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Schäuble´s Steuerkartell
22.11.2016 20:04 (2423 x gelesen)

Schäuble´s Steuerkartell

Die britische Premierministerin Theresa May kündigte fünf Monate nach der Entscheidung über den Brexit an, sie werde die Unternehmenssteuern drastisch senken. Die Körperschaftssteuer in Großbritannien soll unter 15 Prozent gesenkt werden. Auch Forschung und Entwicklung sollen steuerlich stärker gefördert werden.  May erklärte, sie wolle „die niedrigste Unternehmenssteuer in der G-20 haben.“

In Brüssel und Berlin stieß diese Ankündigung auf schroffe Ablehnung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte die Briten davor, mit der Absenkung bei Unternehmenssteuern einen Steuerwettbewerb in Europa in Gang zu setzen. „Noch ist Großbritannien Mitglied der Europäischen Union“, sagte der CDU-Politiker. „Also sind sie an europäisches Recht gebunden.“ Und auch dann, wenn Großbritannien ausscheiden sollte, widersprächen Steuersenkungen den Vereinbarungen, die die G-20-Staaten vor einem Jahr bei ihrem Gipfeltreffen in Antalya beschlossen hätten, mahnte der deutsche Finanzminister. „Sie sind an das gebunden, was sie beim G-20-Gipfel von Antalya versprochen haben.“

Wolfgang Schäuble verfolgt seit vielen Jahren das Ziel, innerhalb und außerhalb der EU mit Hilfe internationaler Absprachen einen in seinen Augen schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Staaten zu verhindern oder zu erschweren. Er begründet ein solches Steuerkartell damit, dass die Verlagerung von Steuersubstrat in Steuer-Oasen und Niedrigsteuerländer unterbunden werden müsse. Seine wütende Reaktion gegenüber der britischen Regierung erklärt sich daraus, dass sie ihm bei solchen Bemühungen einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Inzwischen gibt es jedoch immer mehr Staaten, die dieses Steuerkartell verlassen wollen. Auch Donald Trump, der zukünftige Präsident der USA, hat umfangreiche Steuersenkungen angekündigt. Es soll sich um die größte Steuersenkung seit der Reform von Reagan in den 80er Jahren handeln. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von 39,6 Prozent auf 33 Prozent senken. Die steuerliche Belastung von Unternehmen will Trump von 35 auf 15 Prozent vermindern. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftssteuer will Trump ganz abschaffen.

Und wenn der republikanische Präsidentschaftskandidat in Frankreich, Francois Fillon, im nächsten Jahr die Wahlen in Frankreich gewinnt, dann wird auch dort die Steuerlast für Unternehmen und Private erheblich reduziert. Fillon will die Steuern und Abgaben  in Frankreich um 40 Milliarden Euro senken. Den Privathaushalten verspricht er, sie von Steuern und Sozialausgaben in Höhe von zehn Milliarden Euro zu entlasten. Die 1982 von den Sozialisten eingeführte Vermögenssteuer will er wieder abschaffen, um die Finanzierung von Unternehmen zu fördern.

Wenn May, Trump und Frillon halten, was sie versprechen, dann wäre das international eine Trendumkehr. Denn in den letzten zehn Jahren waren Steuersenkungen kein Thema mehr. Die letzten Steuersenkungen in Deutschland gab es durch die Regierung Schröder. Danach ging es mit den Steuern Jahr für Jahr weiter nach oben.

Auch in dem jüngst beschlossenen Leitantrag der CDU, mit dem die Bundeskanzlerin im nächsten Jahr um ihre Wiederwahl kämpfen will, ist von Steuersenkungen nicht die Rede. Ganz im Sinne von Wolfgang Schäuble bleibt es das Ziel der CDU, auch weiterhin keine neuen Schulden zu machen und die Steuerquote zu halten. Finanzielle Spielräume, die durch die wachsenden Steuereinnahmen entstünden, sollten zu je einem Drittel für den Ausbau der Infrastruktur, Steuerentlastungen „vor allem von Familien und Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen“ sowie zur Finanzierung „notwendiger Ausgabensteigerungen“ wie in der Sicherheitspolitik verwendet werden. Um welche Beträge es geht, steht nicht im Programm. Experten erwarten bis 2021 staatliche Mehreinnahmen gegenüber 2016 von 162 Milliarden Euro, davon 68 Milliarden allein beim Bund.

