgang Schäuble ist es deshalb "bemerkenswert", dass Angela Merkel "auch jetzt in Bezug auf Russland nicht sagen kann, dass wir Fehler gemacht haben". Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sollte deshalb mit einer "selbstkritischen Reflektion" nicht länger warten - auch als Grundlage für eine neue Ost- und Russlandpolitik.
Der langjährige politische Berater der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Falenski, hat dazu in der FAZ vom 20. Februar 2023 eine wichtige Vorarbeit geleistet, auf der die nachfolgenden Ausführungen beruhen.
Grüne Profiteure
Als Wirtschaftsminister Robert Habeck sich kurz nach seinem Amtsantritt mit dem Argument, "Wir haben eine Gas- und keine Stromkrise" gegen den Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke aussprach, wusste er vermutlich noch nicht, dass der Gaspreis auch den Strompreis bestimmt. Inzwischen müsste er aber gelernt haben, dass der Preis für Strom auf dem Strommarkt nach dem "Merit-Order"-Verfahren festgelegt wird.
Die Höhe des Strompreises hängt danach von den Betriebskosten des teuersten Kraftwerks ab, das aktuell Strom liefert. Weil wegen des Ukraine-Kriegs der Gaspreis in die Höhe geschnellt ist, bestimmen die teuren Gaskraftwerke derzeit den Preis. Alle anderen Anbieter, die billigen Strom produzieren, verdienen dadurch sehr viel Geld. Das gilt besonders für erneuerbare Energien, weil Sonne und Wind nichts kosten.
Was das für den industriellen Mittelstand in Deutschland bedeutet, zeigt das Beispiel der Schonlau-Werke, einer familiengeführten Eisengießerei bei Paderborn. Der Betrieb mit 170 Mitarbeitern braucht jede Menge Energie für das Schmelzen des Eisens. Wenn das Unternehmen jetzt Strom für das nächste Jahr einkauft, kostet das dreizehnmal so viel wie bisher. Die Stromkosten drohen ein Mehrfaches des in normalen Zeiten erwirtschafteten Jahresgewinns des Unternehmens zu erreichen. Der geschäftsführende Gesellschafter Dürkes kalkuliert, dass er deshalb die Preise seiner Produkte um die Hälfte erhöhen muss. Sollten seine Kunden, darunter viele mittelständische Maschinenbauer, die selbst kämpfen müssen, das nicht akzeptieren, „wären wir innerhalb der ersten Quartals 2023 insolvent“, sagt der Gießerei-Besitzer (FAS 11.09.2022).
Jackson Hole 2022
Zum traditionellen Treffen in Jackson Hole kommen Notenbanker, Banker und Forscher aus aller Welt zusammen, um über Geldpolitik zu sprechen. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, reiste in diesem Jahr (2022) nicht an, sondern ließ sich von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel vertreten.
Dabei brennt auch in Frankfurt die Hütte. 8,9 Prozent betrug die Inflation im Euroraum zuletzt, in einzelnen Euroländern mehr als 20 Prozent. Im Juli hatte die EZB erstmals die Zinsen um 0,5 Prozent angehoben; ohne dass irgendjemand glaubt, dass das jetzt reicht.
Lagarde will den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik möglichst behutsam vollziehen. Von einer Normalisierung der Zinspolitik ist die Geldpolitik aber noch weit entfernt. Wegen der hohen Inflation bleibt die Realverzinsung im tiefroten Bereich.
Noch im November 2011, als die Inflation schon über 5 Prozent gesprungen war, sagte Isabel Schnabel: „Wir wissen, dass die Preise im nächsten Jahr allmählich zurückgehen werden.“ Also musste die EZB nicht tätig werden, als andere Notenbanken die Leitzinsen bereits angehoben hatten.Der Gasnotstand kann vermieden werden!
