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Wirtschaftspolitik : Corona-Strategie
04.02.2021 23:32 (901 x gelesen)

Corona-Strategie

Merkels Corona-Politik

Seit drei Monaten ist das Land im zweiten Lockdown, doch die Bilanz bleibt ernüchternd. Noch immer stecken sich zu viele Menschen an. Doch die Bundeskanzlerin erzählt der Öffentlichkeit: „Im Großen und Ganzen“ ist nichts schiefgelaufen.

Diese Meinung teilt Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) explizit nicht: „Europa hinkt beim Impffortschritt deutlich hinterher. Großbritannien, Israel, die USA – alle diese Länder haben es besser gemacht“, sagte er der Tageszeitung DIE WELT.

Heiner Garg kritisiert insbesondere den Politikstil von Angela Merkel: „Am meisten nervt mich inzwischen die Art und Weise, in der die Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin vorbereitet werden. Eine Woche vor dieser Sitzung äußern sich bestimmte Leute, was alles passieren könnte, wenn man dem vom Kanzleramt vorgegebenen Weg nicht folgt. Einen Tag vor der Konferenz wird dieser Weg dann zu Papier gebracht, gerät an die Öffentlichkeit und wird dann mehr oder weniger konsequent verabschiedet. Die Länder dürfen das dann umsetzen.“

Über den Politikstil der Kanzlerin ist schon häufiger diskutiert worden. Der Öffentlichkeit wird von bestimmten Leuten erzählt, dass sie „ihre Politik generell vom Ende her gestaltet“. Gemeint ist damit, dass sie als Naturwissenschaftlerin zielgerichtet handelt und die einzelnen Schritte dahin sorgfältig plant. Doch so hat Angela Merkel noch nie Politik gemacht.

Die richtige Metapher für Merkels Politikstil ist vielmehr „das Fahren auf Sicht“. Sie begründet diese Art des Regierens damit, dass sich die Politik meistens in einer Situation befindet, die sich rasant ändert. Deshalb mache eine langfristige Strategie keinen Sinn, sondern die Politik müsse sich täglich neu erfinden. Für diesen Politikstil von Angela Merkel gibt es viele Beispiel: die Bankenkrise 2008, die Staatsschuldenkrise 2010, der Atom-Ausstieg 2011 und die Grenzöffnung für Flüchtlinge 2015. Nie hatte sie einen langfristigen Plan, sondern sie ist immer auf Sicht gefahren.

So will Angela Merkel nun auch die Corona-Krise meistern: Je nach der Entwicklung von R-Wert und Inzidenz entscheidet ein kleiner Kreis im Kanzleramt, was zu tun ist. Meistens geht es dabei um eine Verschärfung der Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen, nicht aber um eine langfristige Strategie zur Bekämpfung der Pandemie. In den Spitzentreffen wird nur noch abgenickt, was im Kanzleramt beschlossen wurde. Das Parlament taucht in diesem Entscheidungsverfahren nicht auf.    

Doch diesmal geht es nicht um Staatsschulden, Atomenergie oder Flüchtlinge, sondern um die Gesundheit und das Leben von Bürgern, die durch das Corona-Virus gefährdet sind. Mit einem „Fahren auf Sicht“ wird die Politik diese Herausforderung nicht meistern.

Methoden zur Bekämpfung der Pandemie

Nach klassischer Lehre stehen der Politik für die Bekämpfung einer Pandemie vier Handlungswege zur Verfügung:

  • Der erste Weg ist das Impfen. Die neuen Impfstoffe sind inzwischen zugelassen und versprechen einen positiven Effekt. Der Impfstoff steht zurzeit aber nur in begrenzten Mengen zur Verfügung.  Auch zur Dauer des Immunschutzes gibt es noch kein gesichertes Wissen.
  • Der zweite Weg sind allgemeine und ungezielte Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen, wie das Schließen von Schulen oder Betrieben. Dieser Bereich nimmt derzeit den größten Teil der politischen Aktivitäten ein. Das ist nicht unproblematisch, weil damit tief in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben eingegriffen wird. 
  • Der dritte Weg ist die Kontaktverfolgung, bei der gezielt nach Kontaktpersonen gesucht und sichergestellt wird, dass die Quarantäne eingehalten wird. Hier hat es bei der Umsetzung durch die Gesundheitsämter in Zeiten hoher Fallzahlen erhebliche Probleme gegeben.
  • Der vierte Weg besteht darin, bestimmte Risikogruppen, insbesondere   vulnerable und hochbetagte Menschen in Pflegeheimen, durch geeignete Hygienekonzepte zu schützen. Die hohe Zahl von Corona-Fällen gerade in Pflegeheimen zeigt jedoch, dass es daran gefehlt hat.

Für eine wirksame Pandemiebekämpfung müssen alle vier Methoden zur Anwendung kommen. Es nützt wenig, dass man sich an einem Weg abarbeitet, wie es die Bundesregierung nach Ansicht von Epidemiologen gemacht hat.

