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Reform- und Steuerpolitik : Die ungeliebte Schuldenbremse
31.08.2025 14:04 (54 x gelesen)

Die ungeliebte Schuldenbremse


(Reform und Vorgeschichte der Schuldenbremse)

Die Schuldenbremse 2009

Seit 2009 ist die Schuldenbremse ein zentrales Element der deutschen Haushaltspolitik. Sie verdankt ihre Entstehung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, als deren Folge sich die Bundesrepublik zur Rettung von Banken und Unternehmen hoch verschuldete. Um dem Grenzen zu setzen, wuchs die Bereitschaft, die Finanzlage langfristig dadurch zu stabilisieren, dass der Neuverschuldung von Bund und Ländern strenge Grenzen gesetzt wurden. Nach hitzigen Debatten beschloss der Bundestag am 29. Mai 2009 mit der nötigen Zweidrittelmehrheit die Einführung der sogenannten  Schuldenbremse in das Grundgesetz (Art. 109 und 115 GG). 

Diese erste Schuldenbremse schrieb Bund und Ländern vor, ihre Haushalte grundsätzlich ohne Aufnahme neuer Schulden auszugleichen. Diesem Grundsatz wurde entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 Prozent vom nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht überschritten. Konjunkturelle Schwankungen sowie außergewöhnliche Notsituationen, wie z. B. Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen, erlaubten vorübergehende Abweichungen von dieser Regel.

Ziel war es, die Haushaltsdisziplin zu stärken und sicherzustellen, dass die Verschuldung nicht aus dem Ruder läuft. Die jeweilige Bundesregierung sollte gezwungen werden, Ausgaben zu priorisieren und effizient zu wirtschaften. Eine nachhaltige Haushaltsführung trägt schließlich zur wirtschaftlichen Stabilität bei und schafft Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit Deutschlands, was sich wiederum positiv auf die Refinanzierungskosten auswirkt. Die Begrenzung der Neuverschuldung sollte aber vor allem verhindern, dass zukünftige Generationen übermäßig durch Zinszahlungen belastet wurden. 

Die Schuldenbremse war hierbei entsprechend dieser Zielsetzung aber nur teilweise erfolgreich: Sie erreichte zwar, dass die offiziell ausgewiesene Verschuldung der Bundesrepublik derzeit mit rund 63 Prozent des BIP nur leicht über der Quote liegt, die der Europäische Stabilitätspakt erlaubt. 

Zusammengerechnet beläuft sich Deutschlands Gesamtverschuldung auf 2,7 Billionen Euro. Das ist aber nur der Teil, den die Öffentlichkeit zu sehen bekommt. Die sog. „verdeckte Staatsverschuldung“ ist darin nicht enthalten: Dazu gehören vor allem die sozialen Leistungen, die spätere Generationen bezahlen müssen. Die Gesamtsumme solcher Verbindlichkeiten, die etwa in den Sozialversicherungen und in der Beamtenversorgung versteckt sind, summieren sich laut der Generationenbilanz der Stiftung Marktwirtschaft auf 19,5 Billionen Euro. Das ist in etwa das Viereinhalbfache des heutigen deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP).


Reform der Schuldenbremse 2025

Die Reform der Schuldenbremse im Jahre 2025 ist das Ergebnis einer veränderten Sicherheitslage infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine und der jahrzehntelangen Vernachlässigung von Bundeswehr und Infrastruktur. Vor allem an den dadurch entstandenen Finanzierungsfragen ist die Ampelregierung (2022-2025) gescheitert, so dass der Bundestag am 23. Februar 2025 neu gewählt wurde.

