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Klimapolitik ohne Plan
09.07.2019 10:41 (1373 x gelesen)

Klimapolitik ohne Plan

Bei den Zielen in der Klimapolitik schreitet die rot-schwarze Bundesregierung mutig voran: Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Zur Mitte des Jahrhunderts will Deutschland sogar klimaneutral sein – also nicht mehr CO2 ausstoßen, als es binden kann. Das sind große Ziele, die viel verlangen, wenn sie sich nicht als Illusionen erweisen sollen. Doch tatsächlich tut sich die Koalition schwer damit, das Notwendige zu tun.

Dabei bleibt der Koalitionsregierung nicht viel Zeit, um konkrete Aktionen auf den Weg zu bringen. Lange gab es die Hoffnung, dass mit einem schnellen Ausstieg aus der Kohle Zeit gewonnen werden könnte. Doch als sich die Kohlekommission im Januar darauf einigte, die Kohleverstromung erst im Jahr 2038 zu beenden, war endgültig klar, dass neben der Energie auch die Sektoren  Industrie, Verkehr und  Landwirtschaft eigene Beiträge zur Einsparung von CO2 bringen müssen.

Klimaschutzgesetz und Klimakabinett

Dafür hat die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, ein Klimaschutzgesetz entworfen, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Der Gesetzentwurf schreibt jedem Ministerium CO2-Einsparziele vor, deren Verfehlung Strafzahlungen nach sich ziehen würde.

Im Februar schickte Schulze ihren Entwurf ans Kanzleramt. Doch als sich dort monatelang nichts tat, brachte sie ihren Entwurf Ende Mai in die Ressortabstimmung ein. Das sei formal gar nicht möglich, monierte daraufhin das Kanzleramt. Das gehe sehr wohl, hieß es demgegenüber aus dem Umweltministerium.

Gegen die Pläne der Umweltministerin  regte sich Widerstand in der CDU/CSU-Fraktion. Fraktionsvize Georg Nüßlein (CDU) wetterte gegen den „Volkswirtschaftsplan im grünen Gewand“. Aber was die Union konkret will, wissen bis heute weder die  CDU-Fraktion noch die Bundeskanzlerin. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat Positionspapiere in Auftrag gegeben, deren Vorstellung immer wieder vertagt wird.

Die Umweltministerin hat darauf Vertreter aller Ministerien zur  Beratung des Gesetzesentwurfs zusammen kommen lassen.  Dieser Einladung folgten aber nur die SPD-Minister. Die unionsgeführten Häuser boykottierten diese Veranstaltung. In den Ministerien wartet man darauf, dass Merkel die Kritiker in ihrer Partei zum Verstummen bringt. Die Zeit drängt, weil die  Bundesregierung  bis Ende September  beim Sonderklimagipfel in New York ein vorzeigbares Klimaschutzpaket vorstellen will.

Es fehlt zwar nicht an grundsätzlichen Ideen, wohl aber an der Bereitschaft, sich auf konkrete Maßnahmen zu verständigen. Der Klimaschutz wird allseits für eine „zentrale Herausforderung der Menschheit“ gehalten, nach Meinung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier funktioniert er aber nur, „wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird“. Höhere Preise für Energie, z.B. in Form einer Kerosinsteuer, lehnt er deshalb ab.

Auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ist kein Freund einer CO2-Steuer, die Umweltministerin Schulze auf fossile Brennstoffe fordert. Es gebe in seinem Ministerium keinerlei Überlegungen dazu, ließ er seiner Parteifreundin kühl mitteilen.

Kaum ambitionierter sind die Pläne der CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Ihr Maßnahmenkatalog, den sie der Umweltministerin schickte, sieht vor, dass das Ausbringen von Dünger erschwert wird, Tierwohlkennzeichen eingeführt und weniger Lebensmittel weggeworfen werden sollen. Man fragt sich aber, was das mit  einer raschen Reduktion von CO2-Emissionen zu tun hat. 

Gefordert ist insbesondere der Verkehrssektor, aus dem jede fünfte Tonne CO2 stammt, die in Deutschland in die Luft geblasen wird.  Jedoch hält  Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)  nichts von Verboten und einer Verteuerung des Autofahrens. Seine Devise lautet: „Erlauben, erleichtern und ermöglichen“, darum geht es ihm, nicht um „verbieten, verteufeln und verteuern“. 

Ende Mai legte er dem Klimakabinett, einer Sonderveranstaltung der beteiligten Ministerkollegen, eine Liste mit mehr als 50 Punkten vor. Darin geht es um  Maßnahmen, wie die öffentliche Förderung für Wasserstoff als Kraftstoff, die Verdoppelung der Kaufprämie für E-Autos und mehr Geld für klimafreundliche Dienstwagen und Elektrobusse. Der Plan von Scheuer hat jedoch mindesten zwei Haken: Erstens gibt es dafür keine Finanzierung. Und zweitens gibt es keine Garantie, dass alles zu den gewünschten Einsparungen bei den Emissionen von Treibhausgas führen wird.

