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Merkels Regierungszeit : "Angela Merkel denkt vom Ende her!"
28.09.2021 13:20 (823 x gelesen)

"Angela Merkel denkt vom Ende her"?

Mit diesem Satz, der von Journalisten erfunden wurde, soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Physikerin Angela Merkels als Bundeskanzlerin eine rationale und stringente Politik gemacht hat. Belegt wurde diese Aussage nie. Schaut man näher hin, stellte man sogar fest, dass ihre Politik im Gegenteil über weite Strecken widersprüchlich und unkoordiniert verlaufen ist. Das lässt sich an vielen Beispielen zeigen:

Leipziger Parteitag

Dort versprach Merkel, Deutschland mit Reformen wieder nach vorn zu bringen: Dazu stellte sie ein Steuerkonzept mit nur noch drei Steuersätzen von 12, 24 und 36 Prozent und eine Gesundheitsprämie in Aussicht, um die Lohnnebenkosten zu senken.

Nichts davon ist umgesetzt worden:  Die Unternehmenssteuer für thesaurierte Gewinne ist zwar auf 30 Prozent gesenkt worden, das erfolgte jedoch „aufkommensneutral“, was bedeutete, dass die Entlastungen an anderer Stelle durch Verbreiterung der Ermessungsgrundlagen auszugleichen waren.

Bei der Gesundheitsreform verständigte sich Angela Merkel mit Ulla Schmidt (SPD) auf einen zentralen Gesundheitsfonds des Bundes, der sämtliche Beitragseinahmen verwalten und verteilen sollte, womit den Kassen das Recht der Beitragsfestsetzung entzogen wurde. Das war wohl ein Schritt in Richtung Staatsmedizin, aber keine Entlastung des Arbeitsmarktes von den Gesundheitskosten.

Antidiskriminierungsgesetz

Den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes, den die damalige rot-grüne Mehrheit 2005 beschlossen hatte, bezeichnete Angela Merkel im Bundestag als „Jobkiller“ und sorgte dafür, dass er im Bundesrat scheiterte, weil er über die maßgebliche europäische Richtlinie hinausging.

Nach Bildung der großen Koalition ließ Angela Merkel den Entwurf aber passieren, obgleich im Koalitionsvertrag ausdrücklich das Ziel vereinbart worden war, das Gesetz auf das europäisch Notwendige zu beschränken.

Schröders Agenda 2010

Im Zentrum der Agenda 2010 stand die Arbeitsmarktpolitik, die Gerhard Schröder mit dem Prinzip „Fördern und Fordern“ auf eine neue Grundlage gestellte hatte. Dazu gehörte auch die Verkürzung des Arbeitslosengeldes I auf zwölf Monate.

Jürgen Rüttgers (CDU) stellte im November 2006 auf dem Dresdener Parteitag der CDU den Antrag, die Laufzeit des Arbeitslosengeldes an die Zahl der Beiträge zu koppeln, um ältere Arbeitnehmer zu begünstigen. Der baden-württembergische Landesverband beantragte daraufhin, den Kündigungsschutz bei Neueinstellungen zu flexibilisieren. Beide Anträge wurden gekoppelt und dann mit großer Mehrheit angenommen.

Auf diesen Beschluss reagierte die Bundesregierung unterschiedlich: Am Kündigungsschutz änderte sich nichts. Das Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitnehmer wurde aber verlängert. Diesem ersten Schritt zur Lockerung der Zumutbarkeitsregeln für eine Arbeitsaufnahme sollten weitere folgen. Inzwischen fehlen den Job-Centern jegliche Instrumente, um arbeitsfähige Arbeitslose wieder in Arbeit zu bringen.

Mindestlohn

Die CDU lehnte Mindestlöhne generell ab. Stattdessen galt das „Konzept des Mindesteinkommens“, wonach nicht ausreichende Löhne durch öffentliche Leistungen auf ein die Existenz sicherndes Niveau aufgestockt werden sollten. So stand es noch im Grundsatzprogramm von 2007.

Unter dem Eindruck der Ost-Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft zum 1. Mai 2004 verständigte sich die große Koalition jedoch zum Schutz der deutschen Arbeitnehmer vor ausländischer Billigkonkurrenz, tariflich vereinbarte Branchenmindestlöhne zuzulassen. Das war bereits ein erster Abschied vom CDU-Konzept des „Mindesteinkommens“.