Das Wahlergebnis und die anschließenden Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD führten zu einer Koalition zwischen diesen beiden Parteien und zur Bildung einer neuen Regierung mit Friedrich Merz als Bundeskanzler. In dem Koalitionsvertrag heißt es im auf Hinblick auf die russische Bedrohung und den Krieg in der Ukraine zur Verteidigungspolitik: „Es ist zwingend, dass wir die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte kurzfristig, nachdrücklich und nachhaltig erhöhen.“  

Außerdem haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag geregelt: „Eine funktionierende Infrastruktur ist die Basis für Wohlstand, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Deutschland braucht deshalb einen Booster bei der Infrastruktur…Die Schaffung eines 500 Milliarden Euro starken Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität soll eine entscheidende Weichenstellung für eine langfristige, positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands sein.“

Auf dieser Basis wurden noch vor Bildung der neuen Regierung – auch mit Hilfe ökonomischer Sachverständiger – Vorschläge für eine Reform der bestehenden Schuldenbremse erarbeitet. Daraufhin kam der von den Bürgern bereits abgewählte Bundestag am 13. und 18. März 2025 zu einer Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunk war das „historische Finanzpaket“, auf das sich die Union und SPD verständigt hatten, und die dafür erforderlichen Änderungen des Grundgesetzes zur Schuldengrenze. 

Die vom Bundestag mit der erforderlichen Mehrheit beschlossenen Änderungen  der Artikel 109, 115 und 143h Grundgesetz (GG) sehen folgendes vor: 

1.    Künftig zählen Ausgaben des Bundes für Verteidigung, Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste, Schutz informationstechnischer Systeme und Hilfe für von Angriff betroffene Staaten nur noch bis zu 1 % des Bundesinlandsprodukts (BIP) als begrenzte „Schuldenaufnahme“ im Sinne der Schuldengrenze. Das bedeutet, dass der Bund diese Ausgaben aus dem normalen Haushalt nehmen muss. Alles, was darüber hinaus geht, fällt komplett aus der Schuldenbremse heraus, d.h. der Bund darf dafür unbegrenzt neue Schulden aufnehmen. 

2.    Darüber hinaus hat der Bundestag beschlossen, ein neues, kreditfinanziertes Sondervermögen des Bundes für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und zur Erreichung der „Klimaneutralität bis 2045“ in Höhe von 500 Milliarden Euro zu schaffen. Die Schuldengrenze gilt für dieses Sondervermögen nicht. 
Zu diesem Sondervermögen ist in Artikel 143h GG folgendes geregelt: Der Bund kann für die genannten Zwecke in den nächsten zehn Jahren Kredite aufnehmen, allerdings nur für „zusätzliche Investitionen“. 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen müssen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) übertragen werden. Außerdem kann der Bund aus dem Sondervermögen im Umfang bis zu 100 Milliarden Euro auch Investitionen der Länder in deren Infrastruktur finanzieren. Der Bund ist zur Prüfung der zweckentsprechenden Mittelverwendung berechtigt und kann Mittel zurückbehalten oder zurückfordern, sofern eine zweckentsprechende Mittelverwendung nicht nachgewiesen wird.   

3.    Für die Bundesländer wurde erstmals ein Verschuldungsspielraum geschaffen. Künftig dürfen auch die Länder jährlich Kredite in Summe bis zur Höhe von 0,35 % des nominalen BIP aufnehmen — analog zur bisherigen Regelung für den Bund. Die genaue Verteilung auf die einzelnen Länder soll später per einfachem Gesetz geregelt werden.

Der Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes wurde am 18. März 2025 vom Deutschen Bundestag mit 512 Ja-Stimmen, 206 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen angenommen. Für diese Verfassungsänderung waren 489 Stimmen (Zwei-Drittel-Mehrheit) erforderlich. Der Bundesrat erteilte der Änderung am 21. März 2025 mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit seine Zustimmung, womit die letzte Hürde genommen war. Die Änderungen wurden vom Bundespräsidenten unterzeichnet und traten damit in Kraft.

