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Migrationskrise : Seehofers neue "Asylwende"
18.11.2019 23:11 (1173 x gelesen)

Seehofers neue "Asylwende"

Es ist nur eineinhalb Jahre her, dass Innenminister Horst Seehofer, damals noch CSU-Vorsitzender, gegenüber Angela Merkel darauf pochte, dass Deutschland viel mehr Asylbewerber zurückweisen sollte. Und zwar alle, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt hatten. Es ging Seehofer darum, die sog. Sekundärmigration nach Deutschland zu beenden.

Als Merkel „nein“ sagte, gab es zwischen der CSU und der CDU einen heftigen Streit über die grundsätzliche Frage, wie die Bundsregierung auf den unablässigen Flüchtlingsstrom reagieren sollte. Merkel wollte das Problem  multilateral auf europäischer Ebene lösen, Seehofer bestand demgegenüber auf nationalen Maßnahmen, wie die Zurückweisung an der deutschen Grenze.

Um den Streit zu schlichten, verständigten sich CDU und CSU darauf, dass Asylbewerber, für die andere Länder zuständig sind, an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden können, falls diese Länder die Rücknahme vertraglich zusichern. Merkel versprach, sich persönlich um solche Abkommen bemühen zu wollen.

Seehofer willigte in diesen Kompromiss ein unter der Voraussetzung, dass die Rücknahmeabkommen einer Zurückweisung an der deutschen Grenze „wirkungsgleich“ sein würden. Ansonsten werde er Migranten eigenmächtig  zurückweisen lassen. Geschehen ist bis heute allerdings nichts, so dass es weiterhin eine hohe Sekundärmigration nach Deutschland gibt.

Pro Monat kommen  weiterhin mehr als 10.000 Asylsuchende  über europäische Partnerländer nach Deutschland. Davon wurden bis Mitte 2019 gerade einmal 20 Asylbewerber zurückgeschickt: 18 nach Griechenland und zwei nach Spanien, mit denen Rücknahmeabkommen vereinbart wurden. Die Bemühungen um ein Abkommen mit Italien sind gescheitert.

Nach bisher unbekannte Daten des Ausländerzentralregisters (AZR) hielten sich Ende 2019 insgesamt 350.000 Ausländer ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland auf. Nach Angaben des Bundesinnenministerium sind Personen gespeichert, die "weder einen Aufenthaltstitel, eine Aufenthaltsgestattung oder ein sonstiges Aufenthatsrecht" besitzen. Als ausreisepflichtig wurden davon nur 36.000 Personen geführt.

Griechenland torpediert systematisch die europäischen Bemühungen gegen die unerlaubte Weiterwanderung von Asylbewerbern. Immer noch reisen viele dort registrierte Migranten illegal nach Deutschland und müssten - abgesehen von Härtefällen - gemäß der Dublin-Regelung wieder dorthin zurückgebracht werden. Die BAMF stellte 2018 insgesamt 7079 Übernahmeersuche, wovon Athen 97 Prozent ablehnte. Tatsächlich durchgeführt wurden nur 18 Rücknahmen.    

Seehofers Ankündigung, er werde Asylsuchende an der Grenze zurückweisen, wenn die Rücknahmeabkommen nicht  „wirkungsgleich“ sein würden, hat sich deshalb als Luftnummer erwiesen.

I

Die Rechtslage

Die Rechtslage hinsichtlich der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze ist eindeutig. Die Bundesregierung selbst hat dem Bundestag bestätigt, dass Zurückweisungen an der Grenze zulässig sind. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion heißt es: „Zurückweisungen an der Grenze sind im Rechtsrahmen der Dublin-III-Verordnung und des § 18 AsylG zulässig.“

Der ehemalige Präsident des  Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat dies jüngst noch einmal bestätigt (DIE WELT vom 20.04.2019):

„Man hat in den 90er Jahren das Asylrecht des Artikel 16 in der alten Fassung ganz erheblich eingeschränkt. Und zwar durch den Artikel 16a, wonach sich auf das grundgesetzlich verbürgte Asylrecht nicht berufen kann, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen sicheren Drittstaat einreist. Und da Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist, kann sich eigentlich niemand aus das Grundrecht auf Asyl berufen, der über den Landweg einreist. Um das einmal ganz deutlich zu sagen: Für diese Gruppe ist das Grundrecht auf Asyl schlichtweg abgeschafft worden.“

„Die Ansprüche auf internationalen und subsidiären Schutz stehen in den Paragrafen 3 und 4 unseres Asylgesetzes. Das ist einfaches Recht, basierend auf einer europäischen Richtlinie. Wollte man illegale Zuwanderung eindämmen, muss man hier und am EU-Recht ansetzen, vor allem: an dessen Anwendung und Durchsetzung in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten. Das Regime der Dublin-III-Verordnung ist von den Mitgliedstaaten über Jahre weitgehend an die Wand gefahren worden. Dieses Recht gilt, wird aber nach wie vor nicht immer ernst genommen – ein andauerndes Defizit.“

Rupert Scholz, Staatsrechtler und ehemaliger CDU-Minister, hat dies jüngst in einem Interview mit der Tageszeitung "DIE WELT" noch einmal bestätigt: "Die Migrationsentscheidung vom Herbst 2015 war verfassungswidrig und europarechtswidrig. Ein Zustand, der bis heute andauert. Leider hat dies bis heute keine Partei wirklich thematisiert, mit Ausnahme der AfD. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes hat in Deutschland jemand nur Anspruch auf Asyl, wenn er nicht aus einem sicheren Drittstaat oder aus einem anderen EU-Mitgliedstaat kommt. Europarechtlich ist das im Abkommen von Dublin festgehalten. Beides ist in Deutschland missachtet worden. Spricht unsere Politik davon, dass wir eine europäische Lösung brauchen, ist das ein Scheinargument. Die europäische Lösung ist längst da, Dublin ist längst da. Nach dieser Rechtslage können wir jeden Flüchtling, der aus Ungarn, Österreich oder Dänemark kommt, an der Grenze zurückschicken."  