Für Branchenmindestlöhne wurden im Koalitionsvertrag allerdings strenge Voraussetzungen vereinbart: (1) Es musste ein flächendeckender Tarifvertrag vorliegen. (2) Dieser musste für allgemeinverbindlich erklärt worden sein. (3) Es musste durch den Zuzug ausländischer Arbeitnehmer zu „sozialen Verwerfungen“ auf dem Arbeitsmarkt gekommen sein.

Die Voraussetzungen wurden jedoch zunehmend verwässert, weil die Bundesregierung beabsichtigte, für immer mehr Branchen Mindestlöhne festzusetzen. Schließlich fasste der Koalitionsausschuss im Juni 2007 den Beschluss, dass auf die vereinbarten Voraussetzungen bei Branchenmindestlöhnen verzichtet werden sollte. Das vom CDU-Parteitag der CDU beschlossene „Konzept des Mindesteinkommens“ hatte die Kanzlerin damit einkassiert.

Die Entwicklung in Richtung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns war danach nicht mehr aufzuhalten. Auf ihrem Parteitag 2011 beschloss die CDU auf Antrag ihres Arbeitnehmerflügels, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tariflich festgelegter Lohn nicht existiert. Es folgte der Koalitionsvertrag 2013, in dem CDU/CSU und SPD vereinbarten, einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro festzusetzen. Am 1. Januar 2015 trat dieser Mindestlohn in Kraft.

Bankenkrise

Am 15. September 2008 wurde die Investmentbank Lehman Brothers insolvent. Das war der Auslöser für eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die auch Deutschland erfasste. Reihenweise brachen Banken zusammen, darunter auch die Hypo Real Estate. Im Zentrum des Krisenmanagements stand Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Mit ihm zusammen trat Angela Merkel am 5. Oktober 2008 vor die Presse und gab folgende Erklärung ab: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Mit dieser Garantie sollte die Bevölkerung beruhigt und der angeblichen Gefahr eines „Bankensturms“ vorgebeugt werden.

Wirklich belastbare Anhaltspunkte für einen Sturm auf die Banken gab es jedoch nicht. Denn die angezeigten Bankabhebungen bewegten sich im üblichen Rahmen. Aus Bankenkreisen wurde sogar berichtet, dass erst aufgrund des öffentlichen Auftritts der Bundeskanzlerin und ihres Finanzministers bei den Kunden eine gewisse Unruhe entstanden sei. Zudem lag auf der Hand, dass die Bundesregierung gar nicht in der Lage war, die Garantie der Spareinlagen im Ernstfall zu erfüllen.

Was versprachen sich die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister also von dem öffentlichen Auftritt? Es war offensichtlich der politische Wunsch, sich der Öffentlichkeit als Krisenmanager zu zeigen. Krisen sind für Politiker immer eine willkommene Gelegenheit, sich gegenüber dem Publikum zu beweisen. Sie erleichtern die Entscheidungsfindung und auch die Durchsetzung ungewöhnlicher Maßnahmen. In der Bankenkrise hat Angela Merkel erstmals diese Erfahrung machen können.

Konjunkturkrise

Auf die Finanzkrise im Jahr 2008 folgte unmittelbar eine globale Konjunkturkrise. Schon im Januar 2009 ging die deutsche Industrieproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 19,3 Prozent zurück. Diesmal war es eine wirkliche Krise, von der insbesondere die Exportwirtschaft und die Investitionsgüterindustrie betroffen war. Aufträge wurden über Nacht storniert, und die Umsätze gingen dramatisch zurück.

Doch jetzt blieb die Bundesregierung untätig. Peer Steinbrück lehnte Konjunkturprogramme aus grundsätzlichen Gründen ab. Angela Merkel stimmte dem zu: Konjunkturmaßnahmen seien Strohfeuer; vorrangig müsse der Haushalt konsolidiert werden. Nur um die Öffentlichkeit zu beruhigen, verständigte sich die Bundesregierung auf ein Konjunkturpaket über 30 Milliarden Euro, das aus einem Sammelsurium von punktuellen Maßnahmen ohne Durchschlagskraft bestand. Damit sollte es eigentlich genug sein.