Putin hat die Lieferung von russischem Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland und Europa um 60 Prozent gedrosselt. Mitte Juli will der russische Staatskonzern Gazprom diese Pipeline außerdem einer zehntägigen Wartung unterziehen. Was dann passiert, ist ungewiss und hat bei der Bundesregierung sowie in der Industrie zu großer Nervosität geführt. Auf dem Petersburger Wirtschaftsgipfel hat Putin jüngst in scharfen Worten deutlich gemacht, dass zukünftig nach russischen Regeln gespielt wird. Deswegen hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Alarmstufe ausgerufen.
Für Habeck ist sein Vertrauter Klaus Müller (beide Grüne) der Mann, der die Gas-Krise an entscheidender Stelle managen soll. Müller ist Präsident der Bundesnetzagentur, die für die zentralen Netze wie Gas, Strom, Telekommunikation, Post und Eisenbahn verantwortlich ist. Früher war Müller oberster Verbraucherschützer in Deutschland. Dem „Hamburger Abendblatt“ hat er jüngst in einem Interview dargestellt, wie er die Lage beurteilt und die Krise lösen will.
Laut Müller sind die Gasspeicher aktuell erst zu 60 Prozent gefüllt. Die Bundesregierung hat deshalb die Marktgebietsverantwortlichen mit 15 Milliarden Euro ausgestattet, damit auf dem Markt Gas eingekauft und eingespeichert werden kann – zu extrem hohen Preisen. Darüber hinaus sind vier schwimmende Flüssiggasterminals gechartert worden, wovon zwei im Winter in Betrieb gehen sollen. Müller wollte in dem Interview aber nicht ausschließen, dass Industriebetriebe oder Privathaushalte im nächsten Winter ohne Gas dastehen.
Die Herausforderung des liberalen Westens
Kalter Krieg
Wie der Westen dem russischen Expansionsdrang nach dem 2. Weltkrieg widerstehen konnte, hat der US-Diplomat und Historiker George F. Kennan, der als Vater der Politik des Containments (Eindämmung) gilt, in seinen Erinnerungen eindrucksvoll beschrieben. Über die russische Politik schreibt er ganz generell: „Der Logik der Vernunft unzugänglich, ist die russische Führung der Logik der Macht in hohem Maße zugänglich.“
Kennans zentrale Aussage über Russland besteht darin, dass sein Imperialismus mit den Verhältnissen außerhalb Russlands wenig zu tun hat, sondern sich „im Großen und Ganzen aus elementaren innerrussischen Notwendigkeiten“ ergibt. Die russischen Herrscher hätten im Grunde alle gewusst, dass ihre Herrschaft veraltet war, so dass sie den Vergleich mit den westlichen Ländern nicht aushalten konnten. „Aus diesem Grunde haben sie immer vor fremder Durchdringung Furcht gehabt.“ In dieser Angst sieht Kennan die Ursache für den russischen Argwohn gegenüber dem Westen und den Hang des Kremls, auf militärische Stärke zu bauen. So erklärt er auch, warum die Außenwelt für die russische Führung „böse, feindselig und drohend ist“.
Die Ukraine und Merkel
Angela Merkel hat den russischen Angriff auf die Ukraine am 25 Februar 2022 in einer schriftlichen Erklärung scharf verurteilt. Eine Mitverantwortung für den Krieg hat sie verneint und gleichzeitig erklärt, keine weiteren öffentlichen Erklärungen zu ihrer Russlandpolitik abgeben zu wollen.
Die neue CDU-Spitze hat sich in der Debatte über eine Mitverantwortung von Angela Merkel für den russischen Angriff hinter ihre frühere Chefin gestellt. „Es wäre vermessen, zu behaupten, dass Angela Merkel eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine trifft. Es ist Putins Krieg gegen die Ukraine und der seiner Verbrecherclique im Kreml“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja gegenüber der DPA.
Demgegenüber hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier inzwischen Fehler im politischen Umgang mit Russland eingeräumt. "Wir sind gescheitert", sagte er in einem Gespräch mit Journalisten im Schloss Bellevue. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben. Auch sein Festhalten an Nord Stream 2 sei "eindeutig" ein Fehler gewesen.
