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Die Mobilitätswende
17.12.2017 23:20 (1902 x gelesen)

Die Mobilitätswende

Die Autoindustrie bietet der Politik ein Betätigungsfeld wie keine andere Branche. Davon ist keine Partei ausgenommen. Vorreiter sind jedoch die Grünen, die derzeit die Richtung und das Tempo bestimmen. Die Grünen wollen die Abgas-Manipulationen zum Wahlkampfthema 2017 machen. Cem Özdemir: „Wer will, dass der Automobilstandort Deutschland erhalten wird, und das geht nach Lage der Dinge nur mit emissionsarmen und dann eben mit emissionsfreien Fahrzeugen“ – wer das wolle , der findet bei den Grünen „das beste Angebot“. (DIE WELT vom 1. Aug. 2017)

„Selbstverständlich werden wir auch morgen noch mit Autos unterwegs sein“, heißt es im Programm der Grünen. „Es werden insgesamt weniger Autos sein, und sie werden mit Strom aus Sonne und Wind oder Wasserstoff statt mit Diesel und Benzin angetrieben.“ Die Zukunftsvision der Grünen rankt sich um „leise Autos ohne Auspuff und mit Fahrspaß“, um die „Stromtankstelle gleich um die Ecke“ und darum, dass die Menschen noch lieber mit dem öffentlichen Nahverkehr, der Bahn und auf „sicheren Rad- und Fußwegen“ vorankommen sollen.

Herzstück des Programms ist es, von 2030 an nur noch abgasfreie Autos neu zuzulassen. „Das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren ist dann zu Ende.“ Dies wird nicht umweltpolitisch,  sondern industriepolitisch begründet: „Wenn wir den Anschluss verpassen, wie es zum Beispiel beim Elektroauto droht, gehen Arbeitsplätze und Wohlstand verloren“, heißt es in dem Programm der Grünen. Der Technologiewandel soll gegenüber der Autoindustrie erzwungen werden. Dazu dienen ihnen  Fahrverbote in Städten, ein generelles Tempolimit, strenge Luftreinhaltungsnormen und CO2-Grenzwerte und letztlich das Verbot des Verbrennungsmotors.

Cem Özdemir, grüner Spitzenkandidat für die Bundestagwahl, sieht sich bzw. die Grünen als „Antreiber“ der Autobranche. Wie Autos gebaut werden, das soll künftig nicht mehr in den Unternehmen bzw. von den Verbrauchern entschieden werden, sondern in einer „Zukunftskommission“, die direkt bei der Bundesregierung angesiedelt sein soll: „Lasst uns eine Zukunftskommission einsetzen mit Arbeitgebern, Gewerkschaften, Wissenschaft, Verbraucherverbänden. Und da diskutieren wir über das Auto von morgen, Unter Leitung im Kanzleramt. Und da legen wir fest, was wir brauchen für die Verkehrswende.“ Als Vorbild nannte er die Energiewende – die ja bekanntlich inzwischen ebenfalls planwirtschaftlich dirigiert wird.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann lehnte solche Pläne vehement ab: „Die Idee, dass die Politik einen Endtermin 2030 für bestimmte Motoren festlegt, ist komplett unrealistisch, soll es nicht zum Fiasko führen. Wir brauchen eine Balance von Umwelt- und Klimaschutz, Beschäftigung und leistbarer Innovation, um zu einem belastbaren Ausstiegsszenario zu kommen.“

Die Grünen sind nicht die Einzigen, die die Mobilitätswende herbeiregieren möchten. Auch die schwarz-rote Bundesregierung hat dafür einen klaren Fahrplan, den sie im November 2016 als „Klimaschutzplan 2050“ beschlossen hat. Darin wird beschrieben, was die großen Wirtschaftssektoren tun müssen, um die Kohlendioxid-Emissionen um 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Für den Verkehrssektor lautet das regierungsamtliche Ziel: „Das Verkehrssystem in Deutschland wird im Jahr 2050 nahezu unabhängig von Kraftstoffen mit fossilen Kohlenstoffen und somit weitgehend treibhausgasneutral sein.“ Bis 2030 soll der Verkehrssektor trotz des Anstiegs im Pkw- und Lkw-Verkehrs mit 42 Prozent weniger CO2-Emissionen auskommen.

