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Merkels Regierungszeit : Die Ukraine und Merkel
24.04.2022 21:19 (720 x gelesen)

Die Ukraine und Merkel

Angela Merkel hat den russischen Angriff auf die Ukraine am 25 Februar 2022 in einer schriftlichen Erklärung scharf verurteilt. Eine Mitverantwortung für den Krieg hat sie verneint und gleichzeitig erklärt, keine weiteren öffentlichen Erklärungen zu ihrer Russlandpolitik abgeben zu wollen.

Die neue CDU-Spitze hat sich in der Debatte über eine Mitverantwortung von Angela Merkel für den russischen Angriff hinter ihre frühere Chefin gestellt. „Es wäre vermessen, zu behaupten, dass Angela Merkel eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine trifft. Es ist Putins Krieg gegen die Ukraine und der seiner Verbrecherclique im Kreml“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja gegenüber der DPA.

Demgegenüber hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier inzwischen Fehler im politischen Umgang mit Russland eingeräumt. "Wir sind gescheitert", sagte er in einem Gespräch mit Journalisten im Schloss Bellevue. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben. Auch sein Festhalten an Nord Stream 2 sei "eindeutig" ein Fehler gewesen.

Andere führende CDU-Mitglieder sind mit Merkels Schweigen nicht einverstanden. Johann Wadephul, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte in der Osnabrücker Zeitung, „dass Angela Merkel bald einmal Zeit und Anlass findet, sich vertieft zu ihrer Russlandpolitik zu äußern“. Er habe ihre Politik lange für richtig gehalten. „Meine Überzeugung war es, dass die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Russland und Deutschland auch für Russland handlungsbestimmend sein würde. Ich habe mich geirrt.

 

Fehler deutscher Russlandpolitik

In der deutschen Russlandpolitik ist viel von „Zeitenwende“ die Rede. Doch Wendepunkte der Geschichte fallen nicht vom Himmel, sie haben vielmehr eine lange Vorgeschichte. So auch Putins brutale Invasion in die Ukraine. Sie wurde von langer Hand geplant und vorbereitet.

Außenpolitik

Vor Putin und seiner Politik sind die führenden deutschen Politiker seit vielen Jahren gewarnt worden: vor seiner KGB-Vergangenheit, vor seinem brutalen Unterdrückungssystem, vor seiner imperialen Politik und vor der Abhängigkeit der zunehmenden deutschen Gasimporten aus Russland. Solche Warnungen wollte das politische Berlin aber bis zum Schluss nicht hören.

Man ignorierte und bagatellisierte auch, was Putin tatsächlich machte: Schon im ersten Jahr der Machtübernahme begann er, die Medien gleichzuschalten und sie zum staatstreuen Propagandainstrument umzubauen. Im  Januar 2006 ließ er erstmals die Gaslieferungen durch die Ukraine unterbrechen, nach deutscher Lesart war daran die Ukraine schuld. Im Jahr 2007 erregte sich Putin auf der Sicherheitskonferenz darüber, dass sich Russland gegen die NATO und die USA „wehren“ müsste. Das wurde als der verständliche Schmerz der Russen über den weltpolitischen Bedeutungsverlust nicht ernst genommen. Aus Rücksicht auf Russland scheiterte auf der NATO-Konferenz im Mai 2008 ein schneller NATO-Beitritt von Georgien und der Ukraine am Veto von Angela Merkel.

 Im August 2008 marschierte Putin daraufhin in Georgien ein und besetzte Abchasien und Südossetien – aus Berliner Sicht war daran der georgische Präsident Saakaschwili schuld. Im Jahr 2014 folgten die Krim-Annexion und das von den Russen unterstützte Terrorregime in Donezk und Luhansk, worauf der Westen mit Sanktionen reagierte, die kaum schmerzten. Im Frühjahr 2021 schließlich konzentrierte Putin seine Truppen an den Grenzen zur Ukraine, angeblich zur Durchführung eines Manövers, tatsächlich jedoch als Vorbereitung für den militärischen Einmarsch in die Ukraine Anfang 2022, wie der amerikanische CIA wusste.  

Die jeweilige Berliner Regierung wusste und sah all dies. Die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister kannten auch Putin sehr gut, der als ehemaliger KGB-Agent und amtierender Russischer Staatspräsident in den Kategorien des Geheimdienstes und der Sowjetunion denkt. Aber Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier flüchteten in die Welt der Diplomatie, um den Aggressor auf konsensualem Weg zu bändigen. Doch eine Diplomatie ohne ernst zu nehmende wirtschaftliche, politisch und militärische Macht zählt bei Putin nicht und war erkennbar erfolglos.

So konnten sich Merkel und Steinmeier hinter der Kulisse der Diplomatie verstecken, um die eigentliche sicherheitspolitische Debatte in Deutschland nicht führen zu müssen. Denn diese wäre erforderlich gewesen, um Putin von seiner Gewaltbereitschaft abzuschrecken. Diese Debatte aus deutschem und rein wahltaktischem Kalkül zu keinem Zeitpunkt ernsthaft geführt zu haben, das ist das eigentliche historische Versagen der Merkel´schen Russlandpolitik.