Doch dann entschied sich die Bundesregierung Anfang 2009 plötzlich für ein weiteres Konjunkturpaket über 50 Milliarden Euro. Hinter dieser Maßnahme stand der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der eine Landtagswahl zu bestehen hatte. Deshalb konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen: „Wir brauchen jetzt Maßnahmen, die in den nächste drei, vier, sechs Monaten wirken.“ Die meisten Maßnahmen wirkten aber erst, als die Konjunktur wieder anzog, was nicht das Ziel eines Konjunkturprogramms ist.    

Der Vertrag von Maastricht

Der Vertrag von Maastricht, der am 1. November 1993 in Kraft trat, legte die Grundlagen der Europäischen Währungsordnung fest. Bei den Verhandlungen verfolgte die deutsche Delegation das Ziel, die von der Deutschen Notenbank erfolgreich betriebene Stabilitätskultur vertraglich zu verankern. Das gelang ihr mit dem generellen Verbot für alle EU-Staaten, sich bei der Zentralbank zu verschulden (Verbot monetärer Staatsverschuldung), und mit dem Ausschluss der Haftung für die Schulden anderer Staaten (Beistandsverbot). Mit dem Stabilitätspakt wurden außerdem Obergrenzen für Haushaltsdefizite (3 %) und für die Gesamtverschuldung (60 % des BIP) vertraglich festgelegt.

Die deutsche Bundesregierung hat gegen diese zentralen Vertragsregeln mehrfach im Zusammenwirken mit anderen EU-Staaten verstoßen: Am 2. Mai 2010 beschlossen die Euro-Finanzminister einschließlich Wolfgang Schäuble unter Missachtung des Beistandsverbotes ein Hilfspaket für Griechenland über 80 Mrd., um dem Land die Finanzierung seiner Haushaltsdefizite zu ermöglichen. Nur wenige Tage später stimmte Angela Merkel auf dem EU-Gipfel am 7. Mai 2010 der Gründung eines Europäischen Rettungsschirms im Volumen von 500 Mrd. Euro zu, um auch anderen EU-Staaten helfen zu können, ebenfalls unter Verletzung des Beistandsgebotes. In derselben Sitzung ermunterte sie Jean-Claude Trichet, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Programme zum Ankauf europäischer Staatsanleihen aufzulegen, wodurch gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen wurde.  

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ähnelt seitdem der Notenbankpolitik, wie die Italiener sie einst betrieben haben. Im Zentrum stand nicht das Ziel der Währungsstabilität, sondern die Staatsfinanzierung und die Belebung der Wirtschaft. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble haben an diesem Kulturwandel an entscheidender Stelle mitgewirkt.

Atomausstieg

Schon als Umweltministerin unter Helmut Kohl bemühte sich Angela Merkel, Deutschland auf schärfere Klimaziele einzuschwören. Unterstützt wurde sie dabei von einer Gruppe ehrgeiziger CDU-Politiker, die als „Pizza-Connection“ bekannt wurde. Dazu gehörten beispielsweise die damaligen Bundestagsabgeordneten Ronald Pofalla, Herman Gröhe, Armin Laschet, Norbert Röttgen und Peter Altmaier.  

Die Parteitagsdelegierten waren jedoch weniger ehrgeizig und legten in dem Grundsatzprogramm der CDU aus dem Jahr 2007 fest, dass „auf absehbare Zeit auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland nicht verzichtet werden kann. Sie ermöglicht es, den Zeitraum zu überbrücken, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind.“ Dieser Beschluss wirkte beruhigend, weil er den von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossenen Atomausstieg an das Ausbautempo für erneuerbare Energien koppelte, um keine Lücke in der Stromversorgung entstehen zu lassen.

Dementsprechend verständigten sich Union und FDP bei der Regierungsbildung 2009 auf eine zeitliche Verlängerung der von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossenen Restlaufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke. Doch nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima am 11. März 2011, der infolge eines gewaltigen Tsunami entstanden war, änderte die Bundesregierung ihre Entscheidung zum Atomausstieg grundlegend:  Sieben ältere Atomkraftwerke wurden sofort abgeschaltet und für alle anderen Kraftwerke feste Enddaten in das Gesetz geschrieben. Die Betriebserlaubnis für das letzte Kraftwerk endet im Jahr 2022.

