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Wirtschaftspolitik : Die Wahl zwischen Strohfeuer oder Wachstum !
20.10.2025 00:11 (23 x gelesen)

Die Wahl zwischen Strohfeuer oder Wachstum! 

Die deutsche Wirtschaft befindet sich zurzeit in einer äußert kritischen Lage: Nach zwei Jahren ohne Wirtschaftswachstum wird für das laufende Jahr eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von nur 0,2 zum Vorjahr erwartet. „Die deutsche Wirtschaft tritt damit auf der Stelle. Andere Volkswirtschaften wachsen“, sagte Wirtschaftsministerin Katharina Reiche dazu. 

Für die kommenden zwei Jahre rechnen die großen Wirtschaftsforschungsinstitute DIW Berlin, Ifo München, IfW Kiel, IWH Halle und RWI Essen in ihrer Gemeinschaftsdiagnose mit einem BIP-Zuwachs von 1,3 und 1,4 Prozent. Allerdings kommen die Konjunkturforscher zu dem Schluss, dass das Wachstum nicht nachhaltig sein wird: „Die Binnenwirtschaft kommt spürbar in Fahrt, allerdings werden die strukturellen Probleme nur kaschiert“, heißt es. Die Gründe dafür: Grundlegende standortstärkende Reformen bleiben aus, die Energie- und Lohnstückkosten bleiben im internationalen Vergleich hoch, Fachkräfte fehlen, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit sinkt. 

Außerdem kritisieren die Institute die Art und Weise, wie die Bundesregierung mit den finanziellen Spielräumen umgeht, die sie sich durch das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen sowie die Öffnung der Schuldenregel für Verteidigungsausgaben geschaffen hat. Daraus entstünden zwar wirtschaftliche Impulse. Diese führten aber nicht zu einer Steigerung des auf 0,6 Prozent geschrumpften Potenzialwachstums, das anzeigt, wie die Wirtschaft unter normaler Auslastung wächst. „Die Perspektiven verschlechtern sich, was sich auch in voraussichtlich sinkenden Wachstumsraten des Produktionspotenzials widerspiegelt“, bilanzieren die Forscher. 
 

Was will die Bundesregierung erreichen?

Bei der Regierungsübernahme stellte Bundeskanzler Friedrich Merz schon für den Sommer 2025 eine wirtschaftliche Trendwende hin zum Besseren in Aussicht. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Nach der Herbstprojektion der Wirtschaftsforschungsinstitute geht auch die Bundesregierung davon aus, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr nur mit einem BIP-Plus von 0,2 Prozent abschließen wird. Das bedeutet wirtschaftliche Stagnation. “Die deutsche Wirtschaft tritt seit 2019 auf der Stelle“, konstatierte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Deutschland drohe zurückzufallen. „Wir müssen um unseren Wohlstand kämpfen.“ 

Katherina Reiche rechnet angesichts der geopolitischen Krisen nicht mehr damit, dass die Nachfrage aus dem Ausland die deutsche Wirtschaft wie früher wieder nach oben zieht. Ein Hoffnungsschimmer ist aus Sicht der Bundeswirtschaftsministerin allerdings die Tatsache, dass im August die Inlandsaufträge zulegten, auch als Folge zunehmender Bestellungen für Rüstungsgüter.

Die Regierung setzt jetzt darauf, dass die deutsche Wirtschaft mit den geplanten Investitionen in das Straßen- und Eisenbahnnetz wieder Fahrt aufnehmen wird. „Es sind die öffentlichen Investitionen, die den Wachstums-Boost geben“, sagte Reiche mit Blick auf die beschlossenen Finanzpakete für die Infrastruktur, den Klimaschutz und die Bundeswehr. Um langfristiges Wachstum zu sichern, müsse jedoch der Reformstau aufgelöst werden. „Unsere Wirtschaft muss stärker wachsen als die Sozialausgaben.“ 

Mit den schuldenfinanzierten Mehrausgaben für Infrastruktur und Bundeswehr will die Bundesregierung der lahmenden Konjunktur im keynesianischen Sinn einen wirksamen Nachfrageschub geben. Dieser fiskalische Impuls wird einschließlich eines Multiplikatoreffektes von den Wirtschaftsforschungsinstituten mit 30 bis 40 Milliarden Euro eingeschätzt. Dadurch soll die Wirtschaft aus dem Konjunkturtal herausgführt werden.   