Merkel hat  angekündigt, dass es nach der Sommerpause ein Gesamtkonzept für den Klimaschutz geben wird. „Schluss mit Pillepalle“ gab sie den Kritikern in ihrer Fraktion zu verstehen. Für Mitte Juli hat sie die Minister des sog. Klimakabinetts nach Berlin einbestellt. Es ist womöglich der letzte Versuch, die Koalition auf eine gemeinsame Linie einzuschwören. Ob man sich jedoch auf ein tragfähiges Konzept einigen kann, ist nur eine äußerst vage Hoffnung. 

Klimapolitik am Scheideweg

Die Bundesregierung steht vor dem Eingeständnis, dass ihre bisherige Klimapolitik gescheitert ist. Das Erreichen der Klimaziele für 2030 (minus 55 Prozent CO2) und 2050 (minus 80 bis 95 Prozent CO2) ist in weite Ferne gerückt. Gleichzeitig ist der Strompreis mit 1473 € für 5000 kW/h auf einen historischen Rekord geklettert. Die Bundeskanzlerin ist ratlos. Sie hat kein Konzept, wie der Karren aus dem Dreck gezogen werden kann.   

Dies wissen aber die fünf „Wirtschaftsweisen“ des Sachverständigenrates und der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium. Beide Institutionen sprechen sich in getrennten Sondergutachten für einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Energiewende- und Klimapolitik aus. „Die aktuelle Debatte bietet die historische Chance, die kleinteilige, teure und ineffiziente deutsche Klimapolitik so umzustellen, dass die Bepreisung von CO2 im Zentrum steht“, sagte Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrates.

Sachverständigenrat und Beirat fordern zweierlei: die Abkehr von rein nationalen Maßnahmen wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Hinwendung zu einem allgemeinen, für alle Wirtschaftsbereiche gleichen Preis für den CO2-Ausstoß – und das in so vielen Ländern wie möglich. Die Bepreisung soll Unternehmen und Verbrauchern Anreize geben, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden und auf klimafreundliche Techniken wie Elektroautos umzusteigen.

Das zentrale Instrument für diese Wende sehen Sachverständigenrat und Beirat im Handel mit Emissionszertifikaten. Wozu bisher nur Kraftwerksbetreiber und größere Industriebetriebe verpflichtet sind, soll nach dem Vorschlag der Sachverständigen bis 2030 europaweit auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausgedehnt werden. Auch in diesen Sektoren soll der Ausstoß von Kohlendioxid nur noch beim  Kauf eines Zertifikats möglich sein, wobei die Menge der Zertifikate kontinuierlich verknappt wird.

Für den Weg bis 2030 werden zwei mögliche Übergangslösungen diskutiert: eine CO2-Steuer oder ein separater Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Beides hat Vor- und Nachteile: Eine  CO2-Steuer lässt sich schnell einführen, ihre Wirkung hängt jedoch von der Höhe der Steuer ab. Demgegenüber erfordert die Einführung eines separaten Emissionshandels für die  Bereiche Verkehr und Gebäude mehr Zeit, ist aber „einfacher zu kommunizieren und später leichter in den integrierten Emissionshandel zu überführen“, heißt es im Gutachten des Sachverständigenrates.

Sachverständigenrat und Beirat schlagen außerdem vor, dass die staatlichen Mehreinnahmen aus der CO2-Steuer und dem Verkauf von Zertifikaten der Bevölkerung zurückgegeben werden. Dies kann über eine Kopfpauschale oder über eine Steuersenkung geschehen. Bei einem Preis von 35 Euro je Tonne CO2 schätzt der Sachverständigenrat das zusätzliche Steueraufkommen auf 11 Milliarden Euro. Die jährliche Rückerstattung könnte dann 140 Euro je Person betragen.

Bei Realisierung dieser Vorschläge können nach Meinung des Sachverständigenrates und des Beirats alle bisherigen Klimaschutzmaßnahmen, die sich als ineffizient und Kosten treibend erwiesen haben, eingestampft werden. Dies gilt für die bisherigen Energiesteuern ebenso wie für die EEG-Umlage. Auch die Flottengrenzwerte für Automobilhersteller oder der staatlich verordnete Kohleausstieg bis 2038 könnten „nach der Einführung einer wirksamen CO2-Bepreisung entfallen“, schreibt der Beirat. Denn in einem System mit Emissionshandel ist „kein gesonderter Eingriff und subventionierter Ausstieg aus Kohle notwendig“, um den CO2-Ausstoß zu begrenzen, schreibt auch der Sachverständigenrat.

Die Lösung liegt also auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der Bundeskanzlerin zu entscheiden, ob sie davon Gebrauch machen will. Es ist ihre letzte Chance, einigermaßen heil aus dem Desaster ihrer Energiepolitik herauszukommen. 