Angela Merkel begründete ihre Entscheidung vor der Öffentlichkeit damit, dass sie „eine neue Bewertung vorgenommen und ihre Haltung zur Kernenergie verändert“ habe. Zum CDU-Grundsatzbeschluss aus 2007, der den Ausstieg von der Verfügbarkeit alternativer Energien abhängig gemacht hatte, sagte sie nichts. Die Missachtung dieses Beschlusses hat jedoch dramatische Folgen für die Versorgungssicherheit in Deutschland, weil der Ausstieg aus der Atomenergie von den alternativen Energien nicht aufgefangen werden kann. Zumal sich die Bundesregierung neben dem Atomausstieg auch noch für den baldigen Ausstieg aus der Kohleenergie entschieden hat. Vom Ende her gedacht ist eine solche Klimapolitik sicherlich nicht. 

Europäischer Emissionshandel

In Deutschland gibt es zwei unterschiedliche Systeme, um den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxyds zu vermindern: Die Bundesregierung setzt auf Wind- und Solaranlagen, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit einer Absatz- und Vergütungsgarantie zulasten des Verbrauchers gefördert werden.

Gleichzeitig hat die Europäische Union für Stromerzeuger und große Industriebetriebe einen Handel mit Emissionszertifikaten eingerichtet, der auf einer simplen Idee namens „cap and trade“ beruht. Der zulässige Ausstoß schädlicher Gase innerhalb der EU wird durch politische Entscheidung global nach oben begrenzt („cap“). Gleichzeitig gibt man den Produzenten Emissionszertifikate, die gehandelt werden können, um die Emissionen dort zu reduzieren, wo dies am günstigsten ist („trade“).

Die Bundesregierung geht bis heute davon aus, dass beide Systeme einen selbständigen Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionen leisten. Doch schon im Klimaschutzbericht der vereinten Nationen (IPCC) vom 14. April 2014 heißt es: „In einem Emissionshandelssystem mit einer hinreichen strengen Deckelung haben andere Maßnahmen wie die Subventionierung erneuerbarer Energien keinen weiteren Einfluss auf den gesamten CO2-Ausstoß.“

Das ist einfach zu erklären: In dem Emissionshandelssystem legt die EU die Gesamtmenge von CO2 fest, die in die Luft geblasen werden darf. Wenn in Deutschland durch die Förderung von alternativen Energien fossile Kraftwerke abgeschaltet werden, werden sie anderswo in Betrieb genommen, und zwar in einem Umfang, dass dort exakt so viel zusätzliches Kohlendioxyd in die Luft geblasen wird, wie wir einsparen (Hans-Werner Sinn). Deshalb ist der Beitrag des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zur Minderung von CO2 per Saldo null. Dafür zahlen die deutschen Verbraucher mit der Stromrechnung jährlich einen Betrag von mehr als 25 Milliarden Euro.

Migrationskrise

Am 4. September 2015 erlaubte Angela Merkel einer im Marsch befindlichen Flüchtlingsgruppe, die sich aus Ungarn über Österreich in Richtung deutsche Grenze zubewegte, offiziell die Einreise, ohne dass eine Kontrolle erfolgte. Einige Tage später erklärte sie dazu in einer Pressekonferenz: „Wir haben … in einer akuten Notsituation eine Entscheidung getroffen, die ja auch als humanitäre Ausnahme bezeichnet wurde, um Menschen zu helfen.“ Die humanitäre Ausnahme entwickelte sich jedoch schnell zu einem bis heute anhaltenden Dauerzustand. Schon im ersten Jahr nach ihrer Entscheidung kam mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland.

Die Bundeskanzlerin verstieß mit ihrer Entscheidung gegen deutsches und europäisches Recht: Artikel 16a des Grundgesetzes lautet: (1) „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft … einreist.“ Entsprechend regelt die Dublin-Verordnung der Europäischen Union, dass Migranten in dem Land Asyl beantragen müssen, in dem sie erstmals EU-Territorium betreten. 

Alle Flüchtlinge aus Drittländern ohne Einreiseerlaubnis hätten also an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden müssen. Darauf war die Bundespolizei auch vorbereitet. Doch nach der Entscheidung der Bundeskanzlerin wurde dem Präsidenten der Bundespolizei untersagt, die Grenze nach Österreich zu kontrollieren und die Flüchtlinge an der Einreise zu hindern.  

