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Klima und Energiewende : "Der Heizungshammer"
04.12.2023 16:34 (148 x gelesen)

„Der Heizungshammer“

Nach langem Ringen beschloss der Bundestag am 8. September 2023 das umstrittene „Gebäudeenergiegesetz (GEG)“, allgemein als „Heizungsgesetz“ bezeichnet. Damit soll der Ausstieg aus Gas und Öl im Gebäudebereich festgeschrieben werden. Neue Heizungen, die ausschließlich mit fossilen Energien betrieben werden, dürfen im Regelfall ab 2028 nicht mehr eingebaut werden.
Das im Wirtschafts- und Klimaministerium von Robert Habeck formulierte Heizungsgesetz brachte viele Menschen auf die Barrikaden und erhitzt bis heute die Gemüter. Seit Jahren ist es auch ein Ärgernis für die jeweiligen Bundesregierungen.

  1. Die Vorgeschichte

Im Frühjahr 2017 wäre das Gebäudeenergiegesetz fast gescheitert, weil sich Union und SPD in der Großen Koalition nicht einigen konnten. Dabei ging es damals nicht einmal um die Modernisierung des deutschen Heizungskellers, sondern vor allem um die Verschärfung der Standards für neue Häuser. Trotz Krisengesprächen und Koalitionsgipfeln blieb am Ende aber nur die Vertagung des Gesetzes. Im Bundestagswahlkampf Herbst 2017 spielte das Gesetz deshalb keine Rolle.  

 Ein Jahr später – Union und SPD bildeten erneut eine Große Koalition – hatte sich die politische Lage jedoch entscheidend geändert. Die Grünen erzielten beachtliche Erfolge bei Landtagswahlen und freitags gab es regelmäßig Schülerdemos fürs Klima. Das Merkel-Kabinett geriet dadurch zunehmend unter Druck und musste liefern: Im Februar 2019 legte die Bundesumweltministerin den Referentenentwurf für ein Klimagesetzes vor. Einen Monat später wurde ein sog. Klima-Kabinett eingesetzt. Außerdem beschloss die Große Koalition im September 2019 in einer Nachtsitzung ihr „Klimaschutzprogramm 2030“, mit dabei: das beabsichtigte Gebäudeenergiegesetz.

Nach diesen Plänen sollten bereits installierte fossile Heizungen eine Verfallzeit von 30 Jahren haben, dies aber mit vielen Ausnahmen. Der Einbau neuer Ölheizungen nach 2026 war nunmehr verboten. 2020 wurde das Gebäudeenergiegesetz schließlich verabschiedet – gut vier Jahre nach Beginn der ersten Beratungen. Viele Details blieben jedoch offen.

Die Ampelparteien entschieden sich bei ihren Koalitionsverhandlungen Ende 2021, das Gebäudeenergiegesetzes grundsätzlich zu ändern. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir ändern das Gebäudeenergiegesetz wie folgt: Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.“ Nur was unter „erneuerbare Energien“ fallen sollte, ließen sie offen, was allerdings in der Ampelkoalition, im Bundestag und in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort „Technologieoffenheit“ für eine Menge Streit sorgte.

  1. Patrick Graichen

Nach Bildung der Ampelregierung im Jahr 2021 berief der neue Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck den mit ihm befreundeten Patrick Graichen zu seinem Staatssekretär. Diese Personalie sollte für das weitere Schicksal des Heizungsgesetzes von entscheidender Bedeutung sein.

Graichen gehörte zum grünen Netzwerk, das die deutsche Energie- und Klimapolitik maßgeblich geprägt hat. Im Jahr 2001 heuerte er als junger Referent im Bundesumweltministerium an. 2012 ging er zur grünen Denkfabrik „Agora Energiewende“, eine private Stiftung, die nach dem Atomunfall in Fukushima mit dem Geld reicher Mäzene gegründet worden war, und übernahm bald dessen Leitung.

Was an Konzepten aus der „Agora Energiewende“ kam, hatte in Berlin Gewicht. So auch das „Gebäudeenergiegesetz“, für das die Agora schon 2017 mit ihrem Konzept der „Wärmewende 2030“ die maßgebliche Vorlage lieferte. Um die Klimaziele zu erreichen, benötige Deutschland bis zu sechs Millionen Wärmepumpen, hieß es in dem Vorwort von Patrick Graichen zu diesem Konzept.

Im Sommer 2021 veröffentlichte „Agora“ dann ein weiteres Papier zum „Gebäudekonsens für Klimaneutralität“: Danach sollte der Einbau von neuen Gas- und Ölheizkesseln „ab dem Jahr 2024 weitgehend verboten“ werden und die Wärmepumpe als zentraler Wärmelieferant für Gebäude dienen, wie es der spätere Regierungsentwurf auch vorsah.