Die Bundesregierung räumt ein, dass solche „ambitionierten“ Ziele „allein mit der Verbesserung der Energieeffizienz von Verbrennungsmotoren nicht mehr erreicht werden können“. Sie schreibt deshalb: „Die Elektrifizierung der Neuwagenflotte wird dabei einen maßgeblichen Beitrag leisten und sollte Priorität haben.“ Im Ergebnis will die Regierung den von den Grünen vorgezeichneten Weg gehen: „Der nächste notwendige Schritt ist es nun, im Kontext des Treibhausgas-Minderungsziels für 2030, Rahmenbedingungen für die Einführung und Marktdurchdringung der notwendigen Antriebstechnologien und Energieträger zu ermitteln.“ Die Bundesregierung lässt zwar offen, ob von 2030 an nur noch E-Autos erlaubt sein werden. Ihre ambitionierten Klima-Ziele lassen sich aber nur mit solchen Maßnahmen erreichen.

Inzwischen bezeichnete Angela Merkel den Verbrennungsmotor - wie vor der Energiewende die Atomkraftwerke - als "Brückentechnologie" und sagte, dass sie es grundsätzlich für richtig halte, einen Termin für ein vollständiges Verbot von neuen Autos mit Verbrennungsmotor zu beschließen. Trotzdem wurde die Kanzlerin bei der Eröffnungsfeier der Internationalen Automobilausstellung (IAA) 2017 freundlich mit viel Applaus von den Industrievertretern empfangen. Als VDA-Präsident Matthias Wissmann vor Pauschalurteilen warnte und sich die Frage erlaubte, ob " es ein kluges Regulierungskonzept ist, wenn auf der Straße ein Grenzwert von 40 Mikrogramm, im Büro ein Grenzwert von 60 Mikrogramm und in der Industrie von 950 Mkrogramm gilt?", folgten die Antworten aus der Politik prompt - und zwar parteiübergreifend kritisch. "Die Frage kann nicht sein, ob irgendwo anders andere Grenzwerte gelten", stellte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) klar. "Priorität des Handelns hat die Gesundheit der Bevölkerung." Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) machte deutlich, dass man es nicht akzeptiere, wenn die Industrie die Verantwortung nun bei angeblich falschen Obergrenzen suche. "Es macht wenig Sinn über die Sinnhaftigkeit von Grenzwerten zu sprechen", sagte er. "Wenn man sie nicht einhält, hat man Vertrauen verloren." Angela Merkel kann sich auf ihre Truppen verlassen: Die Politik macht keine Fehler - schuld ist die Industrie!

Fahrverbote

Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil in 28  Städten die Luftreinhaltungspläne  nicht ordnungsgemäß sind und die vorgegebenen Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten werden. Es geht um Feinstaub und Stickoxide. Das Verfahren kann bis zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Geldstrafen führen.

Im Frühjahr 2017 ging ein letztes Mahnschreiben der EU-Kommission an Deutschland und weitere Länder. Brüssel ist höchst verärgert, weil Deutschland in Sachen Luftreinhaltung seit Jahren auf Zeit spielt, die Kommission vertröstet und hinhält. Regelmäßig verstoße das Land gegen die im Jahr 2008 während der Ratpräsidentschaft von Angela Merkel beschlossene Richtlinie für saubere Luft, lautet der Vorwurf.

Auf den EU-Vertragsverletzungsverfahren gründen sich auch die Verbandsklagen der Deutschen Umwelthilfe  (DUH) gegen Städte wie Stuttgart und Düsseldorf. Die Klagen richten sich gegen die Luftreinhalte- und Aktionspläne, die nicht als gesetzeskonform und ausreichend angesehen werden. Nach Auffassung der DUH lassen sich die vorgeschrieben Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide nur mit Hilfe von Fahrverboten in den belasteten Zonen absichern.