Andere führende CDU-Mitglieder sind mit Merkels Schweigen nicht einverstanden. Johann Wadephul, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte in der Osnabrücker Zeitung, „dass Angela Merkel bald einmal Zeit und Anlass findet, sich vertieft zu ihrer Russlandpolitik zu äußern“. Er habe ihre Politik lange für richtig gehalten. „Meine Überzeugung war es, dass die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Russland und Deutschland auch für Russland handlungsbestimmend sein würde. Ich habe mich geirrt.“
Wahlanalyse der Bundestagswahl 2021
Bei der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag erlitt die CDU/CSU Rekordverluste und ist mit nur noch 24,1 Prozent (minus 8,9 Prozentpunkte) auf ein Allzeittief gefallen. Die SPD legte zu und wurde – als schwächster Wahlsieger bei Bundestagswahlen – mit 25,7 Prozent (plus 5,2) stärkste Partei. Die Grünen erzielten mit 14,8 Prozent (plus 5,8) ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, die FDP verbesserte sich geringfügig auf 11,5 Prozent (plus 0,7), die AfD kam nach Verlusten auf 10,3 Prozent (minus 2,3). Die Linke rutschte mit 4,9 Prozent (minus 4,3) unter die Fünf-Prozent-Marke, wird aber nach dem Gewinn von drei Direktmandaten im nächsten Bundestag vertreten sein.
Die CDU-Spitze hat den Mitgliedern der CDU eine schonungslose Analyse der Bundestagswahl 2021 versprochen, aber bisher nicht geliefert. Stattdessen ist sie vollauf damit beschäftigt, unter Einbeziehung der Parteimitglieder die zukünftige Führung der Partei zu organisieren. Doch wie sollen die Mitglieder über Personen entscheiden, wenn sie die Gründe für das Wahldebakel nicht wirklich kennen.
Merkels politischer Weg
1954 – 1989
Aufgewachsen in einem evangelischen Pfarrhaus in der DDR; Mitglied der FDJ.
Mitarbeiterin an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften; während ihrer Zeit am ZIPC zeitweise als Kreisleitungsmitglied und 'Sekretärin für Agitation und Propaganda' bei der FDJ tätig - sie selbst spricht in diesem Zusammenhang von 'Kulturarbeit'.
Ende 1989
Fall der Mauer: Merkel engagiert sich beim Demokratischen Aufbruch (DA), einer ursprünglich links orientierten politischen Organisation. Aus dieser Zeit ist die Aussage verbürgt, dass sie mit der CDU nichts zu tun haben will.
April 1990
Unter dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière Vize-Regierungssprecherin
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"Angela Merkel denkt vom Ende her"?
Mit diesem Satz, der von Journalisten erfunden wurde, soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Physikerin Angela Merkels als Bundeskanzlerin eine rationale und stringente Politik gemacht hat. Belegt wurde diese Aussage nie. Schaut man näher hin, stellte man sogar fest, dass ihre Politik im Gegenteil über weite Strecken widersprüchlich und unkoordiniert verlaufen ist. Das lässt sich an vielen Beispielen zeigen:
Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021
Mit seinem Klimabeschluss vom 24. März 2021 fordert das Bundesverfassungsgericht von der Politik erheblich mehr Anstrengungen, um schnellstens „Klimaneutralität“ zu erreichen. Zur Begründung bezieht sich das Gericht auf ein angebliches „CO2-Restbudget“ für Deutschland in Höhe von sechs Gigatonnen, von dem Ende 2030 nur noch eine Gigatonne übrig ist, wenn Aso viel CO2 emittiert wird, wie nach dem geltenden Klimaschutzgesetz zulässig ist. Das Bundesverfassungsgericht argumentiert also, als ob die Abwendung der Klimakatastrophe allein von der deutschen Klimapolitik abhängig ist.
An dieser Argumentation hat der Staatsrechtler Dietrich Murswiek in einem in der Tageszeitung „DIE WELT“ vom 20.08.2021 veröffentlichten Beitrag heftige Kritik geäußert.