Die Duldung der Sekundärmigration an den deutschen Grenzen durch die Bundesregierung verstößt demnach sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen Europarecht.

Es war Angela Merkel, die ihren früheren Innenminister Thomas de Maizière aufgefordert hat, sich über diese eindeutige Rechlage hinwegzusetzen. Inzwischen haben sich in der Bundesregierung über den Umgang mit unerlaubt einreisenden Migranten folgende Positionen durchgesetzt: Erstens sei die DublIn-Verordnung so auszulegen, dass eine Zurückweisung an den Grenzen nicht erlaubt ist, sobald der Einreisende von sich sagt, Schutzsuchender zu sein. Und zweitens, dass diese EU-Verordnung höher anzusiedeln sei als nationale Gesetze - selbst wenn die EU-Verordnung dauerhaft nicht funktioniert und von vielen Ländern missachtet wird.

Seehofer selbst hat diesen Zustand einmal als „Herrschaft des Unrechts“ an der Grenze bezeichnet. Es wird deshalb höchste Zeit, dass er sich als Innenminister um die Lösung dieses Problems kümmert.

II

Europäische Scheinlösungen

Die WamS berichtete in ihrer Ausgabe vom 17. November 2019, dass im Bundesinnenministerium an einem neuen europäischen Asylsystem gearbeitet wird. Nach einem der Zeitung vorliegenden Eckpunkte-Papier soll das System aus den folgenden drei Elementen bestehen:

• Erstens soll eine verpflichtende Vorprüfung von Asylanträgen an der Außengrenze stattfinden, bevor die Ankömmlinge als rechtlich eingereist gelten. Damit sich die Asylsuchenden der Vorprüfung nicht entziehen, soll es  notfalls auch „freiheitseinschränkende Maßnahmen“ geben. Auf eine Antragsablehnung soll unmittelbar die Zurückweisung oder Rückführung erfolgen.
 
• Zweitens soll nur noch Asylsuchenden mit positiver Vorprüfung die Einreise in die EU gestattet werden. Die Verteilung auf die Mitgliedstaaten soll nach Quoten erfolgen, die die Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft berücksichtigen. Auch Umstände des Einzelfalls wie etwa „Familienzugehörigkeit“ können bei der Zuweisung relevant sein.
 
• Drittens soll erstmals in der Geschichte der EU die unerlaubte Weiterwanderung innerhalb Europas wirksam bekämpft werden. Hierzu sollen „Unterkünfte und Sozialleistungen“ ausschließlich im zuständigen Mitgliedsstaat gewährt werden. Wer in ein anderes Land weiterreist, soll weder einen Anspruch auf Asyl noch ein Klagerecht haben.


Das Eckpunktepapier folgt dem von Merkel vertretenen europäischen Ansatz, nicht den früheren Plänen von Seehofer, das Asylproblem auf nationaler Ebene zu lösen. Das Neue an dem Plan besteht in der Kombination von drei bisher politisch nicht durchsetzbaren Maßnahmen, die nur gemeinsam wirken können. Davon verspricht man sich im Bundesinnenministerium eine bessere Argumentationslinie innerhalb der EU.

Nach den Plänen des Innenministeriums soll das vorgeschlagene System schon in einem Jahr verbindliches EU-Recht sein. Man hofft dabei auf die zweite Jahreshälfte 2020, wenn Deutschland den EU-Ratsvorsitz innehat.

Die möglichen Fallstricke des Plans sind jedoch leicht zu erkennen:

• Falls die Abschiebungen der vielen abgelehnten Bewerber von den Außengrenzen nicht gelingen, platzt das ganze System.
• Der Widerstand von Verfechtern offener Grenzen wird heftig sein.
• Vor allem die Osteuropäer dürften nur schwer von der bisher strikt abgelehnten Quotenverteilung zu überzeugen sein.
• Eine Mehrheit der EU-Staaten profitiert vom bisherigen Zustand, weil die Asylbewerber meist in die wohlhabenden Länder weiterziehen.
• Der vorgesehene  Familiennachzug würde vor allem Deutschland belasten, das seit 2015 rund 1,5 Millionen Asylbewerber aufgenommen hat.

Angesichts solcher Bedenken ist kaum damit zu rechnen, dass das Eckpunktepapier des Innenministeriums jemals europäisches Recht wird. Dies bedeutet, dass die Sekundärmigration nach Deutschland andauern wird. Jedenfalls solange, wie Angela Merkel als Bundeskanzlerin aufgrund ihrer Richtlinienkompetenz über die grundsätzliche Asylpolitik zu entscheiden hat.

Im Jahr 2021 stehen jedoch Bundestagswahlen an. Vielleicht gibt es dann eine/n Bundeskanzler/in, der/die sich dazu durchringen kann, das Problem durch Schließung der nationalen Grenzen – wie in Dänemark oder Schweden – zu lösen.   


 


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