Daniel Günther (CDU) und die Grünen
Daniel Günther (CDU)ist seit 2017 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Zunächst führte er eine Jamaikakoalition aus CDU, Grünen und FDP an. Bei der Landtagswahl 2022 konnte Günthers CDU deutlich hinzugewinnen. Seitdem reicht es auch für ein Zweierbündnis. Die FDP flog aus der Regierung und in Schleswig-Holstein regiert seither Schwarz-Grün.
Man wird Günther nicht zu nahetreten, wenn man ihm eine politische Nähe zu den Grünen unterstellt. Während die CSU um Parteichef Markus Söder vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 einem Bündnis mit den Grünen wiederholt kategorische Absagen erteilte, waren für Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther aus CDU-Sicht mehrere Koalitionen denkbar – ausdrücklich auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen. „Bei uns im Land funktioniert Schwarz-Grün reibungslos“, wiederholt der CDU-Politiker bei jeder Gelegenheit.
Zur Begründung verweist Günther gern auf die besondere DNA der Schleswig-Holsteiner, wonach „nicht nur die Menschen, sondern auch die Politik deutlich unaufgeregter mit all den Herausforderungen unserer Zeit umgeht“. Er habe die Hoffnung, „dass der Stil aus Schleswig-Holstein stärker in den Berliner Politikbetrieb herüberschwappt“. Dass mit Außenminister Johann Wadephul und Bildungsministerin Karin Prien gleich zwei Schleswig-Holsteiner im neuen Kabinett vertreten seien, „habe natürlich in erster Linie damit zu tun, dass wir einfach gute Leute haben“, sagte Günther.
Eine solche Selbsteinschätzung ist ungewöhnlich, zumal es in der bisherigen Regierungszeit von Daniel Günther durchaus Pannen und Fehlleistungen gegeben hat. Nur über drei davon soll nachfolgend berichtet werden:
Der Bau der A20
Im Jahr 1992 wurde in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Bau der A 20 begonnen. Es sollte eine leistungsfähige Ost-West-Verbindung von Polen quer durch Norddeutschland bis nach Holland entstehen. Damit sollten die stark frequentierten Autobahnen im Süden entlastet, eine Nordumgehung für Hamburg geschaffen und die Westküste Schleswig-Holsteins gefördert werden.
Von den geplanten 112 Kilometern in Schleswig-Holstein sind inzwischen 39 Kilometer fertiggestellt. Bis kurz vor Bad Segeberg ist die Autobahn seit 2009 fertig und für den Verkehr freigeben. Noch in diesem Jahr könnte mit dem Bau der nächsten zehn Kilometer rund um Bad Segeberg begonnen werden. Der Planfeststellungsbeschluss ist sofort vollziehbar, und die Projektgesellschaft könnte mit dem Bau starten, „sofern es nicht durch erneute Klagen zu einem gerichtlichen Baustopp kommt“, sagte Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen. „Auf den Baubeginn warten seit mittlerweile über drei Jahrzehnten nicht nur die staugeplagten Menschen in der Region, sondern auch die Wirtschaft – und neuerdings auch die Bundeswehr und unsere europäischen NATO-Partner“, so Madsen weiter.
Für die nächsten Bauabschnitte bis Bad Bramstedt gibt es ebenfalls die erforderlichen Planfeststellungsbeschlüsse, die aber wegen Klagen von Umweltverbänden nachgebessert werden müssen. Bei den dann folgenden drei Bauabschnitten bis Glückstadt läuft der Planungsprozess noch. Für den letzten Bauabschnitt, der den Elbtunnel betrifft, ist die Planung zwar abgeschlossen, gegen den Planfeststellungsbeschluss wird aber ebenfalls geklagt.
Der wesentliche Grund für die Verzögerungen ist die mangelhafte Personalausstattung der zuständigen Landesplanungsbehörde. Das Land rechtfertigt dies mit notwendigen Personalkürzungen aus Kostengründen. Infolgedessen fehlte das qualifiziertem Fachpersonal, um die noch offenen Planfeststellungsverfahren und der vielen Klagen und Planergänzungen zeitgerecht bearbeiten zu können. Insofern liegt also ein klares Versäumnis der Landesregierung vor.
Schon Anfang 2019 gestand der schleswig-holsteinische Verkehrsminister: "Bis 2022 wird es auf der Autobahn keinen Spatenstich mehr geben." Für den Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) war dies eine schmerzliche Niederlage. Er hatte im Landtagswahlkampf 2017 versprochen, die Autobahn bis 2022 fertig zu stellen.
Ein weiterer Grund für die Verzögerungen sind erfolgreiche Klagen von Nabu und BUND: So rügte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem, dass mögliche nachteilige Auswirkungen auf geschützte Fledermäuse in den Segeberger Kalkberghöhlen nicht ausreichend untersucht worden seien. Hier hätte es, so das Gericht, einer speziellen Verträglichkeitsprüfung bedurft. Zudem seien Hinweise auf ein Schleiereulen-Vorkommen in der Nähe der Trasse nicht ausreichend beachtet worden. Diese Versäumnisse kamen durchaus den Vorstellungen der Grünen entgegen.