Murswiek kritisiert insbesondere, dass die Erderwärmung kein nationales, sondern ein globales Problem ist. Die deutschen Treibhausemissionen machen nur knapp zwei Prozent der weltweiten Emissionen aus. Es liegt deshalb auf der Hand, dass Deutschland mit seinen zwei Prozent nicht die eigentliche Ursache der Erderwärmung ist und sie auch nicht aufhalten kann, wenn es sein angebliches „Restbudget“ nicht überschreitet.
Klimaschutz als Staatsziel
- Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem am 24. März 2021 verkündeten Beschluss das im Jahr 2019 vom Bundestag verabschiedete Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das Gericht gab damit überraschend den Verfassungsbeschwerden verschiedener Umweltverbände und junger Umweltschützer statt, denen die Ziele und Maßnahmen des Gesetzes nicht ausreichend erscheinen.
Die Entscheidung wird damit begründet, dass das Klimaschutzgesetz 2019 mit den vorgesehenen Maßnahmen die kommende Generation in der Ausübung ihrer Grundrechte übermäßig einschränkt und belastet. Es ist die gleiche Begründung, mit der Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel die Politiker konfrontierte: „How dare you?!“ Gemeint ist damit der Vorwurf, dass die Jungen ausbaden müssen, was die Alten beim Klimaschutz nicht erledigen, so wie es die Jugendlichen von „fridays for future“ immer wieder verkünden.
Die rechtliche Konstruktion, mit der das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss bereits eine „gegenwärtige“ Grundrechtsverletzung bei einer „zukünftigen“ Grundrechtseinschränkung annimmt, stellt eine juristische Neuheit dar. Die Verfassungsrichter stützen sich dabei auf die Staatszielbestimmung in Artikel 20a Grundgesetz (GG), wonach der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen seiner Bürger „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“ schützen soll. Nach bisher allgemein vertretener Ansicht handelt es sich dabei jedoch nicht um ein Grundrecht, sondern um eine Staatszielbestimmung, die vom Bürger nicht einklagbar ist und unter dem Vorbehalt des Möglichen steht.
MIT-Beschluss zu Corona
vom 26.02.2021
Der MIT-Bundesvorstand hat am 26. Februar 2021 zur Corona-Pandemie folgenden Beschluss gefasst:
Der Lockdown belastet unsere Gesellschaft in einer Dimension, wie wir es seit Ende des zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt haben. Die Wirtschaft ist in schweres Fahrwasser geraten, ganze Branchen kämpfen ums Überleben, unsere Innenstädte drohen auszubluten. Gleichzeitig häufen wir neue Schulden an und verengen damit die Spielräume künftiger Generationen. Dabei sind gerade die Jüngsten in unserer Gesellschaft schon heute durch geschlossene Kitas und Schulen massiv betroffen. Nicht wenige von ihnen dürften als Bildungsverlierer aus dieser Kreise kommen. Kurzum: Eine Corona-Politik, die allein auf das Instrument „Lockdown“ setzt, nimmt schwere Spätfolgen in Kauf. Umso dringender braucht es jetzt einen neuen Strategieansatz. Wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben muss auch in Corona-Zeiten ermöglicht werden.
Corona-Strategie
Merkels Corona-Politik
Seit drei Monaten ist das Land im zweiten Lockdown, doch die Bilanz bleibt ernüchternd. Noch immer stecken sich zu viele Menschen an. Doch die Bundeskanzlerin erzählt der Öffentlichkeit: „Im Großen und Ganzen“ ist nichts schiefgelaufen.
Diese Meinung teilt Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) explizit nicht: „Europa hinkt beim Impffortschritt deutlich hinterher. Großbritannien, Israel, die USA – alle diese Länder haben es besser gemacht“, sagte er der Tageszeitung DIE WELT.
