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Klima und Energiewende : Boris Palmer - vom Saulus zum Paulus
21.08.2025 19:49 (8 x gelesen)

Boris Palmer - vom Saulus zum Paulus

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, der sich z.Zt. um seine Wiederwahl bemüht, schreibt in einem Gastbeitrag der Tageszeitung DIE WELT vom 20. August 2025: „Die Klimawende schadet mehr, als sie nutzt. Deutschlands Klimapolitik muss neu ausgerichtet und auf Kosteneffizienz getrimmt werden. Drei Länder in Europa (Frankreich, Norwegen, Schweiz) machen es deutlich besser als wir.“

Als Oberbürgermeister ist Boris Palmer klimapolitisch vor allem durch seine lokalen Aktivitäten bekannt geworden: Dazu zählen der Ausbau des Radverkehrs, die Entsiegelung von Flächen und Investitionen in erneuerbare Energien. Palmer führte in Tübingen höhere Parkgebühren für SUVs ein, angeblich um den ÖPNV zu stärken, und ließ eine Verpackungssteuer auf Einwegprodukte beschließen, die zur Müllreduktion beitragen sollte.  

Palmer steht der deutschen Energiewende kritisch, aber nicht ablehnend gegenüber. Er betont allerdings, dass Klimaschutz ökonomisch und sozial tragfähig sein muss, um breite Akzeptanz zu finden. Der Klimaaktivistin Luisa Neubauer warf Palmer vor, sie betreibe den Klimaschutz mit totalitärer Rhetorik als Angriff auf das Wohlstandsmodell und überschreite damit eine Grenze.

In seinem Beitrag in DIE WELT begründet Boris Palmer seine grundsätzliche Kritik an der bisherigen Klimapolitik und die Notwendigkeit eines kompletten Neuanfangs wie folgt:  

Eine überholte These

Zunächst räumt Boris Palmer mit einer Grundüberzeugung der Grünen und ihrer ökologischen Vordenker, wie z.B. Ernst von Weizsäcker und Hermann Scheer, auf, wonach Energie zu billig sei und der Verbrauch von Strom, Öl und Gas durch eine ökologische Steuerreform verteuert werden müsste. Heute besteht ein nahezu universeller Konsens, dass Energie in Deutschland zu teuer ist und dadurch die Deindustrialisierung mit ihren negativen Folgen voranschreitet. Die alte These, dass nur hohe Preise der Verschwendung von Energie entgegenwirken, ist also „mausetot“, schreibt Boris Palmer. 

Mit der Aufgabe der alten These ist das reale Kostenproblem der alternativen Energien aber nicht erledigt. Das sieht auch Boris Palmer so: Um die Verbraucher nicht zu überfordern, subventioniert der Bund die alternativen Energien mit jährlichen Subventionen in Höhe von 20 Milliarden Euro. Und das genügt nicht einmal: Die derzeitige Koalitionsregierung will außerdem die Stromsteuer absenken und die Netzentgelte übernehmen, damit Strom für die Verbraucher noch billiger wird. Selbst von Seiten der Grünen gibt es dagegen keinen Widerspruch. Offensichtlich haben auch sie sich von der alten These verabschiedet, dass Energie zu billig ist. 

Den wichtigsten Grund für diesen Paradigmenwechsel sieht Boris Palmer in der „anhaltenden Krise der deutschen Wirtschaft, die allmählich mit voller Wucht in den öffentlichen Haushalten ankommt“. Es sind insbesondere die energieintensiven Branchen, für die die Energiekosten der entscheidende Standortnachteil sind. Und damit rücken nach Meinung von Boris Palmer nicht nur die grüne Ideologie mit dem Fokus auf regenerativen Energien, sondern auch die für den Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 prognostizierten Gesamtkosten von mehreren Billionen Euro in das Zentrum der Debatte.   

Das Ergebnis dieser Debatte fasst Boris Palmer am Schluss seines Beitrages in dem Satz zusammen: „Die Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne die Wirtschaft ist alles nichts.“ Ein Deutschland, das ökonomisch, sozial und geopolitisch immer mehr an seine Grenzen gerät, wird nicht mehr imstande sein, „eine umstrittene Vorbildrolle bei Klimaschutz und Energiewende einzunehmen, wenn diese nicht bezahlbar erscheint“, sagt Boris Palmer. Für ihn ist es deshalb an der Zeit für eine ehrliche Bestandsaufnahme und eine starke Fokussierung auf Kosteneffizienz. 

Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt nach seiner Auffassung, dass die deutsche Energiewende keineswegs die kostengünstigste Form des Klimaschutzes ist. Abgeschriebene Atomkraftwerke sind zum Beispiel eine Möglichkeit, Strom und Wärme weitgehend ohne Emissionen von Kohlendioxyd zu produzieren, und zwar eine sehr preiswerte. Das ist der entscheidende Grund, weshalb z. B. in Frankreich der Strom billiger ist – und zugleich die Treibhausgasemissionen geringer sind als bei uns. 

Boris Palmers Ideen und Vorschläge

Boris Palmer moniert, dass der weitere Ausbau erneuerbarer Energien ineffizient ist, wenn das Stromnetz nicht entsprechend mitwächst. Allein die Kosten des verspäteten Leitungsbaus werden bis zur Fertigstellung der Stromautobahnen deren Baukosten übertreffen. Und diese liegen bereits 30 Milliarden Euro höher, als wenn sie unterirdisch verlegt werden. Laut Koalitionsvertrag der neuen Regierung sollen Freileitungen nur „wo möglich“ gebaut werden. „Gilt das denn auch für Bayern?“, fragt Boris Palmer. 

Voll funktionsfähige Anlagen zur Erzeugung von Energie aus Klimagründen stillzulegen, ist für Boris Palmer ineffizienter Klimaschutz. Der Abbruch eines modernen, mit großen Schwierigkeiten durchgesetzten, dann aber kaum zehn Jahre lang genutzten Kohlekraftwerkes in Hamburg ist für Boris Palmer unverständlich. Die Technik, Kohlendioxid am Kraftwerk abzuscheiden (CCS), ist vorhanden und billiger als neue Atomkraftwerke. Technologieoffenheit sollte heißen, solche Optionen nüchtern zu rechnen: Was kommt uns billiger? 

Dasselbe gilt für ihn auch „für das Verbot des Herzstücks der deutschen Industrie“, d.h. des Verbrennungsmotors in Automobilen. Ein derart disruptiver Ausstieg – wie Boris Palmer ihn für Baden-Württemberg diagnostiziert - führt für ihn zwangläufig zu Strukturbrüchen, Wohlstandsverlusten und ist wesentlich teurer als ein planbarer und gezielter Einstieg in neue Technologien. 

Generell ist fehlende Planungssicherheit auf Seiten des Staates für die Wirtschaft ein stetiger und gewaltiger Kostentreiber: Die deutsche Solarindustrie ist z.B. erst durch massive staatliche Subventionen groß geworden und inzwischen längst wieder verschwunden. Für die anfangs stark geförderte Windkraftindustrie war der „Schweinezyklus“ mit Auftragseinbrüchen von bis zu 80 Prozent nicht weniger anspruchsvoll, wenn auch bisher nicht ganz so desaströs im Ergebnis. Bei den heute boomenden Solaranlagen und Windrädern könnte schon bald der nächste Einbruch folgen, wenn nämlich die Regierungskoalition beschließen sollte, den weiteren Zubau von Erzeugungskapazitäten zu stoppen.  

Boris Palmer kritisiert, dass Klimaschutz mit dem Wahlspruch „Follow the science“ zu isoliert gedacht wird und suggeriert, es ließe sich aus den Erkenntnissen der Klimaforscher unmittelbar ableiten, welchen Emissionspfad die Welt und Deutschland gehen müssen. Ein solches Denken ignoriert zum einen die Unsicherheiten im Hinblick auf die Erwärmung der Erde und zum anderen die vielfältigen Abhängigkeiten des Klimaziels von menschlichem Handeln und ökonomischen Reaktionen. Klimaschutz ist also keine eindimensionale Gleichung, sondern ein multifaktorielles Optimierungsproblem. 

Zunächst wird ein neuer Zielkonsens benötigt. In einer Welt, in der Putin Krieg führt und Trump den Welthandel stört, ist für Boris Palmer die Umsetzung globaler Abkommen zum Klimaschutz nicht mehr zu erhoffen. „Wir sind gezwungen, Wirtschaft und Verteidigung auch unter hohem Einsatz klimaschädlicher Energie zu stabilisieren.“ Dies bedeutet, dass die konsequente Verteilung von CO2-Budgets auf Wirtschaftsbereiche im aktuellen weltpolitischen Umfeld nicht mehr zu halten ist, sagt Boris Palmer. „Die Erfüllung der Klimaschutzziele um den Preis dauerhafter wirtschaftlicher Stagnation und Deindustrialisierung ist keine Verheißung.“

An diesem Punkt ist insbesondere die „Fridays for Future“-Bewegung gefordert, schreibt Boris Palmer. „Die Verabsolutierung und Moralisierung des Klimaschutzes schadet mehr als sie nutzt. Klimaschutz muss stärker als Mehrheits- und Menschheitsthema begriffen werden, nicht als gemeinsamer Nenner der Kämpfer gegen Kapitalismus und für offene Grenzen.“


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