Nach Einschätzung des Epidemiologen Gérard Kraus (Arzt und Epidemiologe) in der FAZ vom 31. Januar hat sich die Politik mit vielen Diskussionen, Engagement und hohen Kosten auf den zweiten Weg der Pandemie-Bekämpfung fokussiert, nämlich die allgemeine Kontaktbeschränkung und Mobilitätsreduktion. Vergleichsweise wenig diskutiert wurde über die klassische Hygiene in Krankenhäusern und Pflegeheimen, obwohl diese Methoden bekannt und effektiv sind.

Das Impfdesaster

Auch für den Weg des Impfens gilt, dass dieser sorgfältig vorbereitet und geplant werden muss. Gegenüber früheren Pandemien weist die Corona-Pandemie die Besonderheit auf, dass schon kurz nach dem Ausbruch der Krankheit ein Impfstoff gefunden wurde, der einen wirksamen Schutz gegen diese Krankheit verspricht. Er muss nur noch in der erforderlichen Menge hergestellt und den inzwischen überall errichteten Impfzentren zur Verfügung gestellt werden.

An sich ist es Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin, in Zusammenarbeit mit den Pharmaunternehmen dafür zu sorgen, dass hinreichend Impfstoffe hergestellt und an die Orte ihrer Verwendung geschickt werden. In der Corona-Krise hat jedoch Angela Merkel während ihrer EU-Ratspräsidentschaft über den Kopf des zuständigen Ministers hinweg entschieden, dass die EU-Kommission diese Aufgabe übernehmen soll. Angeblich sollten die kleinen Länder in Europa und auch Drittländer nicht benachteiligt werden.

Die EU-Kommission, die erstmals mit einer solchen Sache befasst war, zeigte sich dieser Aufgabe jedoch nicht gewachsen. Drei Monate dauerten die Verhandlungen mit den Pharmaunternehmen, weil man sich über Preise und Versicherungsfragen stritt. In dieser Zeit erteilten andere Länder bereits feste Lieferaufträge. Während woanders - wie z.B. in Großbritannien und Israel - schon tüchtig geimpft wird, fehlt deshalb in den deutschen Impfzentrum der benötigte Impfstoff. Die EU war eben zu langsam.

Um von diesem Versagen abzulenken, startete die EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, eine öffentliche Kampagne gegen das Pharmaunternehmen AstraZeneca mit dem Vorwurf, es habe vereinbarte Lieferzeiten nicht eingehalten, was das Unternehmen mit guten Gründen bestreitet. Wie auf einer solchen Basis eine vertrauensvolle Lieferbeziehung entstehen soll, hat von der Leyen den impfwilligen Bürgern noch nicht erklärt.

Wegen fehlender Impfstoffe konnten in Deutschland bis Ende Januar 2021 nur 2,5 Millionen Erst- und Zweitimpfungen durchgeführt werden. Nach den von der EU-Kommission vereinbarten Lieferterminen mit der Pharmaindustrie ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung bis Ende dieses Jahres noch nicht durchgeimpft ist. Dies bedeutet, dass wir noch eine lange Zeit mit dem Corona-Virus leben müssen.  

Gleichzeitig erwecken die führenden Politiker in Brüssel und Berlin den Eindruck, dass die Pandemie mit dem neuen Impfstoff bald besiegt ist. Der Gesundheitsminister sieht bereits das Licht am Ende des Tunnels. Tatsächlich kann aber nicht geimpft werden, weil kein Impfstoff vorhanden ist. Wo er bleibt oder ob er noch nicht hergestellt ist, wissen nur die EU-Kommission oder die Bundesregierung.   

Allerorten äußert sich der Frust über das Impfchaos. Die Bürgermeister und Landräte warten vergeblich vor den in großer Eile errichteten Impfzentren und geben der Presse wütende Kommentare. In Leserbriefen beschweren sich Achtzigjährige bitter über stillgelegte hotlines, über die sie angeblich Impftermine festlegen können. Angesichts wachsender Kritik liegen die Nerven in der Politik inzwischen blank. 

Es gibt aber niemanden, der sich für dieses Chaos verantwortlich fühlt: Die Bundeskanzlerin meint, sie habe nichts falsch gemacht. Der Gesundheitsminister auch nicht, weil er ja bei der Bestellung der Impfstoffe nicht dabei war. Um von eigenen Fehlern abzulenken, weist die Politik im Übrigen auf die Pharmaindustrie, der man Beine machen müsste. Von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder über Grünen-Chef Habeck bis zur Spitze der Linkspartei reicht der Kreis derjenigen, die staatliches Eingreifen fordern.

