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Europäische Krisen : Der Kulturkampf in den USA
12.09.2025 13:00 (17 x gelesen)

Der Kulturkampf in den USA

Einleitung

Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten seit jeher als ein Land, in dem Freiheit, Individualismus und Demokratie zentrale Werte darstellen. Doch diese Werte sind keineswegs statisch, sondern werden seit Jahrzehnten im Spannungsfeld politischer, sozialer und kultureller Auseinandersetzungen immer wieder neu verhandelt. Besonders in den letzten Jahren hat sich ein scharfer Kulturkampf entwickelt, der das politische und gesellschaftliche Leben in den USA prägt. Fragen von Identität, Religion, Geschlecht, Rasse und Geschichte stehen dabei im Zentrum.

Historische Wurzeln des Kulturkampfes

Die Idee eines Kulturkampfes in den USA ist nicht neu. Anfangs bestimmten die weißen, angelsächsisch-protestantischen Amerikaner die kulturellen Normen: Sprache, Religion, Arbeitsmoral und Familienwerte. Doch bereits im 19. Jahrhundert prallten verschiedene kulturelle Strömungen aufeinander: Die konservativen protestantischen Werte gerieten in Konkurrenz zu den kulturellen Werten der Einwanderer und dem wachsenden Säkularismus in den Städten.

Auch die liberalen Auseinandersetzungen um die Bürgerrechtsbewegung in den 1950er- und 1960er-Jahren (Civil Rights, Black Lives Matter), die Debatten um den Vietnamkrieg oder um Feminismus und sexuelle Befreiung in den 1970er-Jahren trugen zu einer gesellschaftlichen Polarisierung bei. Andererseits war die politische Mobilisierung der sogenannten „Religious Right“ seit den 1980er-Jahren, die christlich-konservative Werte offensiv in den politischen Diskurs einbrachte, ein entscheidender Grund fü die wachsende Polarisierung. Themen wie Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe oder die Rolle der Religion in Schulen bildeten zentrale Streitfelder.

Außerdem wurde der offene und verdeckte Rassismus, offenbar ein Geburtsfehler der amerikanischen Demokratie, nie wirklich überwunden. Obwohl es sich um das Einwanderungsland par excellence handelt, lässt sich derzeit mit Fremdenfeindlichkeit und Furcht vor Migration wirkungsvoll Propaganda machen. 
 

Aktuelle Brennpunkte

Heute manifestiert sich der Kulturkampf in verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Debatten:

1.    Identitätspolitik und „Wokeness“: Besonders seit den Protesten im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung 2020 rückte die Frage nach Rassismus und sozialer Gerechtigkeit stärker in den Fokus. Konservative Stimmen kritisierten diese Entwicklung als „übertrieben“ oder „spaltend“ und werfen linken Bewegungen vor, eine „Cancel Culture“ zu fördern.

2.    Bildungssystem: Ein besonders heftig umkämpftes Feld ist die Schule. Streit entzündet sich z. B. an der Frage, ob Themen wie systemischer Rassismus, Genderidentitäten oder sexuelle Vielfalt im Unterricht behandelt werden sollen. Konservative Bundesstaaten haben Gesetze erlassen, die den Unterricht zu diesen Themen einschränken.

3.    Gender und LGBTQ+-Rechte: Transgender-Rechte, die Nutzung von Toiletten nach Geschlechtsidentität oder die Teilnahme von Trans-Personen im Sport sind hochumstrittene Themen. Während progressive Kräfte auf Gleichberechtigung drängen, sehen konservative Gruppen darin eine Bedrohung traditioneller Werte.

4.    Abtreibung: Das Urteil des Supreme Court im Juni 2022, das „Roe v. Wade“ aufhob, hat den Kulturkampf erneut verschärft. Nun liegt die Entscheidung über Abtreibungsrechte bei den Bundesstaaten, was zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen führte.

5.    Medien und digitale Räume: Der Kulturkampf wird heute maßgeblich über soziale Medien ausgetragen. Plattformen wie Twitter (heute X), TikTok oder Facebook verstärken polarisierende Tendenzen und schaffen Echokammern, in denen politische und kulturelle Narrative radikalisiert werden. 

