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Liberale Großstadtpolitik
23.06.2015 11:33 (3570 x gelesen)


„Liberale Großstadtpolitik“

(MIT Hamburg am 25. März 2015)

 Die Gründungsidee der CDU war es, verschiedene gesellschaftliche Gruppen politisch zusammenführen:
- Katholiken und Protestanten
- Unternehmer und Arbeitnehmer
- Flüchtlinge und Einheimische

Gelingen konnte dieses Experiment nur mit überzeugenden Politiker und einem zeitgemäßen Programm.

Der Erfolg dieser neuen Partei beruhte seit jeher auf  starken Orts- und Kreisverbänden sowie der Verankerung ihrer Repräsentanten in den örtlichen Gemeinschaften.

Vor diesem Hintergrund geben bestimmte Entwicklungen Anlass zur Sorge um die Zukunft der CDU:

- Dazu gehört die Schwäche der Partei auf lokaler und regionaler Ebene. Das Ergebnis der Bürgerschaftswahl in Hamburg mit 15 Prozent sowie der Verlust der Regierungsverantwortung in den meisten Ländern lassen daran keinen Zweifel.
- Dazu rechnet die zunehmende Professionalisierung, d.h. die Ersetzung ehrenamtlich Tätiger durch Berufspolitiker oder Funktionäre. Damit verschwindet die Verbindung zur Zivilgesellschaft und den Wählern.
- Parallel dazu läuft ein Prozess der Zentralisierung in der Partei, der nach dem Umzug von Bonn nach Berlin einen kräftigen Schub bekommen hat. Politik wird dadurch zu einer Sache einer politischen Kaste, die stark mit sich selbst beschäftigt ist.
- Die Entfremdung zwischen Führung und Basis wird noch dadurch gesteigert, wenn sich die beiden großen Parteien auf Dauer kartellartig verbünden. Zwangsläufig wird es dann innerparteilichen oder außerparlamentarischen Protest geben.

Natürlich hat sich auch die Gesellschaft verändert, was Parteien nicht unberücksichtigt lassen dürfen:

- Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sind durchlässiger geworden oder haben sich aufgelöst. Die katholischen Milieus in ihrer früheren Form gibt es nicht mehr. Mit dem Rückgang der Selbständigenquote hat sich auch die Bedeutung des Mittelstandes vermindert.
- Ein hervor stechendes Merkmal der modernen Gesellschaft ist die Individualisierung, d.h. der Rückzug ins Private und der Verzicht auf öffentliches Engagement. Relativismus und Indifferenz sind die zwangsläufigen Folgen.
- Andererseits ist die Abhängigkeit des Einzelnen von öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen  gewachsen. Ein autarkes Leben ohne den Staat ist nicht mehr möglich. Nur um sauberes Wasser trinken zu können, ist man auf die staatliche Daseinsvorsorge angewiesen.
- Dadurch ergeben sich neue politische Anliegen, denen sich die NGO´s angenommen haben.  Man engagiert sich für bestimmte Projekte (Umwelt, Gesundheit) oder ist dagegen (Atom, Globalisierung)

Großstadtpartei CDU

Wie soll sich in einem solchen Umfeld eine moderne Großstadtpartei positionieren? Eine sicher schwierige Aufgabe, die die Politik herausfordert. Hierzu kann ich nur einige Gedanken äußern:

Meines Erachtens beginnt die Lösung mit der Auswahl des politischen Personals. Vor einigen Tagen erinnerte Uwe Bahnsen in der WamS an den Hamburger Kaufmann und  liberalen Politiker Erik Blumenfeld, der am 10. April 1997 gestorben ist. Politiker dieses Formats gibt es nicht mehr. Dabei sind sie es, die die CDU stark gemacht haben.

Der moderne Berufspolitiker ist flexibel und anpassungsfähig. Er muss es  sein, weil Politik heute einen pragmatischen und situationsbedingten Regierungsstil pflegt. Die Politik zur Rettung des Euro oder die Energiewende sind dafür typische Beispiele.

Dieser Pragmatismus  prägt den modernen Berufspolitiker: Manchmal ist er liberal, selten konservativ, aber immer sozial. Dies ist seine Überlebensstrategie.

Ob damit Parteien erfolgreich sein können, will ich offen lassen. Es gibt auch andere Führungsmethoden: Erfolgreiche Mittelständler sind fest in den Grundsätzen und flexibel im Detail. Im Politischen gilt eher das Gegenteil: Man hält an den einmal beschlossenen Details fest und opfert dafür bedenkenlos die Grundssätze. Zu beobachten an der Politik zur angeblichen Rettung des Euro.