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat der DUH in seinem am 28. Juli 2017 verkündeten Urteil weitgehend Recht gegeben. Demnach sind die geplanten Maßnahmen nicht ausreichend, um die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzuhalten. Dass die Hersteller angeboten haben, ältere Dieselfahrzeuge nachzurüsten, reicht dem Gericht nicht. Fahrverbote seien das wirksamste Mittel, um die seit Jahren hohe Belastung zu reduzieren. Gesundheitsschutz sei wichtiger als das Recht, sich mit dem Auto frei zu bewegen, so das Gericht.

Die Autobauer wollen lokale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge für alle Falle verhindern, weil der Absatz von Dieselfahrzeugen darunter massiv leiden würde. Sie halten es im Hinblick auf die Grenzwerte für ausreichend, bei der Steuerungssoftware ein Update durchzuführen, um den Ausstoß von Stickoxid zu drosseln. Darin werden sie von den Gewerkschaften unterstützt. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte: „Ich bin mit Vehemenz gegen pauschale Fahrverbote, wenn sie kurzfristig eingeführt werden … Hunderttausende Menschen werden kalt enteignet.“

Die deutschen Autobauer verweisen zudem auf die Konsequenzen für die Klimapolitik. BMW-Vorstandschef Harald Krüger erinnerte daran, dass „die Dieseltechnologie für das Erreichen des CO2-Ziels definitiv erforderlich“ ist, weil der Diesel durchschnittlich eine um 15 Prozent bessere CO2-Bilanz hat. Natürlich werde man auf elektrische Fahrzeuge setzen, um die Klimaziele für die BMW-Flotte bis 2020 zu erreichen, sagte der Vorstandschef. Doch nur mit Batterieautos und Hybriden werde es nicht zu schaffen sein. Denn schon die Diskussion um drohende Fahrverbote habe zu stark sinkenden Dieselanteilen geführt. Innerhalb von nur einem Jahr fiel der Anteil der Selbstzünder in der BMW-Flotte von 65 auf 61 Prozent in Deutschland.

Wirtschaftsverbände warnen vor einer politischen Überreaktion. Sie haben die Sorge, dass angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Autobauer eine übertriebene umweltpolitische Regulierung auch zu Kollateralschäden in anderen Branchen führen könnte. „Ein Diesel-Einfahrverbot, wie es für die Stadt München diskutiert wird, schadet der bayerischen Wirtschaft und den Verbrauchern“, warnte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. „Für viele Betriebe ist eine kurzfristige Flottenmodernisierung nicht finanzierbar.“

Die Politik steht auch diesmal auf Seiten der Autoindustrie. Selbst Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte: „Wir werden alles Mögliche tun, um Fahrverbote zu vermeiden. Ob das gelingt, wird aber von der Umsetzung der weiterführenden Maßnahmen abhängen.“ Sie bezweifelte allerdings, dass es am Ende bei reinen Updates der Abgas-Software bleiben kann.

Die Verwaltungsgerichte urteilen unabhängig. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht deutete bereits an, dass es Verbote für unausweichlich hält. Schließlich habe die EU-Kommission nicht unbegründet ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet.  Jedes Land habe es zwar selbst in der Hand, wie es die vorgegebenen Grenzwerte einhalten wolle. Je „gravierender die Lage“ aber sei, „desto mehr reduziert sich der Ermessensspielraum der Behörden des Mitgliedstaates bei der Wahl der geeigneten Maßnahmen“. Fahrverbote könnten deshalb die einzig verbleibende Maßnahme sein.