Heiner Garg kritisiert insbesondere den Politikstil von Angela Merkel: „Am meisten nervt mich inzwischen die Art und Weise, in der die Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin vorbereitet werden. Eine Woche vor dieser Sitzung äußern sich bestimmte Leute, was alles passieren könnte, wenn man dem vom Kanzleramt vorgegebenen Weg nicht folgt. Einen Tag vor der Konferenz wird dieser Weg dann zu Papier gebracht, gerät an die Öffentlichkeit und wird dann mehr oder weniger konsequent verabschiedet. Die Länder dürfen das dann umsetzen.“
Über den Politikstil der Kanzlerin ist schon häufiger diskutiert worden. Der Öffentlichkeit wird von bestimmten Leuten erzählt, dass sie „ihre Politik generell vom Ende her gestaltet“. Gemeint ist damit, dass sie als Naturwissenschaftlerin zielgerichtet handelt und die einzelnen Schritte dahin sorgfältig plant. Doch so hat Angela Merkel noch nie Politik gemacht.
Die richtige Metapher für Merkels Politikstil ist vielmehr „das Fahren auf Sicht“. Sie begründet diese Art des Regierens damit, dass sich die Politik meistens in einer Situation befindet, die sich rasant ändert. Deshalb mache eine langfristige Strategie keinen Sinn, sondern die Politik müsse sich täglich neu erfinden. Für diesen Politikstil von Angela Merkel gibt es viele Beispiel: die Bankenkrise 2008, die Staatsschuldenkrise 2010, der Atom-Ausstieg 2011 und die Grenzöffnung für Flüchtlinge 2015. Nie hatte sie einen langfristigen Plan, sondern sie ist immer auf Sicht gefahren.
So will Angela Merkel nun auch die Corona-Krise meistern: Je nach der Entwicklung von R-Wert und Inzidenz entscheidet ein kleiner Kreis im Kanzleramt, was zu tun ist. Meistens geht es dabei um eine Verschärfung der Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen, nicht aber um eine langfristige Strategie zur Bekämpfung der Pandemie. In den Spitzentreffen wird nur noch abgenickt, was im Kanzleramt beschlossen wurde. Das Parlament taucht in diesem Entscheidungsverfahren nicht auf.
Doch diesmal geht es nicht um Staatsschulden, Atomenergie oder Flüchtlinge, sondern um die Gesundheit und das Leben von Bürgern, die durch das Corona-Virus gefährdet sind. Mit einem „Fahren auf Sicht“ wird die Politik diese Herausforderung nicht meistern.
Ad-Hoc-Krisenmanagement
(2010)
In den folgenden Ausführungen berichte ich über meine Tätigkeit und politischen Erlebnisse im Jahr 2010.
Die NRW-Wahl
Im Mai 2010 wählte Nordrhein-Westfalen sein Landesparlament. Für die CDU stand vieles auf dem Spiel: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) kämpfte um sein politisches Überleben. Für die CDU/FDP-Regierung in Berlin ging es um die Gestaltungsfähigkeit im Bund. Bei einer Wahlniederlage der CDU war die Mehrheit im Bundesrat verloren, so dass SPD und Grüne bundespolitische Vorhaben blockieren konnten. Entsprechend hoch war die Nervosität in Berlin, als dieses Szenario in den Umfragen als möglich erschien.
Die CDU-Führung in Düsseldorf und Berlin reagierte auf die Gefahr eines Wahlverlustes mit einer diffusen Wahlkampfstrategie, um insbesondere Wähler links von der Mitte anzusprechen. Ich hielt diese Strategie für riskant: Jeder Kaufmann wisse, dass man die Stammkunden nicht vernachlässigen dürfe, um die Laufkundschaft zu gewinnen, schrieb ich in der Zeitschrift „souverän“. Wenn die Union ihre treuen Anhänger, die Christlich-Sozialen, die Konservativen und Wirtschaftsliberalen, vergrätze, würde sie beide verlieren, die Stammwähler und die Wechselwähler. Die Union bräuchte jedoch alle. „Das erreicht sie aber nicht mit einem Warenhauskatalog, aus dem sich jede Gruppe das herauspicken kann, was ihr gefällt, sondern sie muss Orientierung, Standfestigkeit und Profil bieten.“ Wenn sich 13 Prozent der Wähler Angela Merkel auch an der Spitze der SPD vorstellen könnten, so spräche das nicht gerade für einen geschärften Marketing-Auftritt der CDU, kritisierte ich. Eine solche Öffnungsstrategie der CDU möchte vielleicht für Koalitionsvarianten auf Bundesebene nützlich sein, der Partei in den Ländern könnte sie aber gewaltig auf die Füße fallen.