Amtliche Begründung der Reformbeschlüsse

Der zentrale Grund für die faktische Abschaffung der Schuldenbremse für Ausgaben des Bundes für Verteidigung, Zivil- und Bevölkerungsschutz etc., die über einem Prozent des BIP liegen, ist die fundamentale Veränderung der europäischen Sicherheitslage. Dazu heißt es in der Begründung der Beschlussentwürfe: 

„Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert nunmehr bereits über drei Jahre und hat die Sicherheitslage in Europa aus Sicht der antragstellenden Fraktionen der SPD und CDU/CSU dramatisch verändert. Der Amtsantritt der neuen US-Regierung lässt darüber hinaus nicht erwarten, dass sich die existierenden geoökonomischen und sicherheitspolitischen Spannungen in der internationalen Politik verringern. Die Erwartung, dass man in Europa nach einer temporären Phase zur sicherheitspolitischen Normalität der früheren Jahre zurückkehren könne, hat sich nicht bewahrheitet.“

„Zurzeit überprüfen die USA ihr sicherheitspolitisches Engagement in Europa. Die USA haben zudem ihre Ukraine-Politik neu ausgerichtet und die militärische Unterstützung der Ukraine unterbrochen. Auf Deutschland und Europa können daher größere finanzielle Lasten zukommen. In den kommenden Jahren wird die Bundesregierung vor der Herausforderung stehen, die Fähigkeiten der Landes- und Bündnisverteidigung deutlich zu stärken und ihrer Mitverantwortung für Sicherheit in Europa nachzukommen.“ 

Der amtliche Grund für die Schaffung eines kreditfinanzierten Sondervermögens in Höhe von 500 Mrd. Euro ist der Zustand der Infrastruktur und die Notwendigkeit von Investitionen, um das Verteidigungspotential zu stärken und den Wirtschaftsstandort zu verbessern. 

„Die Infrastruktur ist auch im Zusammenhang mit der angestrebten sehr zügigen und umfassenden Ertüchtigung der Verteidigungsfähigkeit ein wesentlicher, quasi komplementärer Faktor. Die tatsächliche Fähigkeit, ein deutlich gesteigertes Verteidigungspotenzial auch zur Wirkung zu bringen, setzt die Verfügbarkeit einer ausgebauten, funktionstüchtigen und modernen Infrastruktur, z. B. im Verkehrsbereich, voraus.“
 
„Die Infrastruktur ist vor allem aber ein maßgeblicher Standortfaktor, der die Wettbewerbsfähigkeit und die mittelfristigen Wachstumsaussichten einer Volkswirtschaft wesentlich beeinflusst. Die Investitionen in diesen Standortfaktor sind im letzten Jahrzehnt gering ausgefallen.“ 

„Insgesamt ist die gesamtwirtschaftliche Dynamik in Deutschland derzeit schwach. Die deutsche Volkswirtschaft steht vor erheblichen strukturellen Herausforderungen, die das Wachstumspotenzial seit Jahren dämpfen. Hierzu zählen nach Einschätzung unabhängiger Experten auch die Defizite der öffentlichen Infrastruktur. Das preisbereinigte Potenzialwachstum, das vor einem Jahrzehnt noch bei rund 1,5 Prozent lag, beträgt aktuell nur rund 0,5 Prozent und wird Prognosen zufolge auf niedrigem Niveau verharren.“

Dass jetzt auch die Länder und Kommunen Kredite in Höhe von 0,35 % des nominalen BIP aufnehmen dürfen, begründet der Bundesgesetzgeber mit dem Missverhältnis zwischen den zu erledigenden Aufgaben und der Finanzausstattung. 

„Die Länder und ihre Kommunen haben insbesondere nach den Krisen der vergangenen Jahre und angesichts vielfältiger, zum Teil neuer, Herausforderungen ebenso wie der Bund große Finanzierungsbedarfe, die unabhängig von der konjunkturellen Lage sind. Diese erwachsen beispielsweise aus der Gewährleistung eines funktionierenden und modernen Bildungs- und Betreuungssystems, der Begleitung von Strukturwandelprozessen, dem Erhalt und der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, der Digitalisierung der Verwaltung, der Anpassung an den Klimawandel, der Integration von geflüchteten Menschen oder der Stärkung des Bevölkerungsschutzes.“


Allgemeine Kritik des Bundesrechnungshofs

In seiner Stellungnahme zur Reform der Schuldenbremse stellt der Bundesrechnungshof nicht infrage, dass für die Finanzierung von Verteidigungsausgaben und der öffentlichen Infrastruktur erhebliche Anstrengungen notwendig sind. Er hat allerdings vor den langfristigen Risiken einer Verschuldungsdynamik gewarnt und einen Konsolidierungsplan angemahnt. 