Söder verlangt eine „Not-Impfstoffwirtschaft“ bei der der Staat vorgibt, wieviel die Pharmaunternehmen zu produzieren und abzuliefern haben. Der Grüne Habeck fordert, dass sämtlich Pharmakonzerne „unverzüglich“ zur Herstellung der Impfstoffe zu verpflichten sind. Und die Linken meinen, dass im Interesse der Weltgesundheit der Patentschutz für neue Impfstoffe aufgehoben werden musse, um dem Profistreben auf Kosten der Gesundheit ein Ende zu machen.

„Dass ausgerechnet in dieser Pandemie derart wirtschaftsfeindliche Töne angestimmt werden, ist absurd. Schließlich verdanken wir es dem wettbewerblichen Spiel der Marktkräfte, dass in Rekordgeschwindigkeit neue Impfstoffe entwickelt wurden“, schreibt Dorothea Siems in der DIE WELT vom 2. Februar 2021. Noch auf dem Weltwirtschaftsforum hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel stolz hervorgehoben, dass Biontech ein deutsches Unternehmen ist, das an der Spitze der Forschung mitmarschiert. Dieser Stolz schützt deutsche Pharmaunternehmen aber nicht vor dem Zugriff der Politik. Das ist der Grund, warum Deutschland den Ruf, die Apotheke der Welt zu sein, schon vor vielen Jahren verloren hat.   

Die Corona-Strategie

Bei der Bekämpfung der Coronapandemie benötigt Deutschland statt des „Fahrens auf Sicht“ eine Strategie, die zerstörtes Vertrauen wiederherstellt und erfolgversprechend ist.

Weil einige Länder nicht länger auf den Bund warten wollen, haben Schleswig-Holstein und Niedersachsen die Initiative ergriffen und in Form eines Stufenplanes eine Strategie entwickelt, mit der sie ihre Länder aus der Pandemie herausführen wollen. Der Plan beruht auf den folgenden Grundgedanken:

  • Die Pandemie wird Anfang 2022 nach der Impfung des größten Teils der Bevölkerung aufhören. Dann kommt die Zeit der Endemie, in der das Virus auf niedrigem Niveau weiterzirkuliert, weil es immer wieder empfängliche Menschen geben wird, so z.B. die 100 Millionen Kinder, die jährlich geboren werden.
  • Für die Politik muss das bedeuten, auf dem Weg zum Ende der Pandemie mit einer durchdachten „Strategie zu versuchen, die vermeidbaren gesundheitlichen, wirtschaftlichen und freiheitlichen Auswirkungen durch die Erkrankungen, Todesfälle und die Bekämpfung zu minimieren“ (Klaus Stöhr in DIE WELT vom 2. Februar 2021). Der Grund für dieses Ziel ist, dass man bei einer Pandemie immer nur zwischen zwei oder mehreren Übeln wählen kann. Wirkliche Gewinner kann es nicht geben, allerdings Profiteure.
  • Weil sich die Pandemie durch alle Lebensbereiche zieht, erfordert die Erarbeitung einer solchen Strategie, dass daran viele Fachleute - nicht nur Virologen, Ärzte und Physiker - mitarbeiten. Gesundheitsökonomen und Wirtschaftswissenschaftler sowie Pharmazeuten und Pharmaunternehmen gehören ebenso dazu wie Psychologen, Soziologen und Kommunikationsexperten. Sie müssen alternative Wege für die Minimierung der vermeidbaren Erkrankungen und Todesfälle sowie der ökonomischen und sozialen Folgen der jeweiligen Maßnahmen erarbeiten.
  • Da sich die Pandemiesituation ändert, benötigt man einen elastischen Stufenplan, der den Weg bis zum Ende der Pandemie aufzeigt, ohne dass stetig neue Grundsatzdiskussionen nötig sind.
  • Darin werden zuerst die Grenzwerte für die Erfolgskriterien (R-Wert-Trend, risikospezifische Inzidenz, Intensivstationen) festgelegt, die je nach Lage verschärft oder gelockert werden können. Gleichzeitig werden die Lebensbereiche definiert, die dann konkret von diesen Maßnahmen betroffen sind. Von der Kita bis zum Einzelhandel, vom Nahverkehr bis zum Arbeitsplatz.

Für die Politik und Verwaltung ist ein solcher Stufenplan eine mehr oder weniger verbindliche Handlungsanweisung. Die Öffentlichkeit erfährt daraus, aus welchen Gründen sich die Politik für bestimmte Maßnahmen entschieden hat. Und schließlich sorgt der Stufenplan für mehr Planungssicherheit in der Wirtschaft.

Für das Verfahren hat Sozialminister Heiner Garg der Kanzlerin folgende Empfehlung gegeben:  

"Die Bundeskanzlerin ist aufgefodert, ihre Sicht der Dinge und die von ihr gewünschten Maßnahmen vor einer Ministerpräsidentenkonferenz in einer Regierungserklärung vor dem Parlament darzulegen. Dann debattiert der Bundestag diese Pläne und beschließt. Anschließend gibt es eine Ministerpräsidentenkonferenz - und dann wird umgesetzt."


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