So ist ihre Regierung für den schrecklichen Krieg in der Ukraine sehr wohl mitverantwortlich geworden.

Dass dies passieren konnte, führt der Historiker Jörg Himmelreich auf zwei typisch deutsche Phänomene zurück: Das eine ist der in Deutschland auf Grund von historischen Kriegserfahrungen entstandene „Nationalpazifismus“, der aus einem besonderen Bedürfnis nach militärischer Abrüstung und nach gewaltfreier Befriedigung außenpolitischer Konflikte besteht. So moralisch richtig dieses idealistische Bedürfnis auch ist, so verführt es dazu, die Welt der bitteren außenpolitischen Realitäten zu verkennen.

Die deutsche Politik hatte den Blick dafür verloren, dass Krieg und Gewalt damit nicht aus der Welt geschafft werden können.

Das zweite deutsche Phänomen, das den Blick auf die politischen Realitäten des Putin´schen Regimes verstellte, sieht Jörg Himmelreich in der Jahrhunderte alten deutsch-russische Seelenverwandtschaft: ein tiefes, romantisches Verständnis für die russische Seele über alle Unterschiede der politischen Systeme hinweg, oft mit gemeinsamen anti-amerikanischen Aversionen verbunden. Es ist durchaus anzunehmen, dass eine solche Seelenverwandtschaft bei den inzwischen bekannt gewordenen freundschaftlichen Beziehungen zwischen deutschen und russischen Politikern eine Rolle gespielt und den Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse getrübt hat.   

Verteidigungspolitik

Der Wunsch nach Frieden allein macht die Welt noch nicht friedlich. Das gleiche gilt für diplomatische Verhandlungen, wenn der Gegner vor Gewalt nicht zurückschreckt. Ein bekanntes römisches Sprichwort lautet: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor (Si vis pacem para bellum)“. Diesen realpolitischen Grundsatz haben deutsche Politiker in der Merkel-Ära im Verhältnis zu Russland aus dem Blick verloren.

Am Morgen des russischen Überfalls auf die Ukraine schrieb Generalleutnant Alfons Mais, der Inspekteur des Heeres, über den derzeitigen Zustand der Bundeswehr: „...die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da." Die Optionen, die man der Politik zur Unterstützung des NATO-Bündnisses anbieten könne, seien extrem limitiert. „Wir haben es alle kommen sehen und waren nicht in der Lage, mit unseren Argumenten durchzudringen“ Jetzt müsse sich die Truppe neu aufstellen – „Sonst werden wir unseren verfassungsmäßigen Auftrag und unsere Bündnisverpflichtungen nicht mit Aussicht auf Erfolg umsetzen können."

Wie konnte das passieren? Die Vernachlässigung der Bundeswehr und damit deren Mangel an Wehrfähigkeit ist nicht über Nacht entstanden, sondern beruhte auf einer neuen Sicherheits- und Friedensordnung, wonach in der Zeit nach dem Kalten Krieg vor allem für die Förderung von Stabilität und Frieden in der Welt und nicht für die nationale Verteidigung geplant werden sollte. Dabei überschätzte man die Möglichkeiten einer „regelbasierten“ internationalen Friedensordnung ebenso wie man die Notwendigkeit einer „machtbasierten“ internationalen Friedensordnung unterschätzte, vor allem während der Kanzlerschaft von Angela Merkel. Kurz gesagt: Die Diplomatie ersetzte die Streitkräfte.

Das führte zu einer ganzen Reihe von politischen Fehlentscheidungen mit der Folge, dass die Bundeswehr heute „mehr oder weniger blank dasteht“. Zu diesen Fehlentscheidungen gehört die Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 aus fiskalischen Gründen. Die Personalstärke der Bundeswehr ist infolgedessen von 735.000 im Jahr 1990 auf 265.000 heute abgesunken.

Ebenso dramatisch ist bei allen Waffengattungen der Rückgang der Ausrüstung: Beim Heer wurden die Hauptwaffensysteme auf unter 10% des Bestandes von 1990 reduziert, z.B. bei dem Kampfpanzer Leo von ca. 3.000 auf 200. Die Truppengattung „Heeresflugabwehr“ wurde komplett aufgegeben. Auch bei der Luftwaffe erfolgte eine deutliche Reduzierung der bodengebundenen Luftverteidigung. Bei der Marine ist die Anzahl der Schiffe und Boote von ca. 200 auf ca. 40 Einheiten zurückgeführt worden.

Deutschland hat sich gegenüber der NATO verpflichtet, jährlich 2,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Tatsächlich hat es in den Jahren 2002 bis 2020 aber nur 1,1 bis 1,4 Prozent jährlich erreicht, so dass ein erheblicher Fehlbetrag aufgelaufen ist. Mit dem von der neuen Scholz-Regierung Anfang 2022 vorgeschlagenem „Sondervermögen Bundeswehr“ von maximal 100 Milliarden Euro soll diese Lücke jetzt geschlossen werden.

