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Energiewende - Rettung durch "Sektorenkoppelung"?
15.06.2016 23:12 (3040 x gelesen)

Energiewende - Rettung durch "Sektorenkoppelung"?

Die Bundesregierung und die grüne Opposition begründen die Energiewende mit der Notwendigkeit, die Emissionen von CO2, die durch das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entstehen, im Interesse des Klimaschutzes zu beenden. Die berufen sich dabei auf die Beschlüsse der Weltklimakonferenz von Paris, auf der sich die internationale Gemeinschaft im Dezember vergangenen Jahres faktisch auf die „Dekarbonisierung“ der Welt bis zum Ende dieses Jahrhunderts verständigt hat.

Das entscheidende Instrument der Bundesregierung für die Energiewende ist das jüngst geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), mit dem der Ausbau von grüner Energie (Wind, Sonne und Biomasse) seit über 15 Jahren großzügig  gefördert wird. Wie erfolgreich dieses Instrument angeblich ist, versucht man mit dem Hinweis zu belegen, dass der Anteil grüner Energie an der Stromversorgung inzwischen bei 30 Prozent des Stromverbrauchs angelangt ist. Es geht der Ökolobby um die Stärkung des Glaubens, dass das Ziel, die fossilen Energieträger in diesem Jahrhundert durch grüne Energie zu ersetzen, durchaus möglich ist.

Was bei dieser Argumentation völlig ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass der Stromsektor nur für einen Bruchteil des deutschen Endenergieverbrauchs insgesamt steht.

Entscheidend für das Klima ist nicht allein der Stromverbrauch, sondern der gesamte Primärenergiebedarf eines Landes. Und dazu gehören alle Treib- und Kraftstoffe für Heizungen, Motoren, Landwirtschaft und Industrieprozesse. Bei deren Verbrennung wird weitaus mehr CO2 freigesetzt als bei der Stromerzeugung.

Nach den Berechnungen des Physikalischen Instituts der Universität Heidelberg lag der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch in Deutschland 2014 bei lediglich 11,1 Prozent. Davon machte die Biomasse etwa die Hälfte aus. Auf die rund 25.000 Windräder entfiel nur ein Anteil von 1,5 Prozent und auf die mehr als eine Millionen Solaranlagen sogar nur ein Prozent. Der Beitrag von Ökostrom zum Klimaschutz ist damit verschwindend gering. Das Physikalische Institut kommt deshalb zu folgendem Ergebnis: "Der bisherige Ausbau der Wind- und Solarenergie ist augenfällig, das bisher Erreichte fällt aber sehr bescheiden aus, gemessen am Gesamtziel einer weitgehend von fossilen Energieträgern unabhängigen Energieversorgung unseres Landes."

Berechnungen der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) kommen zu dem Ergebnis, dass sich der deutsche Stromverbrauch in etwa verfünffachen müsste, von heute rund 600 Terawattstunden auf 3120 Terawattstunden, wenn alle Autos und alle Heizungen in Deutschland  im Jahr 2040 mit Ökostrom betrieben werden. Derzeit bringen es die Ökostromproduzenten insgesamt nur auf 200 Terawatt. Die Energiewende steht also erst am Anfang, und es bedarf weiterer gewaltiger Investitionen und Subventionen, um dem angestrebten Ziel überhaupt näher zu kommen.

In den Ökoverbänden und Berliner Ministerien dämmert es langsam, dass mit der Förderung des Stromsektors durch das EEG das Ziel der Dekarbonisierung nicht zu erreichen ist. Das neue Modewort zu diesem Thema heißt deshalb „Sektorkoppelung“. Gemeint ist damit die Notwendigkeit, auch die Sektoren Heizenergie, Verkehr und Landwirtschaft mit Ökostrom zu versorgen – denn ohne diese Erweiterung wäre die Energiewende gescheitert. „Es geht um eine gigantische Aufgabe, neben der die bisherigen Energiewendebemühungen winzig erscheinen.“ (Daniel Wetzel in DIE WELT vom 11. Juni 2016) Doch was würde dies konkret bedeuten?