Der Zeitpunkt für einen solchen Impuls dürfte richtig gewählt sein: Die Kapazitäten in der Wirtschaft sind zurzeit wenig ausgelastet, so dass nicht befürchtet werden muss, dass ein solcher Nachfrageschub direkt in die Preise geht und private Wertschöpfung verdrängt.  Es ist dieser kurzfristige konjunkturelle Effekt, aus dem sich die Erwartung der Bundesregierung herleitet, die Wirtschaft werde in den kommenden Jahren wieder wachsen. 

Was soll finanziert werden?

300 Milliarden Euro aus dem neuen Sondervermögen sollen in die Infrastruktur fließen, weitere 100 Milliarden Euro in klimaschonende Investitionen. Mit der ersten Lesung des Haushalts 2025 haben Union und SPD auch das Einrichtungsgesetz für das Sondervermögen vorgelegt. Im Etatentwurf selbst findet sich als Anhang der Wirtschaftsplan des neuen Sondervermögens. Darin wird deutlich, wo die Bundesregierung in den kommenden Jahren zusätzlich investieren will:

Der größte Teil der Investitionen fließt in die Sanierung von Straßen, Brücken und Schienen. Für dieses Jahr sind dafür 11,7 Milliarden Euro eingeplant, für die Folgejahre 78,1 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen. Viele der gelisteten Vorhaben sind nicht neu, sondern standen bisher schon im Verkehrsetat des Bundes, soweit sie beschlossen waren. 

Die Deutsche Bahn soll 2025 etwa 7,6 Milliarden Euro für die Sanierung der Schienenwege erhalten - in den Folgejahren kommen 62,9 Milliarden Euro hinzu. Zusätzlich sollen 1,6 Milliarden Euro in die Umrüstung auf das europäische Zugsicherungssystem fließen.

Auch die Digitalisierung wird deutlich gefördert: Für insgesamt 9 Maßnahmen stehen in diesem Jahr rund 4 Milliarden Euro bereit, weitere 3,2 Milliarden Euro sind als Verpflichtungsermächtigungen gebunden. Den Schwerpunkt bildet der Breitbandausbau: 2,9 Milliarden Euro fließen dieses Jahr, 1,8 Milliarden Euro folgen später. 

Das Sondervermögen soll auch dazu dienen, die Folgen des russischen Angriffskrieges für den Energiemarkt zu mildern. Für 2025 sind bereits 855 Millionen Euro verplant, weitere 409 Millionen Euro stehen für die nächsten Jahre zur Verfügung.

Kritik am Umgang mit den Sondervermögen

Schon bei der Anhörung im zuständigen Bundestagsauschuss zum Sondervermögen übten gleich mehrere Experten deutliche Kritik am laxen Umgang der Politik mit den Investitionsmitteln. Statt sie – wie angekündigt - für den Bau „zusätzlicher“ Straßen, Schienen und Schulen zu verwenden, würden damit in erster Linie längst geplante Projekte finanziert (DIE WELT vom 26.08.2025): 

„Das Geld muss in zusätzliche Investitionen fließen“, sagte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomik und Konjunkturforschung (IMK). Beim Blick in die Haushaltspläne der schwarz-roten Bundesregierung werde jedoch deutlich, dass Ausgaben, die sich bereits in vergangenen Haushalten der Ampel-Regierung fanden, nun in exakt gleichem Umfang aus dem Sondervermögen finanziert werden sollen. 

Klare Worte fand auch der Verkehrsexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin: „Die vereinbarte Zusätzlichkeit der Investitionen im Verkehrshaushalt ist nicht nachvollziehbar“, sagte Böttger. Der überwiegende Teil der insgesamt 107 Milliarden Euro, der in den kommenden Jahren in die Schiene fließen soll, werde einfach aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschoben. 

Kritisiert wurde insbesondere, dass mit der Praxis, bestimmte Investitionen vom Kernhaushalt in das Sondervermögen zu verschieben, im Kernhaushalt des Bundes Mittel frei würden, die so für mehr Staatskonsum zur Verfügung stünden. Dass tatsächlich so verfahren wurde, zeigt sich schon daran, dass das Investitionsvolumen im Kernhaushalt für 2026 niedriger ist als zuvor (FAZ vom 5. September 2025). 