Wie solche Verbote konkret aussehen können, ist unter Verwaltungsrechtlern umstritten. Eine Möglichkeit besteht darin, kurzfristig eine Blaue Plakette für Dieselfahrzeuge mit geringeren Schadstoffwerten einzuführen. Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lehnt die Blaue Plakette ab. Eine andere Meinung vertritt das zuständige Verwaltungsgericht in einem Verfahren der DUH gegen die Stadt Düsseldorf. „Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlauben (…) schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge“, heißt es in dem Urteil. Die Richter folgten dem Vorschlag der Kläger, dass die Kommunen ein „Durchfahrt Verboten“-Schild, das Verkehrszeichen 251, mit einem Zusatzschild anbringen, wonach die Beschränkung für bestimmte Dieselfahrzeuge gilt.

Winfried Kretschmann plädierte deshalb eindringlich für die Blaue Plakette: "Das ist besser, als wenn uns die Gerichte jetzt zu allgemeinen Fahrverboten zwingen, weil wir ihnen keine greifbaren Maßnahmen bieten können. Dann droht uns ein Chaos."

Bußgeldskandal ?

Mitte 2017, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, drohte der Dieselskandal zu eskalieren: Die EU-Kommission und die Opposition im Bundestag drängten darauf, dass die Bundesregierung endlich mitteilen müsse, wie man die Autobauer zur Rechenschaft ziehen wollte. Es ging insbesondere um die Festsetzung von Bußgeldern gegen Volkswagen, wie es die US-Behörden schonungslos getan hatten. Nach der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung kann gegen Autobauer pro Fahrzeug ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro verhängt werden, wenn es nicht dem genehmigten Typ entspricht. Bei 2,5 Millionen Autos von Volkswagen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung stand ein mögliches Bußgeld in Höhe von 12,5 Milliarden Euro im Raum.

Die schwarz-rote Bundesregierung will ein solches Bußgeld gegen Volkswagen verhindern. Schon 2016 erklärte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) öffentlich, dass er auf ein Bußgeld von VW verzichte, wobei er sich auf eine angeblich unklare Rechtslage berief. Die zuständigen Beamten in seinem Ministerium waren da jedoch bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verstöße von Volkswagen durchaus geahndet werden können. Doch das durfte nicht öffentlich werden, auch nicht über den Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Abgasaffäre. Den als Zeugen von diesen Ausschuss geladenen  Beamten des Ministeriums wurde deshalb untersagt, sich zu möglichen Sanktionen gegen Autohersteller zu äußern. Ein Vertreter des Ministeriums rechtfertigte dies damit, dass „wir zur ganzen Thematik Sanktionen ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren haben und dass wir deswegen unseren Zeugen mitgeteilt haben, dass im Zuge der Aussagegenehmigungen Aussagen, die für dieses Vertragsverletzungsverfahren relevant sind, nicht beantwortet werden können“.

Das Bemühen der Bundesregierung, Volkswagen vor möglichen Sanktionen zu schützen, stieß bei der Opposition im Bundestag auf massive Kritik. „Während des Untersuchungsausschusses hat sich die große Koalition immer wieder schützend vor die Autoindustrie gestellt“, sagte Ausschussvorsitzender Herbert Behrens (Linke). „Es muss Sanktionen geben, wenn klar ist, dass Autos in den Handel gekommen sind, die aufgrund von Manipulationen keine Typengenehmigung haben.“ Vertreter von Union und SPD im Bundestag lehnten ein Bußgeld für VW hingegen weiter ab. „Die bei VW müssen dafür sorgen, dass die Kunden einwandfreie Autos haben. Das ist wichtig. Von Bußgeldern hat der Kunde nichts.“  Unions-Vize Michael Fuchs (CDU) sagte, die betroffenen Autos müssten nachgerüstet werden und dürften anschließend weder mehr Kraftstoff verbrauchen noch eine schwächere Leistung zeigen.

Die drohenden Strafzahlungen für Volkswagen und weitere Autohersteller waren damit aber nicht vom Tisch.  Um in der Frage von Sanktionen weiterzukommen, musste die Bundesregierung der EU-Kommission sagen, was die deutschen Autobauer konkret tun wollen, um die Fehler der Vergangenheit zu beseitigen. Aus diesem Grund hat sie kurzfristig zu einem „Nationalen Forum Diesel“ eingeladen, um sich mit den betroffenen Unternehmen über eine Strategie zur Schadensminderung zu verständigen. Dieser Gipfel fand am 2. August 2017 in Berlin statt.

