top-schriftzug
blockHeaderEditIcon

Dr. Schlarmann - Mittelstand

aktuelle Informationen für den Mittelstand
block-foto-dr-schlarmann-mittelstand
blockHeaderEditIcon
Europäische Krisen : Der kollektive Vertragsbruch
08.09.2015 20:56 (2778 x gelesen)

Der kollektive Vertragsbruch

Am 7. Mai 2010 vollzog die Bundesregierung  - nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit -  eine grundsätzliche Kehrtwende der deutschen Europapolitik.

An diesem Tag erklärte sich Angela Merkel auf dem Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs damit einverstanden, dass ein „Europäischer Rettungsschirm“ mit einem Volumen von 500 Mrd. Euro geschaffen werden sollte. Zweck dieses Rettungsschirms sollte es sein, Euro-Staaten im Krisenfall bei der Lösung ihrer Finanzierungsprobleme zu helfen.  Ebenfalls am 7. Mai 2010 trat der Deutsche Bundestag zusammen und beschloss das erste Hilfspaket für Griechenland in Höhe von 110 Mrd. Euro, um das Land vor einer Staatspleite zu retten. Einen Tag vorher, am 6. Mai 2010, hatte sich der  Rat der  Europäischen Zentralbank (EZB) bereits darauf verständigt, dass die Bank Staatsanleihen von Krisenstaaten ankaufen sollte. Auch dazu erklärte Angela Merkel auf dem Gipfeltreffen „stillschweigend“ ihr Einverständnis.

Mit diesen Entscheidungen wurden zwei Grundregeln der Euro-Währungsordnung, nämlich das zwischenstaatliche „Beistandsverbot“ und das „Verbot der monetären Staatsfinanzierung“,  faktisch außer Kraft gesetzt. Beide Regeln hatte Helmut Kohl bei den Verhandlungen über den Maastricht-Vertrag im deutschen Interesse gegen den Widerstand Frankreichs und der Südländer durchsetzen können.

Das vertragliche Beistandsverbot  („No-bail-out-Regel“) regelte, dass es zwischen den Eurostaaten  keine gemeinsame  Verantwortung und Haftung für nationale Schulden geben durfte.  Jeder Eurostaat sollte vielmehr selbst für die Rückzahlung seiner Schulden verantwortlich sein. Das Verbot der monetären Staatsfinanzierung untersagte es der Europäischen Zentralbank, Eurostaaten direkt durch Kredite oder durch Ankauf von Staatsanleihen zu finanzieren. Der ordnungspolitische Zweck dieser Regeln bestand darin, den Eurostaaten keinen Anreiz zu geben, sich zulasten anderer Eurostaaten oder mit Hilfe der Zentralbank zu verschulden. Nach dem gemeinsamen Vertragswillen sollte die Schuldenpolitik der Staaten keine europäische Angelegenheit sein, sondern in nationaler Verantwortung bleiben. Mit dem Euro sollte nach deutschen Vorstellungen keine Schuldenunion, sondern eine Stabilitätsunion geschaffen werden.

Dies war die von allen Vertragsparteien akzeptierte Geschäftsgrundlage, als der Euro eingeführt wurde. Die CDU warb damals auf einem Wahlplakat mit der Aussage: „Deutschland muss nicht für die Schulden anderer Länder aufkommen. Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die Europäische Union oder die anderen EU-Partner für die Schulden eines Mitgliedstaates haften.“ 

Mit den Entscheidungen vom 6./7. Mai 2010 wurden nicht nur die vereinbarten Regeln aufgehoben, sondern der ursprüngliche Vertragswille ins Gegenteil verkehrt. Denn mit der Griechenlandhilfe und dem gemeinsame Rettungsschirm wurden die Finanzierungsprobleme einzelner Länder zu einer europäischen Angelegenheit gemacht, was der Maastricht-Vertrag mit dem Beistandsverbot gerade ausschließen wollte. Zweck des Verbots der monetären Staatsfinanzierung war es zu verhindern, dass die Staatshaushalte über die EZB  finanziert werden. Mit der Zustimmung zum Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB wurde aber genau dies als zulässig erklärt. 

Die Einigung der Staats- und Regierungschefs auf dem Sondergipfel war ein „kollektiver Vertragsbruch“, durch den die zwei wichtigsten Regeln des Maastricht-Vertrages  faktisch "außer Kraft gesetzt" und in ihrer Zielstellung „komplett gewendet“ wurden. Dies geschah ohne Mitwirkung der nationalen Parlamente und ohne Offenlegung gegenüber der europäischen Öffentlichkeit. Im Ergebnis war es für den französichen Präsidenten ein gelungener Coup und für die deutsche Bundeskanzlerin ein persönliches Waterloo.

Der Anlass für diese „Euro-Wende“ waren Schwierigkeiten einiger Südstaaten (Griechenland, Irland, Spanien, Portugal), sich zu „tragfähigen Bedingungen“ am Kapitalmarkt zu finanzieren. Diese Probleme nutzten sie , um den Maastricht-Vertrag in ihrem Sinne umzugestalten. Denn das vertragliche Beistandsverbot und das Verbot der EZB, die Eurostaaten zu finanzieren, empfanden die Südeuropäer immer als lästig und überflüssig. Mit den Entscheidungen vom 7. Mai 2010 setzten sie sich damit durch, ohne auf deutschen Widerstand zu stoßen.  


Zurück Druckoptimierte Version Diesen Artikel weiterempfehlen... Druckoptimierte Version
Benutzername:
User-Login
Ihr E-Mail
*