Die Versäumnisse fallen in eine Zeit, als die Grundannahmen für eine regelbasierte Weltfriedenspolitik längst zerbröselt waren. Eine Grundannahme war, von der Stärke des Rechts auszugehen, nicht von dem Recht des Stärkeren; außerdem: die Fähigkeit internationaler Institutionen, globale Probleme kooperativ zu lösen und im Handel den Weg zum Frieden zu sehen. Spätestens bei der einseitigen Krim-Annexion durch Russland und dem Scheitern der Friedensbemühungen im Syrien-Krieg hätte auch der Bundeskanzlerin und ihrem Außenminister klar sein müssen, dass diplomatische Bemühungen nicht mehr ausreichten, um den Ukraine-Konflikt zu lösen, und Putin auch hier die kriegerische Lösung suchen würde. Gleichwohl setzten Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier alles auf eine diplomatische Lösung und versäumten dabei, für der Fall eines Krieges geeignete Maßnahmen zur Ertüchtigung der Streitkräfte zu treffen.

Dafür tragen beide die politische Verantwortung.

Inzwischen hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von über 100 Milliarden Euro angekündigt, um die Bundeswehr angemessen auszurüsten. Die neue Bundesregierung hat damit eine Neubestimmung ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingeläutet, deren Relevanz sich allerdings erst bei der praktischen Umsetzung zeigen wird. Aber schon das ist gegenüber der Merkel-Ära eine grundlegende Zäsur.  

Energiepolitik

Auch für die deutsche Energiepolitik markiert der Ukrainekrieg eine Zäsur. Kein anderes europäisches Land hat sich aus freien Stücken in eine so weitreichende energiewirtschaftliche Abhängigkeit von Russland begeben wie Deutschland. Knapp 55 Prozent unseres Gasverbrauchs, ein Drittel des Öls und rund die Hälfte der in Deutschland verfeuerten Steinkohle stammen aus Putins Reich.

Seit der Krimkrise hat Deutschland fossile Energieträger im Gegenwert von rund 170 Milliarden Euro aus Russland importiert. Deutschland war damit der wichtigste Kunde und die wichtigste Geldquelle für Putin, der damit seine Armee finanzierte, die jetzt über die Ukraine hergefallen ist. Energieexporte machen etwa 60 Prozent der russischen Exporterlöse aus und decken zu 40 Prozent den Staatshaushalt.

Die „strategische Energiepartnerschaft“ mit Russland war eine Grundlinie der deutschen Politik der Merkel-Jahre, schreibt Ralf Fücks in der Tageszeitung DIE WELT vom 22. April 2022.  Darüber gab es einen breiten Konsens zwischen SPD und Union sowie Top-Managern der deutschen Wirtschaft, die auf Öl und Gas aus Russland setzten. Die Verträge für Nord-Stream 2 wurden nach der Annexion der Krim geschlossen. Warnungen aus Osteuropa und aus den USA blieben unbeachtet. Deutlicher konnte man Moskau nicht signalisieren, dass die Ukraine kein Hindernis für eine deutsch-russische Energiekooperation sein würde.

Verbrämt wurde diese Kooperation mit dem Slogan „Wandel durch Handel“. Nord-Stream 2 wurde als privates Projekt und „Friedenspipeline“ verkauft, obgleich von vornherein klar war, dass es um den Ausschluss der Ukraine vom europäischen Gastransit ging. In der mit Nord-Stream 2 weiter steigenden Abhängigkeit vom russischen Erdgas sah die Bundesregierung kein Problem. Es ging ja schließlich um die Absicherung der deutschen Energiewende: Nach dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie wird sich der Bedarf an Energie durch den Ausbau Erneuerbarer Energien, Wärmedämmung und Energieeffizienz in absehbarer Zeit nicht decken lassen. Deshalb ist Erdgas als „Brücke“ unverzichtbar. An Russland als dem wichtigsten Exporteur von Erdgas kommen also weder Deutschland noch die Europäische Union vorbei.

Jetzt ist guter Rat teuer. Im Rahmen der gegen Russland auf die Ukraine verhängten Sanktionen hat die Bundesregierung die Genehmigung für Nord-Stream 2 inzwischen außer Kraft gesetzt. Die Erdgaslieferungen von Russland nach Deutschland laufen aber weiter, weil sie von den Sanktionen ausgenommen sind und für die Energiewende unverzichtbar sind. Außerdem kündigt die deutsche Industrie die „Deindustrialisierung“ an für den Fall, dass ihr das billige russische Gas entzogen wird.

Andererseits fordert die ukrainische Regierung einen kompletten Importstopp für fossile Energien aus Russland, weil Putin die Gaserlöse zur Finanzierung seines Krieges gegen die Ukraine nutzt. Sie befindet sich in einer verzweifelten militärischen Auseinandersetzung mit Russland, in der sie vom Westen mit Waffen und mit wirtschaftlichen Sanktionen gegen Putin unterstützt wird. Das wichtigste Mittel gegen Putin in diesem Wirtschaftskrieg wäre aber der komplette Importstopp von russischem Erdgas, der allerdings für Deutschland wegen seiner Abhängigkeit vom russischen Erdgas nachteiliger sein könnte als für Putin.

 Auch hierfür tragen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier die politische Verantwortung.


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