Angela Merkel rechtfertigte sich später damit, dass die Dublin-Verordnung „nicht funktionsfähig“ sei. Denn Deutschland habe keine EU-Außengrenze, so dass „nach der Theorie nie ein Migrant oder Flüchtling in Deutschland ankommen dürfte“. So ist es tatsächlich: Die allermeisten Flüchtlinge bleiben nicht in dem Ankunftsland, sondern ziehen weiter – meistens nach Deutschland, wo sie als Flüchtlinge registriert und untergebracht werden. Dass damit ständig gegen das Grundgesetz und die Dublin-Verordnung verstoßen wird, empfindet niemand mehr als Skandal. Die Gesetze sind in Kraft, aber niemand nimmt sie ernst.  

Angela Merkel ist mit ihrer Entscheidung vom 4. September 2015 sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Statt sich um die Einhaltung der Verträge zu bemühen oder sie zu ändern, machte sie die allgemeine Missachtung der aus ihrer Sicht nicht funktionsfähigen Verträge zur offiziellen Politik der Bundesregierung. Mit dem von ihr geleisteten Amtseid, der sie verpflichtet, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen“, ist eine solche Einstellung nicht zu vereinbaren.

Merkels Fiskalunion

Es überraschte alle, als Bundeskanzlerin Angela Merkel am 18. Mai 2020 gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ankündigte, dass auf EU-Ebene ein „Corona-Wiederaufbaufonds“ über 500 Milliarden Euro aufgelegt werden sollte. Das Geld, und das war das grundsätzlich Neue, sollte den Mitgliedstaaten nicht als Kredit, sondern als verlorener Zuschuss gegeben werden. Die Mittel wollte man sich über die Ausgabe von Anleihen der Europäischen Union auf dem Kapitalmarkt besorgen. Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür nach Maßgabe ihrer Wirtschaftskraft gesamtschuldnerisch haften.

Damit hatte die Kanzlerin wieder einmal eine spektakuläre Kehrtwende hingelegt: Jahrzehnte hatte die sich die CDU gegen gemeinschaftliche Schulden der EU gewehrt. Die Warnung vor einer „Schuldenunion“ fehlte auf keinem Parteitag. In der Finanzkrise wurden Wolfgang Schäuble und Angela Merkel nicht müde, ihr kategorisches Nein zu gemeinschaftlichen Anleihen, den sog. Euro-Bonds, zu betonen. Das alles war plötzlich Schnee von gestern.

Unter Einbeziehung des Merkel-Macron-Vorschlages hat der Europäische Rat am 14. Dezember 2020 unter dem Titel „Corona-Wiederaufbaufonds – Next Generation EU“ (NGEU) ein neues und auf gemeinsamer Verschuldung beruhendes Solidarpaket beschlossen, das ein entscheidender Schritt in die Schulden- und Haftungsunion ist. Es beinhaltet im Einzelnen:

  • Statt 500 Milliarden Euro sollen 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufgenommen und an die Mitgliedstaaten weitergereicht werden, um Investitionen in eine grüne, digitale und resiliente EU zu finanzieren, davon 2/3 als verlorener Zuschuss und 1/3 als Kredit.
  • Hinzu kommt ein ebenfalls kreditfinanziertes Programm über 100 Milliarden Euro zur Finanzierung von Kurzarbeit (SURE).
  • Außerdem stehen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) weitere 240 Milliarden Euro bereit.
  • Zusätzlich gewährt die Europäische Investitionsbank (EIB) kleineren und mittleren Unternehmen Garantien und Liquiditätshilfen in Höhe von 200 Milliarden Euro.

Mit diesem Solidarpaket betritt die EU völliges Neuland hinsichtlich des Umfangs der Hilfen, hinsichtlich nicht rückzahlbarer Finanzhilfen und des Haftungsumfangs der Mitgliedstaaten. Der weit überwiegende Teil der NGEU-Kredite und Finanzhilfen hat zudem nichts mit den Folgen der Corona-Pandemie zu tun. Vielmehr dient die Pandemie als Vehikel für eine groß angelegte finanzielle Umverteilung unter den EU-Mitgliedstaaten und für neue Zuständigkeiten der EU im Rahmen der angestrebten grünen und digitalen Transformation in Europa.

Der Bundesrechnungshof hat vor den erheblichen Risiken gewarnt, die mit dem EU-Wiederaufbaufonds verbunden sind. Gleichwohl hat der Deutsche Bundestag die gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU gebilligt. Das Gesetz ist nur deshalb noch nicht in Kraft getreten, weil das „Bündnis Bürgerwille“ um den Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke Verfassungsbeschwerde angekündigt hat.

        


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