Klimapapier der CDU

Es dauerte bis Mitte September 2019, als die CDU in einem 35seitigen Papier ihr Konzept für eine zukünftige Klimapolitik vorlegte. Es war nicht die Bundeskanzlerin, sondern die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die die Initiative ergriffen hatte. Als die „Fridays for Future“-Bewegung und die  begeisterten Medien das Klimathema größer und größer machten, verordnete sie ihrer Partei in den Sommerferien ein intensives Nachsitzen: Die CDU sollte in der Klimapolitik wieder diskursfähig werden.

Unter Angela Merkel ist auf diesem Gebiet viel liegen geblieben, was bei dem klimapolitischen „Werkstattgespräch“ der CDU überdeutlich wurde. „Nicht nur, dass Deutschland die selbst gesteckten Einsparziele beim CO2 deutlich riss – in der Kanzlerinnenpartei herrscht bei diesem Thema insgesamt intellektuelle Ödnis“, schrieb Robin Alexander in WamS vom 15. September 2019.

Die neue Vorsitzende jedenfalls will den verpassten Diskurs jetzt im Galopp nachholen. Hierzu hat sie Ralf  Fücks ins Haus geholt, den früheren Chef der grünen Heinrich-Böll-Stiftung und jetzigen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer Stiftung.  Fücks´ Idee war es, die „Internalisierung der Umweltkosten“ als „zentralen Hebel für die ökologische Transformation“ zu nutzen. Damit ist gemeint, dass bei richtigen Rahmenbedingungen der Markt entscheidet, was ökologisch sinnvoll ist. Das ist CDU-Denken aus der Vor-Merkel-Zeit.

Für das klimapolitische Konzeptpapier hat der CDU-Abgeordnete Andreas Jung die Federführung übernommen, der sich schon viele Jahre in der CDU-Fraktion um Umweltthemen kümmert. Für die politische Karriere hat ihm das aber nicht genützt. Unter der „Klimakanzlerin“ jedenfalls wurde der klimapolitische Fachmann der Fraktion öffentlich nicht wahrgenommen. Dies hat sich jetzt geändert.

Was bietet das CDU-Konzeptpapier, das der CDU-Vorstand unter dem Titel „Klimaeffizientes Deutschland – Mit Innovationen in die Zukunft“ beschlossen hat?

Mit dem Papier fordert die CDU eine Grundgesetzänderung: Darin soll die „nachhaltige Entwicklung als Staatsziel“ aufgenommen werden. „Die Zukunft bekommt damit Verfassungsrang“, schreiben die Verfasser.

Das Papier spricht sich dafür aus, den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid mit einem Preis zu versehen. Wer viel emittiert, muss viel  bezahlen. Allein schon das wäre ein großer Fortschritt.

Hinsichtlich des Streits, ob der Preis durch Steuern oder durch Handel mit Zertifikaten bestimmt wird, spricht sich das CDU-Papier für ein nationales Handelssystem aus. Im Fall von Steuern legt der Staat den Preis der Emissionen fest, die Wirkung auf die Reduktion von CO2 bleibt aber unsicher. Beim Handelssystem steuert der Staat die Menge der noch zulässigen Emissionen, indem er  begrenzte Nutzungsrechte in Form von Zertifikaten verkauft. Der Preis dafür ergibt sich durch Angebot und Nachfrage.

Der Handel mit Zertifikaten soll auf nationaler Ebene für die Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft eingeführt werden, auf die 55 Prozent der Emissionen fallen. Jung: „Wir machen es schrittweise, wir wollen die Menschen nicht überfordern.“  Später soll das System europaweit ausgedehnt werden. Für die Energiewirtschaft und Industrie, deren Emissions-Anteil bei 45 Prozent liegt, gilt bereits das europäische Handelssystem.

Das CDU-Papier spricht sich gleichzeitig dafür aus, dass die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz abgeschmolzen und letztlich vollständig abgeschafft wird. Die EEG-Umlage, die an die Produzenten von erneuerbaren Energien fließt, beträgt aktuell 6,405 Cent pro Kilowattstunde. Ingesamt geht es um 24 Milliarden Euro, die Verbraucher an die Produzenten zahlen. „Es muss Veränderungen geben, aber wir müssen die  Menschen mitnehmen“, sagte Jung.

Die CDU will den Bürger im Unterschied zu den Grünen nicht in erster Linie durch höhere Preise zu einem klimafreundlichen Verhalten erziehen, sondern durch modernere Technologien und subventionierende Kaufanreize, etwa für emissionsarme Autos. Nach Meinung der Union gibt es nicht zu wenig Steuern und Abgaben im Klimabereich, sondern zu wenig Steuerung durch finanzielle Anreize.

Hierzu sollen die Steuern auf Flugtickets verdoppelt, die Mehrwertsteuer auf Bahntickets hingegen gesenkt werden. Die Lkw-Maut soll ausgeweitet werden und emissionsarme Autos sollen mit einer höheren Pendlerpauschale belohnt werden. Für alte Ölheizungen ist eine Abwrackprämie geplant; Gebäudesanierungen will man steuerlich entlasten. Dies ist nun doch wieder das „Pillepalle“, mit dem Merkel Schluss machen wollte.


    


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