Zur Persönlichkeit des Politikers gehört ein Programm, mit dem er  seine Ziele und Maßnahmen festlegt. Politik ist Gestaltung: Der Wähler will wissen, wofür sich eine Partei einsetzen will. Ist eine Partei gewählt, muss sie sich um die Umsetzung dieses Programms bemühen. Ansonsten sind Wahlen sinnlos. Die FDP hat erlebt, was passieren kann, wenn Wahlversprechen nach Übernahme der Regierung keine Rolle mehr spielen.

Vorbildlich in dieser Hinsicht war der ehemalige Finanzsenator Peiner mit seinem Programm der „Wachsenden Stadt“. Er hatte eine Vision von Hamburg, die er mit bestimmten Zielen und Maßnahmen hinterlegte und auch umsetzte. Zudem hatte er die Kompetenz, dieses Programm glaubhaft und überzeugend zu vertreten. Dies war eine gute Zeit für Hamburg.

Ganz anders verhielt es sich mit dem Koalitionsvertrag, den Ole von Beust mit den Grünen aushandelte. Dieser Vertrag stand wie das  Regierungsprogramm der großen Koalition in Berlin unter dem Motto: Wir stellen den Bürgermeister bzw. die Kanzlerin, dafür dürfen die anderen das Programm machen. Mit Wilhelm Busch kann man sagen: „Wehewehe, wenn ich auf das Ende sehe.“


Zeitgeist CDU

Angela Merkel hat die CDU modernisiert, heißt es. Damit ist in Wirklichkeit gemeint, dass die CDU sich vom Zeitgeist führen lässt:

- Vom Gender Mainstream,  Gleichstellungsbeauftragten und Frauenquote,
- Einer grünen Energiewende mit Atomausstieg und Vorrang für alternative Energien,
- von dem Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“,
- von der Forderung nach sozialen Wohltaten, dem Mindestlohn, der Mütterrente und Rente ab 63,
- der Ablehnung einer regelorientierten Politik zur Rettung des Euro,

 Eine solche Politik gefährdet die Zukunft der CDU als Volkspartei. Immer noch gilt der Satz: „Wer den Zeitgeist heiratet, wird schnell Wittwer“. Dies gilt insbesondere für eine Stadtpartei, wie die letzte Bürgerschaftswahl eindrücklich gezeigt hat.

Die CDU kann nicht überleben, wenn sie sich das Programm anderer Parteien aneignet und auf eigene Vorstellungen verzichtet. Wähler und Parteimitglieder dürfen verlangen, dass sie sich an ihren Grundsätzen orientiert und auf dieser Basis eine eigene Programmatik entwickelt.

Die Bundesrepublik ist in der Nachkriegszeit im Wesentlichen durch drei politische Grundströmungen geprägt worden, die auch heute wirksam sind.

- Die erste Grundlinie ist der Liberalismus, der das Grundgesetz maßgeblich geprägt hat. Das Demokratieprinzip, die Rechtstaatlichkeit und die Grundrechte sind konkrete Ausprägungen. Der Liberalismus ist auch die Grundlage der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung.
- Die   zweite Grundlinie ist der Konservativismus, dessen Einfluss aber stark abgenommen hat. Ging es ihm anfangs um die Stärkung der Nation, sind es heute die Institutionen und Werte, die ihm am Herzen liegen. Allerdings ist nur schwer auszumachen, ob er dem Liberalismus oder dem Sozialismus näher steht.
- Die dritte Grundlinie ist der Sozialismus, dem wir nicht nur den Klassenkampf, sondern auch den Sozialstaat zu verdanken haben. Im Unterschied zum Klassenkampf sind Sozialstaat und Demokratie eine immer  engere Verbindung eingegangen, wodurch sich das dynamische Wachstum des Sozialen erklärt.
 

Diese Grundströmungen waren auch die Grundlüberzeugungen der CDU und ihrer Politik in der Nachkriegszeit. Die CDU hat aber inzwischen ihr Geschäftsmodel entscheidend geändert. Das Liberale musste dem Sozialen weichen und das Konservative als gestaltende Kraft verschwand nahezu ganz. Der alles beherrschende  Regierungsstil ist der Pragmatismus geworden.

Hier liegt die zentrale Herausforderung für eine moderne Großstadtpartei. Die CDU definiert sich selbst als liberale, soziale und konservative Partei. Tatsächlich ist aber das liberale und konservative Element kaum noch zu erkennen. Es verschwindet hinter der sozialen Dynamik und einem allgegenwärtigen Pragmatismus. Diese Dinge müssen wieder ins Lot gebracht werden.

Aufgabe der MIT ist es, auf diese Baustelle immer wieder aufmerksam zu machen. Denn in der Partei ist sie die letzte Institution, die dazu noch in der Lage ist.


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