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Wirtschaftspolitik : Sind Investitionen der Motor des Wirtschaftswachstums ?
25.07.2025 20:10 (34 x gelesen)

Sind Investitionen der Motor des Wirtschaftswachstums?

Die deutsche Wirtschaft befindet sich zur Zeit in einer kritischen Lage. Im Jahr 2024 ist das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt erneut geschrumpft. Das Statistische Bundesamt erklärte dazu: „Konjunkturelle und strukturelle Belastungen standen im Jahr 2024 einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Wege. Dazu zählen zunehmende Konkurrenz für die deutsche Exportwirtschaft auf wichtigen Absatzmärkten, hohe Energiekosten, ein nach wie vor erhöhtes Zinsniveau, aber auch unsichere wirtschaftliche Aussichten. In diesem Umfeld schrumpfte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024 erneut."

Demgegenüber wächst der Sozialstaat so stark wie fast noch nie. Steigende Ausgaben für Arbeitslosigkeit, Pflege und Krankheit haben auch 2024 für einen starken Anstieg der Sozialausgaben gesorgt. Das sogenannte Sozialbudget, die Summe aller Ausgaben für soziale Zwecke, erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um gut 83 Milliarden Euro, d.h. um 6,6 Prozent.  

Die Gesamtausgaben für Soziales erreichten damit 2024 einen neuen Höchststand von 1.345,4 Milliarden Euro, dem ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 von 4.305,3 Milliarden gegenübersteht. Das bedeutet: Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt hat sich weiter auf 31,2 Prozent erhöht. Und die Staatsquote, d.h. das Verhältnis aller Staatsausgaben zum BIP, ist auf 49,5 % angestiegen. Jeder zweite Euro landet inzwischen in den Händen des Staates. 

Unter solchen Umständen sind die Absicht und das Versprechen der neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz, die Wirtschaft mit einer unternehmensfreundlichen Wirtschaftspolitik und kreditfinanzierten Infrastrukturprojekten wieder auf Wachstumskurs bringen, ein mutiges und riskantes Unterfangen. Entscheidend für das Gelingen wird vor allem sein, ob die Regierung die Unternehmer davon überzeugen kann, dass ihre Wirtschafts- und Fiskalpolitik richtig und angesichts der Lage alternativlos ist. „Moral suasion“, die psychologische Beeinflussung der Wirtschaft mit den Mitteln der Überzeugung und Überredens, steht deshalb am Anfang.  

Moral Suasion

„Moral suasion“ gehört zu den Steckenpferden von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Seit 2018 veranstaltet er jährlich im Schloss von Versailles unter dem Label „Choose France“ ein Investorentreffen, zu dem Wirtschaftsführer aus aller Welt eingeladen werden. In Diskussionsrunden, bilateralen Gesprächen und bei einem Galadinner im Spiegelsaal animiert Macron dort die Wirtschaftsführer, in Frankreich zu investieren. Für Frankreich hat sich dies ausgezahlt: Nach dem Stimmungsbarometer der Beratungsgesellschaft EY war Frankreich in den letzten Jahren Europas beliebtester Standort für ausländische Investoren. 

Friedrich Merz (CDU) hat dieses Vorbild aufgegriffen: Am 21. Juli 2025 trafen sich deshalb Vertreter von Dax-Konzernen, die sich zur Initiative „Made for Germany“ zusammengeschlossen haben, im Bundeskanzleramt, um gemeinsam für den Standort Deutschland zu werben. „Deutschland ist zurück, es lohnt sich, wieder in Deutschland zu investieren“, sagte Merz nach dem rund einstündigen Treffen. 631 Milliarden Euro wollen die der Initiative angehörigen Unternehmen bis 2028 in Deutschland investieren. Ein dreistelliger Milliardenbetrag davon sollen zusätzliche Investitionen sein. 