Die Kernaufgaben des Staates, wie die Verteidigungsfähigkeit und die Gewährleistung einer leistungsfähigen Infrastruktur, sollten nach Meinung des Bundesrechnungshofs jedoch grundsätzlich aus laufenden Einnahmen und nicht über Schulden finanziert werden. Dem tragen die beschlossenen Änderungen des Grundgesetzes nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes nicht Rechnung: 

Verteidigungsausgaben über 1 % des BIP würden nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen, dürften also unbegrenzt über Kredite finanziert werden. Diese könnten bis 2035 zu einer weiteren Verschuldung von über 1 Billion Euro führen – zusätzlich zu den schon bestehenden Schulden des Bundes von 1,7 Billionen Euro. Bereits dadurch kann die Schuldenbremse ihre Schutzwirkung für zukünftige Generationen einbüßen. Der Bundesrechnungshof ist deshalb der Meinung, dass die Ausnahme von der Schuldenbremse erst von mehr als 2 % des BIP, wie es den Zusagen an die NATO entspräche, greifen sollte. Schon damit wären substantielle Verbesserungen möglich.

Grundsätzlich sieht der Bundesrechnungshof die neuen Verschuldungsmöglichkeiten kritisch und stellt fest: „Eine dauerhafte und solide Finanzierung der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist durch einen erheblich schuldenfinanzierten und damit strukturell nicht tragfähigen Haushalt nicht garantiert.“

Hinsichtlich des Sondervermögens Infrastruktur kritisiert der Bundesrechnungshof, dass 100 Mrd. Euro davon an die Bundesländer fließen sollen. Der Bund würde so erneut Verantwortung für Länderaufgaben übernehmen und sich langfristig mit weiteren Zinskosten belasten. Gegen die Finanzierung von Länderaufgaben spricht nach Meinung des Bundesfinanzhofs auch, dass den Ländern mit der Reform ein zusätzlicher Verschuldungsspielraum in Höhe von 0,35 % des BIP eingeräumt wurde. 

Kritik am Verteidigungsminister 

Dem Verteidigungsminister Boris Pistorius haben Deutschlands oberste Haushaltsprüfer einige Aufgaben ins Pflichtenbuch geschrieben. Im Kern: Es gibt zu viele Schreibtisch-Soldaten und man sieht die Gefahr, für viel Geld zu wenig Wehrkraft zu bekommen.

Die Haushaltsprüfer warnen in einem Sonderbericht vor dem Risiko, dass das „Signal der unbegrenzten Verschuldungsmöglichkeiten“ zu steigenden Preisen im Verteidigungsbereich führt. Dazu stellt die Behörde fest: „Anreize für die Industrie, für gleichbleibende Leistungen nunmehr höhere Preise zu verlangen, sind aufgrund nahezu unbegrenzt verfügbarer finanzieller Mittel und einer erhöhten Nachfrage zu erwarten.“

Der Bundesrechnungshof kritisiert zudem die „Kopflastigkeit” in den deutschen Streitkräften und fordert vom Verteidigungsministerium „mehr Truppe“ für den militärischen Kernauftrag. Im Vergleich zum Jahr 2010 standen den Streitkräften im Jahr 2024 für Soldaten rund 60.000 Planstellen weniger zur Verfügung. Dies entspreche einem Rückgang von 24 Prozent. Während die Zahl der Planstellen für die Mannschafts- und die Unteroffiziersebene im selben Zeitraum um 40 beziehungsweise 20 Prozent sank, stieg die Zahl der Planstellen für die Offiziers- und Stabsoffiziersebene um insgesamt 5 Prozent. „Im Ergebnis ist der militärische Personalkörper heute deutlich kopflastiger als im Jahr 2010“, kritisieren die Prüfer. 