Dieselgipfel

Bei diesem Dieselgipfel waren fünf Bundesminister, die Ministerpräsidenten von neun Ländern und neun Vertreter der deutschen Automobilindustrie anwesend. Bemerkenswert war, dass weder die Bundeskanzlerin noch Vertreter der (für Fahrverbote unter Umständen zuständigen) Kommunen oder des Umweltbundesamtes anwesend waren. Auch Vertreter der Umwelt- und Verbraucherverbände und  die im Ausland produzierenden Automobilhersteller waren nicht beteiligt. Das Ergebnis des Gipfels bestand aus einem knappen, von allen Gipfelteilnehmern getragenem „Ergebnisprotokoll“, einer längere Presseerklärung des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) und einer relativ ausführlichen gemeinsamen „Erklärung“ der anwesenden Bundesminister und Ministerpräsidenten.

Wesentlicher Inhalt der protokollierten Einigung sind folgende drei Punkte:

• Die Nachrüstung von 5,3 Millionen PKW mit einer Abgas-Software für die Abgasnormen Euro 5 und 6.
• „Umstiegsprämien“ (zwecks Flottenerneuerung) für Besitzer älterer Dieselmodelle.
• Ein vom Bund und der Automobilindustrie paritätisch zu finanzierender Mobilitätsfonds für Programme zur Verringerung  lokaler  Stickoxidbelastungen, um Fahrverbote überflüssig zu machen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) meinte, er sei zuversichtlich, „dass wir mit diesen Entscheidungen Fahrverbote vermeiden“. Horst Seehofer (CSU) meinte nach dem Gipfel: „Wir haben jetzt bessere Argumente gegenüber den Verwaltungsrichtern.“ Entscheidend sei, ob nach den Updates dann wirklich die versprochenen 25 bis 30 Prozent weniger NOx-Ausstoß gelingen. BMW-Chef Harald Krüger sagte dazu: „Durch die Updates der Hersteller werden die Stickoxid-Emissionen um 25 bis 30 Prozent reduziert.“

Die Ergebnisse des „Nationalen Forums Diesel“ stellen aus Sicht etlicher Verbände und Politiker jedoch bestenfalls einen Minimalkompromiss dar, der die Gefahr von Fahrverboten nicht beseitigt hat. Die EU-Kommission äußerte sich zurückhaltend. Es handele sich bisher um einen „allerersten Schritt“. Der Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) befürchtet, „dass die versprochenen Software-Updates für neuerer Fahrzeuge und die finanzielle Unterstützung für die Besitzer älterer Autos nicht ausreichen werden, um die Gesundheit der Menschen in den Städten zu schützen“. Weitere Schritte müssten folgen. Auch Barbara Hendricks (SPD) kündigte an, dass über Hardware-Nachrüstungen weiter gesprochen werden müsste, was die Automobilindustrie ablehnt.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte, die Autoindustrie habe wieder die Bedingungen diktiert. Er nannte den Verkehrsminister einen „Schutzpatron der Trickser und Betrüger“, und zwar „mit Billigung der Kanzlerin“. Der Verkehrspolitiker der Linken, Herbert Behrens, sagte, „Forderungen der Industrie seien „fast eins zu eins durchgesetzt worden“. Fahrverbote seien überhaupt nicht vom Tisch. Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), hält für Makulatur, was auf dem Diesel-Gipfel vereinbart wurde. „Die geplanten Nachrüstungen der betroffenen Autos sind weder ausreichend noch rechtens.“

Einen weiteren Gipfel will Angela Merkel nach der Bundestagswahl einberufen. Winfried Kretschmann hält davon nichts: "Ich muss ganz ehrlich sagen: Diese "Gipfel" gehen mir auf den Zeiger. Mit der Dynamik, die in der Entwicklung steckt, können wir mit solchen Formaten nicht Schritt halten. Außerdem sind die Gipfel der Bundesregierung in der Regel schlecht vorbereitet. Der erste Gipfel war nicht besser."