Das sollte aber nur der Anfang sein: Kritik, es handele sich um eine Showveranstaltung, wies der Regierungssprecher zurück: „Das ist keine PR-Aktion, sondern eine konzertierte Aktion.“ Zu konkreten Projekten war laut FAZ jedoch wenig zu erfahren. Ein Vergleich der von den Unternehmen zugesagten Investitionen von 631 Milliarden Euro bis 2028 mit den allein in 2024 getätigten Investitionen (ohne Wohnungsbau) von 493 Milliarden Euro zeigt allerdings, dass die Initiative wohl keinen zusätzlichen Wachstumsimpuls auslösen wird. „Ich würde den Effekt solcher Initiativen so einschätzen, dass er kaum über den heutigen PR-Tag hinausreicht“, kritisierte der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Stefan Kooths in der FAZ.  

Kritisiert wurde zudem, dass auf dem gemeinsamen Bild des Treffens nur eine einzige Managerin zwischen den Männern in blauen und dunklen Anzügen zu sehen war und der deutsche Mittelstand, der in Politikerreden doch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist, überhaupt nicht vertreten war.  Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, stellte dazu klar: „Die wahren Kräfteverhältnisse in der deutschen Wirtschaft sind umgekehrt: 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen, sie stellen 60 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland. Sie sind somit entscheidend für den Standort Deutschland.“ 

Verhaltene Investitionstätigkeit der Unternehmen

Die seit 2022 andauernde Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft wird von Ökonomen vor allem auf die zu geringe Investitionstätigkeit zurückgeführt. Die Unternehmen scheuen wegen der lahmenden Binnenwirtschaft und der außenwirtschaftlichen Unsicherheiten Investitionen in die Erweiterung und Modernisierung ihrer Produktionskapazitäten. Auch der kriselnde Wohnungsbau hat seine Investitionstätigkeit reduziert. 

Die Privatwirtschaft investiert fast viermal so viel wie die öffentliche Hand. Für die Belebung der Wirtschaft kommt es deshalb entscheidend auf die Investitionen der Privatwirtschaft an, die schon seit 2019 rückläufig sind. Gegenüber 2019 investierten die Unternehmen im Jahr 2024 fast sechs Prozent weniger in Ausrüstungen (Maschinen, Fuhrpark etc.). Das Minus im gewerblichen Wirtschaftsbau betrug sogar 14 Prozent. Die Ursachen dieser Entwicklung sehen Ökonomen bei den zu hohen Unternehmenssteuern, der staatlichen Überregulierung und den hohen Sozialabgaben. 

Aus Sicht der Familienunternehmen werden die bisher von der neuen Regierung beschlossenen Maßnahmen nicht dazu führen, dass Unternehmen hierzulande wieder mehr investieren, glaubt Rainer Kirchdörfer. „Wir brauchen mehr Tempo und deutlich breiteren Reformansatz. Die gesamten Rahmenbedingungen in Deutschland müssen auf den Prüfstand.“ 

Die Investitionsschwäche im Inland findet ihr Spiegelbild bei den grenzüberschreitenden Investitionen. Seit 2021 hat sich der Umfang der ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland mehr als halbiert. Parallel dazu haben sich aber auch die deutschen Direktinvestitionen im Ausland halbiert. Die Deutsche Bundesbank erklärt diese grenzüberschreitende Investitionsschwäche vor allem mit den internationalen Unsicherheiten. 

Staatliche Infrastrukturoffensive 

Die neue Bundesregierung setzt zur Beseitigung der Investitionsschwäche und zur Belebung der Wirtschaft vor allem auf öffentliche Investitionen in die jahrelang vernachlässigte Infrastruktur und Bundeswehr. Hierzu hat der Deutsche Bundestag noch vor Bildung der neuen Bundesregierung mit den Stimmen von Union, SPD und Grüne ein umfangreiches Finanzpaket mit folgenden Regelungen beschlossen: 