Die befragten Ökonomen äußerten auch Zweifel, ob die Bundesregierung das bereitgestellte Geld überhaupt „vernünftig unterbringen“ könne, d.h. ob die für eine ordnungsgemäße Verwendung benötigten Planungs- und Baukapazitäten zur Verfügung stehen. Nach einer Prüfung des Ifo-Instituts habe der Staat in den vergangenen Jahrzehnten seine Investitionen von einem Jahr auf das nächste höchstens um zehn Milliarden Euro steigern können. Es bestehe also durchaus die Gefahr, dass mit dem Geld des Sonderfonds zu großzügig und ohne die erforderliche Planung und Kontrolle umgegangen wird.  

Die Verwaltungswissenschaftlerin Désirée Christofzik sah zudem die Gefahr, dass Gelder aus dem Sondervermögen in falsche Projekte fließen. „Es ist wesentlich, darauf zu achten, dass die richtigen Maßnahmen ausgewählt werden“, sagte sie, nämlich nur solche, die die erhoffte Wachstumswirkung auch tatsächlich entfalten werden. Diese Kontrollfunktion kommt eigentlich dem Parlament zu, es fehlt bislang aber an geeigneten Instrumenten, um die Wirkung der Ausgaben überprüfen zu können. 

In diesem Zusammenhang verwies der Volkswirt Ulrich Suntum auf das grundsätzliche Problem, dass der Kapitalstock eines Landes nicht gesteigert wird, wenn Straßen, Schienen und Brücken lediglich repariert oder ersetzt werden. “Deshalb kann ich keinen positiven Beitrag zum Wachstum erkennen“, sagte er. Es würden nur die finanziellen Belastungen für Versäumnisse der jetzigen Generation in Form zusätzlicher Schulden und Zinsausgaben einfach auf künftige Generationen verschoben. 

Zweifel an den Wachstumswirkungen

Die Bundesregierung und die Wirtschaftsinstitute gehen davon aus, dass die schuldenfinanzierten Investitionsausgaben des Bundes und der Länder in den kommenden beiden Jahren über den Nachfrageeffekt einen stimulierenden Einfluss auf die Konjunktur haben werden. Innerhalb der Bundesregierung ist man sich aber nicht einig, ob die deutsche Wirtschaft dadurch auch auf einen langfristigen Wachstumspfad zurückfindet. Der Bundeskanzler und die CDU-Minister sind der Meinung, dass ein keynesianischer Nachfrageschub nur ein kurzfristiges Strohfeuer entzündet. Für ein langfristiges Wirtschaftswachstum seien strukturelle Reformen erforderlich, durch die das Produktionspotenzial steige.  

Die SPD-Minister in der Koalitionsregierung lehnen solche strukturellen Reformen auf dem Arbeitsmarkt, in der Sozial- und Steuerpolitik und bei der Deregulierung ab und geben sich mit dem schuldenfinanzierten Nachfrageeffekt zufrieden. Sie setzen darauf, dass mit den geplanten Investitionen in das Straßen- und Eisenbahnnetz nicht nur eine konjunktureller Effekt entsteht, sondern dadurch auch höhere Wachstumsraten möglich sind.

Letzteres bezweifeln die Wirtschaftsforschungsinstitute und viele Ökonomen, weil überwiegend marode Infrastruktur saniert und damit Kapazität nur erhalten und nicht neu geschaffen wird. Bis mindestens zum Ende des Jahrzehnts erwarten deshalb Ifo-Institut und IWH keine positiven Produktivitätseffekte aus den Infrastrukturinvestitionen. Im Gegenteil könnte das staatliche Investitionsprogramm die Wirtschaft auf mittlere Sicht zunächst sogar belasten. „Wir werden erst mal ein Land der Baustellen“, sagt Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des Ifo-Instituts.

Die unterschiedliche Sichtweise von Wirtschaftsforschern und den SPD-Ministern hat Gründe: Die Wirtschaftsforscher zielen auf ein langfristiges Potenzialwachstum, das nur wächst, wenn die zugrunde liegenden Faktoren (Arbeit, Kapital und technischer Fortschritt) produktiver werden. Dafür müssten nach ihrem Verständnis vor allem der Arbeitsmarkt, die sozialen Sicherungssysteme und die Unternehmenssteuern reformiert werden, damit die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird. 