6.   Museen, Bibliotheken und Forschungseinrichtungen: Die USA feiern im kommenden Jahr ihre vor 250 Jahren erkämpfte Unabhängigkeit von Großbritannien. Dieses Ereignis nimmt Trump zum Anlass, aktiv in die Erinnerung an die Geschichte der USA einzugreifen. Dazu gehört z. B. ein Brief an das Smithsonian in Washington, dem das Weiße Haus eine "interne Überprüfung" aller Inhalte und Aktivitäten angekündigt hat. Ziel der Regierung sei es, eine "vereinende, historisch akkurate Darstellung" der amerikanischen Geschichte sicherzustellen. 

7.   Wissenschaft: Für die radikalen Konservativen in den USA ist die Wissenschaft eine Macht, die bekämpft werden muss (War on Science). Da sind zum einen fundamentalistische religiöse Gruppen, die wissenschaftliche Aufklärung als Teufelswerk brandmarken, und da ist zum anderen der Kampf gegen die Zentralregierung, die sich wissenschaftlich beraten lässt. Die unterschiedlichen Flügel der konservativen Bewegung verbindet eine Wahrheit: Die Bundesregierung ist viel zu mächtig geworden, und die Wissenschaft ist ein Instrument dieser Macht, die bekämpft werden muss. 

8.   Waffen und Männlichkeit: Auf verlorenem Posten im Kulturkampf der USA sind seit jeher die Stimmen, die eine Einschränkung des privaten Waffenbesitzes oder ein entschlossenes Vorgehen gegen Polizeigewalt fordern. Mit der American Rifle Association hat die Waffenlobby eine mächtige Institution. Nichts kennzeichnet den amerikanischen Kulturkampf auf konservativer Seite besser als der "weiße Mann mit der Schusswaffe in der Hand". 

Politische Dimensionen

Die Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verschärft. Kulturelle Fragen sind dabei oft wichtiger als klassische wirtschaftliche Themen. Während die Demokraten stärker progressive Werte wie Diversität und soziale Gerechtigkeit betonen, setzen Republikaner auf den Schutz traditioneller Familienstrukturen, religiöser Werte und nationaler Identität.

Donald Trump spielte als Präsident (2017–2021) eine entscheidende Rolle, indem er den Kulturkampf rhetorisch verschärfte. Nach seiner erneuten Wahl 2025 verstärkte er seine Angriffe: Themen wie „Gender Ideologie“, „biologische Realität“, DEI-Programme werden stärker angegriffen. Seine Anhänger sehen in ihm den Kämpfer gegen „politische Korrektheit“ und „liberale Eliten“, während seine Gegner ihn als Spalter betrachten.

Gesellschaftliche Folgen

Die Folgen des Kulturkampfes sind tiefgreifend. Umfragen zeigen, dass viele Amerikaner nicht nur in politischen Fragen uneins sind, sondern auch in Fragen des Alltags: Welche Medien sie konsumieren, welche Schulen sie wählen, sogar in welchen Vierteln sie leben. Das Vertrauen in Institutionen wie den Supreme Court, die Medien oder das Bildungssystem ist stark gesunken.

Zudem verstärkt sich eine Tendenz zur geografischen und kulturellen Segregation: Konservative Menschen leben eher in ländlichen Regionen oder im Süden der USA, progressive eher in Großstädten und an den Küsten. Dieses Phänomen wird auch als „The Big Sort“ bezeichnet.

Ausblick

Der Kulturkampf in den USA wird voraussichtlich nicht so bald abflauen. Vielmehr könnte er sich im Verlauf der Präsidentschaft von Donald Trump und darüber hinaus sogar noch intensivieren. Themen wie Migration, Klimapolitik und technologische Umbrüche (z. B. durch Künstliche Intelligenz) könnten weitere Konfliktlinien schaffen.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es Brücken zwischen den Lagern geben kann. Einige Stimmen plädieren für eine Rückkehr zu pragmatischer Politik, die gemeinsame Probleme wie Infrastruktur oder Gesundheitsversorgung in den Vordergrund stellt. Andere befürchten jedoch, dass die kulturelle Spaltung zu tief ist, um in absehbarer Zeit überwunden zu werden.

Fazit

Der gegenwärtige Kulturkampf in den USA ist das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung, die sich an neuen gesellschaftlichen Konflikten entzündet hat. Er zeigt, wie sehr kulturelle Identität und Wertefragen die politische Landschaft bestimmen. Ob es gelingt, eine Balance zwischen Tradition und Fortschritt zu finden, wird entscheidend für die Zukunft der amerikanischen Demokratie sein.


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