•    Die grundgesetzlichen Schuldengrenze wurde dahin geändert, dass Ausgaben für die Bundeswehr, die über ein Prozent des BIP hinausgehen, bei der Schuldengrenze nicht angerechnet werden. 
•    Außerdem wurde die Einrichtung eines auf zwölf Jahre ausgelegten, schuldenfinanzierten Sondervermögens des Bundes mit einem Umfang von 500 Milliarden Euro beschlossen. Davon sind jedoch 100 Milliarden Euro direkt für Länder und Kommunen und weitere 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für den Klimaschutzprojekte vorgesehen. Aus diesem Sondervermögen soll die Finanzierung von Infrastrukturprojekten erfolgen.
•    Zudem plant die Bundesregierung, privatwirtschaftliche Investitionen steuerlich durch Abschreibungsvergünstigungen, Verkürzung der Planungsfristen und Freistellung von bürokratischen Auflagen zu fördern. 

Mit den geplanten und schuldenfinanzierten Mehrausgaben für Infrastruktur und Bundeswehr will die Bundesregierung der lahmenden Konjunktur im keynesianischen Sinn einen wirksamen Nachfrageschub geben. Es ist dieser kurzfristige konjunkturelle Effekt, auf dem die Erwartung der Bundesregierung beruht, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr auch an Wachstum zulegen wird. Der Zeitpunkt dafür dürfte richtig gewählt sein: Die Kapazitäten in der Wirtschaft sind wenig ausgelastet, so dass nicht befürchtet werden muss, dass der staatliche Nachfrageschub direkt in die Preise geht und private Wertschöpfung verdrängt.  

Die Politik wird sich allerdings nicht lange auf diesem keynesianischen Nachfrageeffekt ausruhen können, weil die Produktionskapazitäten der Wirtschaft angesichts der Größenordnung des geplanten Nachfrageschubs schnell ausgeschöpft sein werden. Einige Bereiche, wie zum Beispiel der Tiefbau oder die Rüstungsindustrie, arbeiten bereits heute an der Kapazitätsgrenze: Eine zusätzliche Nachfrage nach Tiefbauleistungen wird deshalb schnell zu Preiserhöhungen führen. Und ein plötzlicher Auftragsschub bei den Rüstungsgütern wird nicht im Inland landen, sondern im Ausland und damit zu höheren Importen führen.   

Es ist nicht korrekt, wenn der Bundeskanzler und sein Finanzmister die für die Infrastruktur und Verteidigung aufzunehmenden Schulden generell als Wachstumspaket verkaufen. Die Schuldenaufnahme ist notwendig, weil in der Vergangenheit versäumt wurde, aus dem ordentlichen Bundeshaushalt Mittel für die erforderliche Infrastruktur und die Verteidigungsfähigkeit des Landes bereit zu stellen. Stattdessen hat man großzügig soziale Wohltaten verteilt, wie am ständigen Steigen des Sozialbudget deutlich zu erkennen ist. 

Es ist vor allem nicht korrekt, die Aufrüstung der Bundeswehr als eine Maßnahme der Wachstumspolitik zu bezeichnen. Die Aufwendungen für die Bundeswehr sind ökonomisch und fiskalisch volkswirtschaftliche Kosten des Landes für die Sicherheit nach außen, aber kein langfristiger Wachstumstreiber der Volkswirtschaft. Sie gehören deshalb nicht zu den staatlichen Investitionen, die dauerhaft Wachstum schaffen, sondern sie erhöhen den Staatskonsum. 

Zudem gilt für die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, „dass es sich auf Sicht von vielen Jahren vor allem um die Sanierung von Verkehrswegen gehen wird. Überwiegend wird Wachstumspotential erhalten, nicht aber neu oder zusätzlich geschaffen. Ein Wirtschaftswunder, eine dauerhaft kräftigere wirtschaftliche Entwicklung, darf man sich von den neuen Staatsschulden deshalb kaum erwarten“, schreibt Patrick Welter in der FAZ vom 22. Juli 2025. Welter kommt zu dem Ergebnis: 

„Was im Programm der Regierung wirklich Wachstum schafft, sind die versprochenen Steuersenkungen, die versprochene Deregulierung oder die versprochene Senkung der Sozialabgaben.“ Mit diesen Reformen tut sich die Koalition aus Union und SPD aber besonders schwer. 


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