Das ist der Kern der wirtschaftspolitischen Debatte in der jetzigen Koalitionsregierung. Die Institute warnen davor, dass das geplante Ausgabenprogramm nur ein zeitlich begrenztes Strohfeuer entfacht, und betonen, dass es für mehr Wachstum struktureller Reformen von Arbeitsmarkt über Deregulierung bis hin zu besseren Investitionsbedingungen bedarf. In den Ausgaben für die Infrastruktur und den Umweltschutz sehen sie „keine wirklichen produktivitätssteigernden Maßnahmen“. Denn mit solchen Investitionen in das Straßen- oder Eisenbahnnetz wird überwiegend nur marode Infrastruktur saniert, ohne zusätzliche Produktionskapazitäten zu schaffen. Diese Überlegung trifft gleichermaßen auf Investitionen zu, mit denen klimaschädliche Produktion durch klimaschonende Produktion ersetzt wird. Auch solche Investitionen haben keine positiven Produktivitätseffekte. 

Dass es auf die Steigerung des Potenzialwachstums ankommt, hat Bundeskanzler Friedrich Merz jüngst beim Verband der Maschinenbauer ausdrücklich betont: „Deutschland hat kein Konjunkturproblem, sondern ein strukturelles Wachstumsproblem. Um aus diesen strukturellen Verwerfungen herauszukommen, ist es nicht mit einem Fingerschnipsel getan, sondern es erfordert grundlegende Korrekturen im bestehenden Regelwerk und im bestehenden Miteinander in unserer Volkswirtschaft“ (DIE WELT vom 18.09.2025). 

Damit liegt Friedrich Merz auf der Linie der vier großen Wirtschaftsforschungsinstitute, die Torsten Schmidt (RWI) folgendermaßen zusammenfasst hat: „Die staatlichen Ausgabenprogramme können kurzfristig stabilisieren, lösen aber nicht das grundlegende Wettbewerbsproblem der deutschen Wirtschaft“. 

Die Politik wird sich deshalb nicht lange auf einem „keynesianischen Nachfrageeffekt“ ausruhen können, weil nämlich die Produktionskapazitäten der Wirtschaft angesichts der Größenordnung des geplanten Nachfrageschubs schnell ausgeschöpft sein werden. Ifo und IWH gehen davon aus, dass die Gesamtwirtschaft die Vollauslastung spätestens 2027 erreicht haben wird. Danach gehen rechnerisch alle fiskalischen Impulse in die Preise und nicht in die Menge. 

Einige Branchen, wie zum Beispiel der Tiefbau oder die Rüstungsindustrie, arbeiten bereits heute an der Kapazitätsgrenze: „Der Spielraum für eine konjunkturelle Erholung ist begrenzt“, sagte Holtemöller. Eine zusätzliche Nachfrage nach Tiefbauleistungen wird deshalb schnell zu Preiserhöhungen führen. Und ein plötzlicher Auftragsschub bei den Rüstungsgütern wird nicht im Inland landen, sondern im Ausland und damit zu höheren Importen führen.

Wie lange die Regierung mit schuldenfinanzierten Mehrausgaben ein konjunkturelles Strohfeuer am Leben erhalten kann, darüber schweigen sich die Ökonomen aus. Einhellig sind sie aber der Meinung, dass sich die Wirtschaft ohne wachstumsfördernde Reformen bis zum Ende des Jahrzehnts wieder in Richtung Stagnation bewegen wird. 

Fazit:

Die Bundesregierung ist von vielen Seiten davor gewarnt worden, dass sie mit ihrem Ausgabenprogramm nur ein Strohfeuer entfacht. Für mehr Wachstum sind strukturelle Reformen vom Arbeitsmarkt über Deregulierung bis hin zu besseren Investitionsbedingungen nötig. 

„Wir haben eben keine wirklichen produktivitätssteigernden Maßnahmen“, sagt Oliver Holtemöller (IWH). „Mit den fiskalischen Impulsen, die jetzt geplant sind, wird überhaupt kein Wachstum generiert, sondern allenfalls konjunkturelles Strohfeuer entzündet.“ 

„Was im Programm der Regierung wirklich Wachstum schafft, sind die versprochenen Steuersenkungen, die versprochene Deregulierung oder die versprochene Senkung der Sozialabgaben“, schreibt Patrick Welter in der FAZ vom 22. Juli 2025.

Aus München mahnt Clemens Fuest (Ifo): „Schulden machen ist leicht. Das kann eigentlich jeder, aber Reformen durchführen, das ist schwer.“


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