Die Finanzwächter fordern von der Führung der Bundeswehr eine umfassende Aufgabenkritik, die aber nicht zu erkennen sei. „Verteidigungswichtiges ist von weniger Wichtigem zu trennen. Es sind noch weitreichende Veränderungen in der Organisation und beim Personal nötig, um die Bundeswehr mit mehr Truppe fit für ihren Kernauftrag zu machen“, mahnt der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller.

Gleichzeitig seien derzeit in der Bundeswehr noch mehrere Zehntausend Dienstposten noch für Aufgaben vorgesehen, die nach der Bewertung des Verteidigungsministeriums im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung nicht wahrgenommen werden müssen. Die Prüfer stellen fest: „Diese Größenordnung ist nicht hinnehmbar.“

Erste Fortschritte bei der materiellen Ausstattung der Bundeswehr und das zusätzliche Geld dürften nicht über den Handlungsbedarf bei Organisation und Personal hinwegtäuschen. Und: „Um die Bundeswehr auf Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten, ist der Personalkörper umzubauen: Weg von der derzeitigen Kopflastigkeit, hin zu mehr ‚Truppe‘.“

Der Bundesrechnungshof hat auch das Ministerium selbst in den Blick genommen, das entgegen vieler Ankündigungen nicht schlanker wurde. 2017 seien rund 2.500 Dienstposten als „auskömmliche Personalausstattung“ festgestellt worden. Trotzdem sei das Haus mit rund 3.000 Dienstposten heute wieder vergleichbar groß wie im Jahr 2012. 

Kritik am Sondervermögen

300 Milliarden Euro sollen aus dem neuen Sondervermögen in die Infrastruktur fließen. Knapp ein Drittel davon sind laut Bundesregierung bereits verplant. 

Mit der ersten Lesung des Haushalts 2025 wollen Union und SPD auch das Einrichtungsgesetz für das Sondervermögen vorlegen. Im Etatentwurf selbst findet sich - als Anhang - der Wirtschaftsplan des neuen Sondervermögens. Darin wird deutlich, wo die Bundesregierung in den kommenden Jahren zusätzlich investieren will:

Der größte Teil der Investitionen fließt in Straßen, Brücken und Schienen. Für dieses Jahr sind 11,7 Milliarden Euro eingeplant, für die Folgejahre 78,1 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen. Viele der gelisteten Vorhaben sind nicht neu: Die Investitionen in Straße und Schiene standen bisher im Verkehrsetat, die Verwaltungsdigitalisierung war bislang im Innenetat angesiedelt.

Für den Erhalt von Autobahnbrücken sind 2,5 Milliarden Euro vorgesehen, weitere 6,5 Milliarden Euro stehen langfristig bereit. Die Deutsche Bahn soll 7,6 Milliarden Euro für die Sanierung der Schienenwege erhalten - in den Folgejahren kommen 62,9 Milliarden Euro hinzu. Zusätzlich sollen 1,6 Milliarden Euro in die Umrüstung auf das europäische Zugsicherungssystem ERTMS fließen.

Auch die Digitalisierung wird deutlich gefördert. Für 9 Maßnahmen stehen in diesem Jahr rund 4 Milliarden Euro bereit, weitere 3,2 Milliarden Euro sind als Verpflichtungsermächtigungen gebunden. Den Schwerpunkt bildet der Breitbandausbau: 2,9 Milliarden Euro fließen dieses Jahr, 1,8 Milliarden Euro folgen später. Auch 5 Maßnahmen zur Digitalisierung der Verwaltung, die bislang zum Innenetat gehörten, wurden ins Sondervermögen überführt. Beispielsweise sind 263 Millionen Euro für die Registermodernisierung vorgesehen.