Der Vorschlag der Agora beruhte auf einem planwirtschaftlichen Ansatz: als Ausgangspunkt diente das Zieljahr der Klimaneutralität. Von diesem Ziel aus wurde „am grünen Tisch“ zurückgerechnet mit dem Ergebnis, dass ab 2024 neue Öl- und Gasheizungen verboten sein mussten. Konsultationen mit der Heizungsbranche, den Zulieferern und Installateuren sowie der Immobilienwirtschaft hielt man für überflüssig.

  1. Der Heiz-Hammer

Zunächst blieb es still um das Heizungsgesetz, bis der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Energiekosten explodieren ließ. Ende März 2022 vereinbarten die Spitzen der Ampelkoalition allerdings nicht nur Entlastungen für die Bevölkerung, eine vorübergehende Senkung der Mineralölsteuer und das Neun-Euro-Ticket, sondern auch eine Verschärfung des Gesetzes dahin, dass schon „ab 1. Januar 2024“ jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollte. Das war die verdeckte Ansage, dass Hauseigentümer zukünftig nur noch Wärmepunpen installieren durften. Nunmehr verfolgten die Ampelparteien mit dem Heizungsgesetz neben dem Klimaschutz auch das Ziel der Energiesicherheit.

Von den neuen Plänen der Ampel, die schon aus der Feder von Graichen stammten, erfuhr die Öffentlichkeit erst (ein knappes Jahr später), als der dazu gehörige Gesetzentwurf an die Bildzeitung durchgestochen und vorzeitig publik wurde. Die Bild-Zeitung machte daraus den „Heiz-Hammer“. Chaos im Heizungssektor und Aufruhr in der Immobilienwirtschaft waren die Folge.  

In dem geleakten Entwurf hieß es, der Einbau von Heizungsanlagen auf Basis fossiler Energieträger – vor allem Gas- und Ölheizungen – sei ab dem 1. Januar 2024 nicht mehr gestattet. Aus der Opposition hagelte es Kritik. Aber auch die FDP zeigte sich empört und pochte auf Technologieoffenheit. Christian Dürr, FDP-Fraktionschef, sagte: „Pauschale Verbote halte ich für falsch – stattdessen sollten wir technologieoffen bleiben und dafür sorgen, dass auch klassische Heizungen in Zukunft klimaneutral betrieben werden können.“

Das Bundeswirtschaftsministerium versuchte zu beschwichtigen: Die Entwürfe, die kursierten, entsprächen nicht dem aktuellen Stand. Doch die Kritik ebbte nicht ab. Von nun an belastete nichts das Klima in der Koalition so sehr wie der Versuch, den künftigen Klimaschutz in Gebäuden zu organisieren. „Bewusst“ sei der Entwurf geleakt worden, „um dem Vertrauen in die Regierung zu schaden“, beklagte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die FDP dagegen sah in den Heizungsplänen eine Zumutung für Millionen Haushalte.

Schließlich sah sich Habeck gezwungen, Graichen als Bauernopfer in den vorläufigen Ruhestand zu schicken. Als Grund dienten aber nicht die gravierenden Fehler des Gebäudeenergiegesetzes, sondern ein „Compliance-Verstoß“ in Zusammenhang mit der Berufung eines Trauzeugen von Graichen, Michael Schäfer, an die Spitze der Deutsche Energie Agentur (DENA).

Die DENA ist ein Unternehmen mit fast 500 Mitarbeitern, das zu 50 Prozent dem Bund und zu 24 Prozent der Förderbank KfW gehört. Zu ihren Aufgaben gehören Dienstleistungen, die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse der Ausgestaltung und Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele der Energiewende dienen. In der Energiepolitik der Bundesregierung, die weitgehend von der „Agora“ bestimmt wurde, war sie zuletzt die einzige regierungsinterne Instanz, die eine eigene, ausdrücklich kritisch-konstruktive Rolle spielte. Mit ihrem Vorsitzenden Andreas Kuhlmann gehörte die DENA-Geschäftsführung auch zu einem der letzten Spitzenposten in der deutschen Energiepolitik, die noch nicht mit einem Grünen besetzt war. Patrick Graichen gedachte, das zu ändern.

  1. Klärung innerhalb der Ampel

Nach wochenlangen Diskussionen in der Ampelkoalition hieß es Ende März 2023 endlich, man habe sich über Ausnahmen geeinigt und den Entwurf abgeschwächt. So sollten die Pflichten beim Neueinbau einer Heizung für über 80-jährige Eigentümer nicht greifen. Außerdem einigte man sich auf eine dreijährige Übergangsfrist. Aus dem Koalitionsausschuss hieß es, der Entwurf werde „von der Bundesregierung im April im Kabinett auf den Weg gebracht, um das Gesetz vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen“.