Die Produktion von Fahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren müsste in wenigen Jahren komplett auf Elektroautos umgestellt werden. Außerdem müssten sämtlich Öl- und Gasheizungen in den privaten und öffentlichen Gebäuden durch Elektroheizungen ersetzt werden. In der gleichen Zeit wäre der Ausbau von Wind- und Solaranlagen sowie der Stromnetze um das Vielfache zu steigern. Die windreichen Standorte sind jedoch mit Windkraftanlagen längst belegt und der Transport des Ökostroms stößt schon heute an technische Grenzen. Und niemand kann sagen, wie ein Stromnetz aussehen muss, das so gewaltige Mengen an Ökostrom transportieren kann. Außerdem gibt es überall massiven Widerstand gegen den Bau weiterer Windkraftanlagen und Stromnetze. Zudem ist es unrealistisch anzunehmen, dass der Verbraucher die damit verbundenen Kosten weiterhin widerstandslos hinnehmen wird.

Deutschlands Technik-Akademien Leopoldina, Acatech und Union haben in einer gemeinsamen Studie errechnet, dass die  Kosten einer solchen Energiewende "im Bereich von 1000 bis 2000 Milliarden Euro" liegen, wenn der CO2-Ausstoß um 70 oder 85 Prozent gegenüber 1990 reduziert wird. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass solche Klimaziele nur erreicht werden können, wenn alle Wirtschaftssektoren (Energie, Gebäude und Verkehr) auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Auf die nächsten 33 Jahre heruntergebrochen, würden dadurch jährliche Kosten von 30 bis 60 Milliarden Euro oder 1 bis 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entstehen.

Die Deutschen Wissenschaftsakademien beschreiben auch, wie sich die Landschaft verändern würde, wenn das Verhältnis von Energie aus fossilen Brennstoffen (bislang 85 Prozent) und erneuerbaren Energien (bislang 15 Prozent) bis 2050 umkehren würde, um die Treibhausgasemissionen bis dahin um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen erneuerbaren Energieprojekten bräuchte man Hunderte zusätzliche Hektar mit Raps- und Maisfeldern für die Gewinnung von Brennstoffen, 5000 Quadratkilometer Solarflächen und 7000 Quadratkilometer Windparks. Hinzu kämen neue, große Trassen, die den Strom auch dorthin transportieren, wo er gebraucht wird. "Deutschland wäre am Ende ein anderes Land", schreibt Timo Steppat in der FAZ vom 8. Dezember 2017.

Die Bundesregierung gibt inzwischen auch zu, dass Deutschland die für ein solches Programm benötigte erneuerbare Energie selbst gar nicht produzieren kann. Sie setzt deshalb verstärkt auf den Weg der "Energieeffizienz". "Die Energiewende wird nur gelingen, wenn wir die Energieeffizienz auch in Zukunft deutlich und dauerhaft steigern", heißt es im "Klimaschutzplan 2050" der Regierung. Mindestens die Hälfte des Energiebedarfs soll bis 2050 eingespart werden, verkündete das Bundeswirtschaftsministerium Mitte 2017.

Die Steigerung der Energieeffizienz gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht. Schon die Regierungskommission zum Monitoring der Energiewende stellte zu Jahresbeginn 2017 eine "unbefriedigende Entwicklung" in Sachen Effizienzsteigerung fest. Darüberhinaus weist eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nach, dass die "Energieintensität" seit 2005 zwar um 2,2 Prozent pro Jahr besser geworden ist, die Hälfte davon aber auf reine "Struktureffekte" zurückzuführen ist, weil sich die energieintensiven Industrien weniger stark entwickelt haben wie etwa der energiearme Dienstleistungssektor  (Daniel Wetzel in DIE WELT vom 18. Juli 2017). Es sind vor allem die energieintensiven Branchen wie ewa die Chemie-Industrie und die Metallerzeugung, die unter einer deutlichen Wachstumsschwäche gelitten haben.  

Fazit: Auch die „Sektorkoppelung“ ist nicht der Königsweg, um die Energiewende zu retten, weil sie ebenso illusorisch ist wie die Energiewende selbst.


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