Das Sondervermögen will die Bundesregierung auch dazu nutzen, die Folgen des russischen Angriffskrieges für den Energiemarkt zu mildern. Zirka 855 Millionen Euro sollen in diesem Jahr für "Investitionen in die Energieinfrastruktur" zur Verfügung gestellt werden, weitere 409 Millionen Euro sind für die nächsten Jahre verplant.

Bei einer Anhörung im Bundestag zum Sondervermögen übten gleich mehrere Experten deutliche Kritik am laxen Umgang mit den Investitionsmitteln. Statt sie – wie angekündigt - für den Bau zusätzlicher Straßen, Schienen und Schulen zu verwenden, würden damit in erster Linie längst geplante Projekte finanziert (DIE WELT vom 26.08.2025): 

„Das Geld muss in zusätzliche Investitionen fließen“, sagte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomik und Konjunkturforschung (IMK). Beim Blick in die Haushaltspläne der schwarz-roten Bundesregierung werde allerdings deutlich, dass einige Ausgaben, die sich bereits in vergangenen Haushalten der Ampel-Regierung fanden, nun in exakt gleichem Umfang aus dem Sondervermögen finanziert werden sollen. 

Klare Worte fand auch der Verkehrsexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. „Die Zusätzlichkeit im Verkehrshaushalt ist nicht nachvollziehbar“, sagte Böttger. Der überwiegende Teil der insgesamt 107 Milliarden Euro, der in den kommenden Jahren in die Schiene fließen soll, werde einfach aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschoben. 

Die Verwaltungswissenschaftlerin Désirée Christofzik sah zudem die Gefahr, dass die Gelder aus dem Sondervermögen in die falschen Projekte fließen. „Es ist wesentlich, darauf zu achten, dass die richtigen Maßnahmen ausgewählt werden“, sagte sie, nämlich nur solche, die die erhoffte Wachstumswirkung entfalten werden. Diese Kontrollfunktion komme eigentlich dem Parlament zu, bislang fehle es aber an geeigneten Instrumenten, um die Wirkung der Ausgaben überprüfen zu können. 

Hierzu verwies der Volkswirt Ulrich Suntum auf das grundsätzliche Problem, dass der Kapitalstock eines Landes nicht gesteigert wird, wenn Straßen, Schienen und Brücken lediglich repariert und ersetzt würden. “Ich kann keinen positiven Beitrag zum Wachstum erkennen“, sagte er. Es würden die finanziellen Belastungen in Form zusätzlicher Schulden und Zinsausgaben  einfach auf künftige Generationen geschoben werden. 

Fazit: 

Das schuldenfinanzierte Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden und die Ausnahme der Bundeswehr von der Schuldenbremse sind in Kreisen von CDU und CSU nicht gut angekommen. Viele sehen darin einen Verrat an den über Jahre gepflegten Grundüberzeugungen der Partei, dass zu einem gesunden Gemeinwesen auch solide Finanzen gehören. Das kann die Union Stimmen kosten. 

Außerdem zeigt die Kritik des Bundesrechnungshofes, dass mit den beschlossenen Ausnahmen zur Schuldenbremse zwar die Finanzierung der Bundeswehr und von Infrastrukturinvestitionen gesichert ist, die Rückzahlung der neuen Schulden aber offengeblieben ist. Es fehlt der Konsolidierungsplan, der verhindert, dass sich aus der Schuldendynamik eine finanzielle Katastrophe entwickelt. 

Inzwischen ist eine 15-köpfige Expertenkommission berufen worden, die innerhalb von zwei Monaten einen Vorschlag zur „Modernisierung der Schuldenbremse“ vorlegen soll, die „dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung unseres Landes ermöglichen“. Offensichtlich steht dahinter der Wunsch, die Verschuldungsmöglichkeiten des Bundes noch zu erweitern. Davor ist zu warnen! 

Stattdessen sollte sich die Kommission damit beschäftigen, Lösungen für die Rückzahlung der bereits aufgenommenen Schulden zu erarbeiten. 


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