Und tatsächlich passiert der Entwurf im April das Kabinett. Allerdings mit einer Protokollnotiz von Finanzminister Christian Lindner: Sein Ministerium stimme in dem Bewusstsein zu, dass die Fraktionen des Bundestages „im parlamentarischen Verfahren diesen Gesetzentwurf intensiv beraten und auch weitere notwendige Änderungen vornehmen werden“. So gingen die Diskussionen also weiter.

Knapp zwei Monate später halten die Ampelkoalitionen in einem Papier fest: „Wir werden in dieser Sitzungswoche eine erste Lesung im Parlament vornehmen mit dem Ziel, das Gesetz vor der Sommerpause zu verabschieden.“ Doch von Seiten der FDP-Fraktion hieß es, es bestehe noch Klärungsbedarf. „Als Koalition müssen wir uns im Vorfeld im Klaren sein, was die zentralen Punkte sind“, sagte Fraktionschef Dürr. Erst dann mache es Sinn, das parlamentarische Verfahren anzustoßen. Der Koalitionsstreit spitzte sich wieder zu. Wirtschaftsminister Habeck warf den Liberalen Wortbruch vor.

Ende Mai reichte die FDP dann 77 Fragen beim Wirtschaftsministerium ein. Dabei ging es um Details zum Gesetzentwurf, die von Habeck bei einem anschließenden Treffen mit Vertretern der Koalitionsfraktionen beantwortet wurden. Habeck versuchte, mit Zugeständnissen und Krisentreffen seine Novelle zu retten. Die ursprünglich für jede neu eingebaute Heizung vorgesehene Pflicht, mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien zu nutzen, was den Einbau einer Wärmepumpe bedeutete, wurde auf Neubauten in Neubaugebieten begrenzt. Diese Regelung sollte zudem erst gelten, wenn es im jeweiligen Ort einen kommunalen Wärmeplan gibt. Ohne einen solchen Plan sollen neue Gasheizungen erlaubt bleiben.

Nach weiteren Gesprächen zeigten sich die Ampelparteien zuversichtlich. „Wir nähern uns jetzt wirklich der Zielgeraden“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. In Regierungskreisen hieß es, dass die Novelle auf Grund der erzielten Ergebnisse nur noch 80.000 statt 700.000 Anlagen betrifft. Und tatsächlich konnte Mitte Juni die „Einigung beim Heizungsgesetz“ gemeldet werden. Nach tagelangen Verhandlungen der Ampel-Fraktionen ohne Einigung hatten sich Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner eingeschaltet – mit Erfolg. Es habe ein wenig geruckelt in der Koalition, sagte Scholz anschließend.

  1. Parlamentarisches Verfahren

Am 15. Juni 2023 wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung“ (20/6875) erstmals im Bundestag beraten. Die Initiative war zuvor mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen auf die Tagesordnung gesetzt worden. Nach der Aussprache im Parlament überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung in die Ausschüsse. Das Gesetz sollte noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause im Juni beschlossen werden.

Zum Auftakt der Debatte zitierte Robert Habeck die Worte der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach Politik die Kunst des Möglichen sei. Das könne man so sehen, aber es sei doch eine Beschränkung, die er gerne überwinden würde: Nach seiner Auffassung, so Habeck, sollte Politik die Kunst des Möglichmachens sein. Und das tue die Koalition.

Auf diese Einführung antwortete Jens Spahn (CDU/CSU) mit dem Hinweis, dass der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes „für die Tonne“ sei. Nachdem die Regierung am Dienstag zwei DIN-A4-Seiten mit „Leitplanken“ zur Änderung des Entwurfs vorgestellt habe, „ist es das Papier nicht wert, auf dem er steht. Was Sie hier machen, ist eine Farce.“

Er sollte vorläufig recht behalten. Der Berliner CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, dem Bundestag durch Erlass einer einstweiligen Verfügung die abschließende Beratung und Abstimmung über das Gesetz zu untersagen, wenn der endgültige Gesetzentwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage vorher schriftlich vorgelegen hat. Dem kam das Bundesverfassungsgericht nach und stoppte die für die laufende Woche vorgesehene zweite und dritte Lesung. Entscheidend für die Karlsruher Richter war, dass das Gesetz auch zu einem anderen Zeitpunkt noch verabschiedet werden konnte, ohne das geplante Inkrafttreten zum 01. Januar 2024 zu gefährden.


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