Auch bei den anderen Parteien ist von Steuersenkungen nicht die Rede. Die Grünen haben die Wiedereinführung der Vermögenssteuer beschlossen. Auch SPD und Linke wollen die Steuern erhöhen – insbesondere für „Besserverdienende“ und „Reiche“ sowie Kapitalanleger. In ihren Programmen stehen neben der Wiedereinführung der Vermögenssteuer höhere Erbschaftssteuern, höhere Einkommensteuer für „Spitzenverdiener“ und die Erhöhung der Abgeltungssteuer für Kapitalanleger. Selbst CDU-Politiker wie Kramp-Karrenbauer, die der Bundeskanzlerin nahe steht, sprechen sich für Streuererhöhungen aus. 

Es gibt unter den maßgeblichen Politikern in Berlin keine Stimme mehr, die sich ernsthaft für Steuersenkungen einsetzt und die angekündigten Steuerpläne aus Washington, London und Paris begrüßt hat. Demgegenüber sieht der Wirtschaftsweise Lars Feld die Ankündigungen für niedrigere Unternehmenssteuern durchaus positiv. „Die Senkung der allgemeinen Steuersätze ist ein ganz normaler Wettbewerb und keineswegs Steuerdumping“, sagte er gegenüber der „Welt“. Anders sei es mit Sondervorteilen, die Unternehmen gewährt würden. Aber bei Großbritannien gehe es um eine Senkung des allgemeinen Steuersatzes – das sei auch nach EU-Recht völlig legal und legitim. „Es ist gut, wenn wir in der Unternehmensbesteuerung jetzt mehr Druck von außen bekommen“, sagte Feld. Da es in vielen Ländern wie etwa Frankreich in den vergangenen Jahren zu Steuererhöhungen gekommen sei, sei der Wettbewerbsdruck zuletzt nicht groß gewesen. „Das ändert sich jetzt, weil Länder wie die USA oder Großbritannien nun wieder eine größere Präferenz für Steuersenkungen haben und dafür auch bereit sind, höhere Schulden zuzulassen.“

Die Bemühungen der G-20-Staaten, den aus liberaler Sicht vorteilhaften Steuerwettbewerb durch ein Steuerkartell zwischen den Staaten auszuschließen, scheiterten endgültig, als der amerikanische Senat Anfang Dezember 2017 den von Präsident Donald Trump eingebrachten Gesetzentwurf für eine große Steuerreform mit knapper Mehrheit gegen die Stimmen der Demokraten annahm. Nach diesem Gesetz wird die Körperschaftssteuer in den USA von 35 Prozent  auf 22 bis 20 Prozent sinken. Investitionen können rasant abgeschrienen werden. Für grenzüberschreitende Konzernleistungen gilt zukünftig eine Importsteuer ("Excise Tax") von 20 Prozent.

Im Vergleich der Belastungen von Unternehmen mit Steuern rutschen die USA damit von der Spitzenposition (39,23 %) künftig ins Mittelfeld (24,23 %) ab. Spitzenreiter wird dann Frankreich (38 %) sein, gefolgt von Japan (32,26), Italien (31,4 %) und Deutschland (29,83 %). In der geschäftsführenden Bundesregierung reagiert man auf die Aufkündigung des Steuerkartells durch die USA verhalten. "Wir beobachten das und halten Kontakt mit unseren internationalen Partnern", heißt es im Bundesfinanzministerium. Steuersenkungen gehören dort schon lange zu den Projekten, mit denen man fremdelt.     


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