15 Jahre Merkel´sche Wirtschaftspolitik
(Teil 2)
15 Jahre Merkel´sche Wirtschaftspolitik
Die Union stellt seit 15 Jahren mit Angela Merkel die Bundeskanzlerin: dreimal in einer Koalition mit der SPD (2005-2009, 2009-2013, 2017-2021) und einmal mit der FDP (2013-2017).
Die Bundesregierung stand in diesen Jahren wirtschaftspolitisch mehrfach vor großen Herausforderungen: durch plötzliche Wirtschaftskrisen (Banken- und Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise, Corona-Pandemie) oder aufgrund politischer Megavorhaben (Energiewende, ökologische Transformation). Angela Merkel stand dabei immer im Mittelpunkt, entweder als Krisenmanagerin oder als Bundeskanzlerin.
Die Kanzlerschaft von Angela Merkel wird voraussichtlich im Jahr 2021 enden. Man wird dann feststellen, dass sie ihrem Nachfolger kein fertiges Haus, sondern zahlreiche unerledigte Baustellen hinterlässt: Die Corona-Pandemie hat die europäische Wirtschaft erneut tief getroffen, ohne dass ein Ende absehbar ist. Gleichzeitig steigen die Staatsschulden in den südlichen Ländern mit Hilfe der EZB in Rekordhöhe. Und an Europas Grenzen grassiert die illegale Einwanderung, weil die EU sich über deren Eindämmung nicht einig ist.
Die deutsche Wirtschaft sieht sich vor allem durch die Energiewende in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Der Politik gelingt es zwar, die fossilen und atomaren Energieanlagen (Atom, Stein- und Braunkohle) zügig stillzulegen, weniger erfolgreich ist die Bundesregierung jedoch beim Ausbau der benötigten Alternativen (Wind und Sonne). Es will auch nicht gelingen, mit all den klimapolitischen Anstrengungen einen nachweisbaren Beitrag zur Verminderung der Erderwärmung zu präsentieren. Sicher ist nur, dass mit der energiepolitischen Transformation die Verbraucher und die deutsche Wirtschaft erheblich belastet werden. Die derzeitigen Entlassungen in der Automobilindustrie geben einen Vorgeschmack davon, was auf die deutsche Industrie noch zukommen wird.
Es ist deshalb an der Zeit, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den letzten fünfzehn Jahren auf den Prüfstand zu stellen. Es soll dabei insbesondere auch um die Frage gehen, was aus der CDU, die Konrad Adenauer und Ludwig Erhard zu ihren Gründungsvätern zählt, in dieser Zeit geworden ist.
Steuergelder für Solar- und Windparks
Am Ende ihrer Amtszeit steht Angela Merkel in der Klimapolitik mit dem Rücken zur Wand: Die Bundesregierung wird die Klimaziele, die sie sich selbst gesetzt hat, deutlich verfehlen. Sie verweist zwar stolz auf den gestiegenen Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch, der aktuell rund 43 Prozent beträgt, verschweigt aber gleichzeitig, dass der Ausbau der Wind- und Sonnenenergie in den vergangenen Jahren praktisch zum Erliegen gekommen ist. Zudem tragen Windkraft, Fotovoltaik und Windkraft nur insgesamt 5,5 Prozent zur Deckung des Primärenergiebedarfs bei.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Der Widerstand in der Bevölkerung gegen den weiteren Ausbau der Windkraft ist stetig gewachsesn. In Bayern gilt inzwischen die sogenannte "10H"-Abstandsregelung zur Wohnbebauung, die weitere Projekte praktisch unmöglich macht. Im ersten Halbjahr wurden in Deutschland von 178 neuen Windrädern nur fünf in Bayern errichtet.