Der E-Highway bei Lübeck
Seit Ende 2018 lassen sich auf einer gut fünf Kilometer langen Strecke der Autobahn zwischen Lübeck und Reinfeld (Kreis Stormarn) E-Lastwagen auftanken ohne anzuhalten – und das voll elektrisch. Finanziert wurde die E-Highway-Teststrecke vom Bundeswirtschaftsministerium mit rund 30 Millionen Euro.
Auf dieser Teststrecke pendelten täglich nur fünf Fahrzeuge der Spedition Bode sowie ein voll elektrischer 29-Tonner zwischen dem Firmensitz in Reinfeld und dem Lübecker Hafen. Neben der Strecke in Schleswig-Holstein gibt es deutschlandweit noch zwei weitere in Hessen und Baden-Württemberg.
Das Projekt hat sich nicht als tragfähig erwiesen und soll jetzt beendet werden. Dazu müssen die Oberleitungen über die A1 abmontiert werden. Doch wer den Abbau übernimmt und wann das passiert, ist bislang ungeklärt. Offen ist auch, was mit den Strommasten passieren soll. An das Ende des Projekts hat beim Start offenbar niemand gedacht.
Zuständig für die Planung, den Betrieb und die Erhaltung der Autobahnen ist die Autobahn GmbH des Bundes. Sie ist dem Bundesverkehrsministerium unterstellt, das sich nicht für zuständig hält, weil das Projekt vom Bundeswirtschaftsministerium des Bundes gefördert wurde. Das Wirtschafts- und Verkehrsministerium in Kiel bedauert das Ende der Teststrecke aus technologischen Gründen und verweist für den Rückbau auf das Bundesverkehrsministerium. „Wir machen das jedenfalls nicht“, betonen die Kieler Ministerien.
Diese Antwort ist das Gegenteil von dem „unaufgeregten politischen Stil“, wie er laut Daniel Günther angeblich in Schleswig-Holstein herrscht.
Northvolt-Debakel
Wie eng die Arbeitsbeziehung zwischen der von Daniel Günther geführten Landesregierung in Kiel und dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gewesen ist, zeigt sich an der inzwischen gescheiterten Ansiedlung des schwedischen Unternehmens Northvolt bei Heide in Schleswig-Holstein.
Der inzwischen insolvente schwedische Batteriehersteller Northvolt aus Nordschweden galt vor einigen Jahren noch als zentrale Hoffnung für die E-Mobilität der deutschen Autoindustrie. In der Erwartung eines Nachfragebooms bei E-Autos expandierte das Unternehmen und suchte auch in Deutschland einen Produktionsstandort, natürlich mit öffentlicher Förderung von Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Landesregierung in Kiel.
Auffallend schnell wurden die notwendigen Entscheidungen getroffen und das Unternehmen wie folgt gefördert:
• Für das Stammwerk in Nordschweden übernahm der Bund 2020 eine Bürgschaft für einen Kredit über 430 Millionen Euro.
• Außerdem verbürgten sich der Bund und Land Ende Oktober 2023 in Höhe von je 300 Millionen Euro für eine Wandelanleihe der KfW, um den Bau der Fabrik bei Heide zu finanzieren. Im Gegenzug hätten Bund und Land Aktien an Northvolt erhalten können, wäre das Projekt erfolgreich.
Inzwischen ist das Unternehmen in der Insolvenz und die investierten öffentlichen Gelder sind vermutlich verloren. Damit stellt sich Frage, wer für den Schaden politisch zu verantworten hat.
Das Northvolt-Projekt haben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen gemeinsam bearbeitet. Der für den Bund zuständige Bundesrechnungshof (BRH) hat in seinem Prüfungsbericht festgestellt, dass Habeck und seine Mitarbeiter „die Risiken für den Bund systematisch“ unterschätzt hätten. Es sei nicht erkennbar, dass das Ministerium „zentrale Annahmen des Unternehmenserfolgs hinterfragte“, heißt es in dem BRH-Bericht. Stattdessen hätte das Ministerium „weitestgehend nach dem Prinzip Hoffnung“ agiert.
Eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für Robert Habeck und Claus Ruhe Madsen, das Investitionsprojekt zu fördern, war ein mittlerweile als geheim eingestuftes Gutachten der Prüfgesellschaft PwC. Darin hielt sich PwC mit konkreten Aussagen zu Erfolgsprognosen zurück und verwies darauf, dass es dazu an „detaillierten Hintergrundinformationen“ fehlt. So soll insbesondere ein Bericht über das dritte Quartal des Jahres 2023 gefehlt haben, der für das Unternehmen massive Verluste verzeichnete. Dabei wäre es für das Ministerium einfach gewesen, sich diese Informationen zu beschaffen.
Das unzureichende Wissen über das Unternehmen Northvolt gab es nicht nur in der Landesregierung, sondern auch im Landtag. Die Abgeordneten kannten zum Beispiel weder Details zu Produktionsmengen noch zu Problemen in den einzelnen Werken.
Immerhin hat die Landesregierung mittlerweile Northvolt-Akten freigegeben, doch vieles ist geschwärzt – mit Verweis auf die Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens. Deshalb fordern Finanzausschuss und Landesrechnungshof mehr Transparenz: Denn noch immer ist unklar, wer wann was wusste oder nicht wusste!