Den Stillstand beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen hat die Bundesregierung selbst verursacht, weil sie für deren Förderung einen Deckel von 52 Gigawatt beschlossen hat. Außerdem droht ab 2021 bei der Windkraft ein Rückbau von mehreren Tausend Megawatt, weil viele Anlagen aus der 20-jährigen Förderdauer herausfallen. Es besteht also Handlungsbedarf in der Klimapolitik.
Die EZB im Urteil von Jürgen Stark
Der Ökonom Jürgen Stark war von 2006 bis Ende 2011 Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor war er Vorstandsmitglied der Bundesbank und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Jürgen Stark war als überzeugter Zentralbanker immer Verfechter eines engen Mandats der Notenbank. Er ist 2011 als Chefvolkswirt zurückgetreten, weil er sah, dass die EZB unter ihrem Präsidenten Mario Draghi auf die falsche Bahn zu geraten drohte,. „Ich konnte die Entwicklung nicht aufhalten, wollte aber auch nicht Teil von ihr sein“, sagte er in der FAS vom 26. Juli 2020. „Heute muss ich feststellen: Das, was ich damals befürchtet haben, ist nicht nur eingetreten, es ist sogar noch schlimmer gekommen.“
Nach Meinung von Jürgen Stark ist die EZB mit ihrer Politik, überschuldete Staaten durch den Kauf von Staatsanleihen zu finanzieren, „selbst zu einer risikobehafteten Institution geworden“.
Der Weg in die europäische Schuldenunion
Vor dem Start der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli mehren sich die Stimmen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Umbau der EU in eine Schuldenunion warnen. Aktueller Anlass ist der Merkel-Macron-Plan, wonach den von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Regionen der EU mit einem „schuldenfinanzierten Wiederaufbaufonds“ in Höhe von 500 Milliarden Euro geholfen werden soll.
Mit diesem Plan hat die Bundeskanzlerin erneut eine überraschende und grundsätzliche Kehrtwende in der deutschen Europapolitik verkündet. Jahrzehntelang wehrte sich die Bundesregierung dagegen, dass sich die EU als Gemeinschaft verschuldet. Die Warnung vor einer „Schuldenunion“ fehlte auf keinem Parteitag der CDU. Doch jetzt will die Bundeskanzlerin während ihrer EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli 2020 beginnt, den Wiederaufbaufonds mit Schulden finanzieren.
Der geplante EU-Wiederaufbaufonds, den die EU-Kommission inzwischen auf 750 Milliarden Euro aufgestockt hat, soll in den von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Regionen dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Die dazu benötigten Mittel will sich die EU durch langfristige Anleihen auf den Kapitalmärkten besorgen. Begünstigt sind vor allem die südeuropäischen Länder, denen mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen (2/3 der Mittel = 500 Milliarden Euro) und mit Krediten (1/3 der Mittel = 250 Milliarden Euro) geholfen werden soll. Strenge Auflagen für die Verwendung der Mittel sieht der Plan nicht vor. Die Rückzahlung der Kapitalmarktschulden soll nach Vorstellung der Kommission vornehmlich aus zukünftigen Steuereinnahmen der EU erfolgen (Digitalsteuer, Mindeststeuer für Unternehmen, Plastiksteuer, CO2-Grenzausgleich).
Der EU-Wiederaufbaufonds ist die Erfindung des französischen Finanzministers Bruno Le Maire, der dafür die deutsche Bundeskanzlerin über alle Maßen lobt: „Angela Merkel hat Mut bewiesen und ein Gefühl dafür, dass die Zeit reif war für eine Entscheidung mit historischer Tragweite, und dafür habe ich nur Lob. Es war mutig von der Kanzlerin, gemeinsame europäische Schulden zu akzeptieren. Sie hat dadurch einen Durchbruch möglich gemacht bei den Diskussionen vor der Präsentation der Vorschläge der EU-Kommission für einen Wiederaufbauplan.“