In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei der protokollierten Einigung des ersten Gipfels um ein „gentlemen´s agreement“, das rechtlich nicht verbindlich ist, weil den Beteiligten offensichtlich ein Rechtsbindungswille fehlte, zumal die Festlegungen überwiegend sehr allgemein bleiben. Der Dieselgipfel 2017 gehört deshalb in den Bereich des „Informalen Kooperationshandeln, wie dies typisch geworden ist für modernes Staatshandeln, gerade auch in der Umwelt- und Wirtschaftspolitik“ (Michael Kloepfer). Solches Vorgehen hat für die Bundesregierung den Vorteil, dass sie ihre politischen Vorstellungen außerhalb des parlamentarischen Verfahrens und ohne rechtsstaatliche Bindungen schnell und flexibel umsetzen kann. Die Automobilindustrie verbindet mit einer solchen  Kooperation die Hoffnung, im Konsenswege mit milderen bzw. realistischen Umweltstandards davonzukommen. Angesichts der industriepolitischen Systemrelevanz  der Automobilindustrie und der Schwäche der Regierungen ist dies derzeit vermutlich die „einzig realistische Handlungsoption“.   

Elektromobil

Das führende Unternehmen auf dem Gebiet der Elektromobilität ist der amerikanische Autobauer Tesla. Mitte Juli 2017 hat die Firma aus Kalifornien mit der Serienproduktion seines neuen Modells 3 im Mittelklasse-Segment begonnen. Angeblich sind für das neue Modell 3 bereits 500.000 Vorbestellungen, rund 1800 am Tag, eingegangen. Künftig soll es laut Firmenangaben ein Basismodell ab 35.000 Dollar mit einer Reichweite von bis zu 220 Meilen (354 km) geben. Die derzeit gebauten ersten Exemplare kosten mindestens 44.000 Dollar und haben eine angegebene Reichweite von bis zu 310 Meilen (499 km).

Dass die Marke Tesla derzeit so strahlt, hat viel mit dem dahinter stehenden Unternehmer zu tun. Elon Musk verkörpert den Gründermythos des Silicon Valley wie kein zweiter. Aber nicht alles, was der Südafrikaner anfasste, wurde ein Erfolg. Mehrfach standen Musks Unternehmen kurz vor dem Aus. Eine gewisse Skepsis ist deshalb angebracht, auch gegenüber dem technischen Durchbruch bei der Herstellung von neuartigen Feststoffbatterien. „Alles funktioniert auf Powerpoint“, sagte Musk selbst.

Bei aller Zukunftsbegeisterung: Tesla ist nicht das einzige Unternehmen, das an alternativen Antrieben forscht. Auch die deutsche Konkurrenz ist mit dabei.  Der Unternehmensberater Hermann Simon verweist auf  den hohen Anteil deutscher Teile im Tesla. Der Tesla ist „nicht unerheblich ein deutsches Auto“. Dass die öffentliche Wahrnehmung eine andere sei, liege daran, dass Tesla über jede seiner Aktionen gleich öffentlich berichte, während deutsche Unternehmen über ihre Entwicklungsergebnisse meist schweigen, vor allem so lange, bis es zu einem marktreifen Produkt gekommen ist.

Das konkrete Problem für die deutsche Konkurrenz ist, dass sich die Begeisterung für das Elektromobil bei den Autokäufern in Grenzen hält. Vom E-Smart von Daimler will zurzeit keiner etwas wissen, ähnlich geht es BMW mit dem i3 und Volkswagen mit dem Up. Für BMW-Chef Harald Krüger hängt der Verkaufserfolg von Elektrofahrzeugen an drei Faktoren:

• Gibt es ein attraktives Kundenangebot zu bezahlbaren Preisen?
• Stimmt die Reichweite der Batterie?
• Und gibt es eine vernünftige Infrastruktur von Ladestationen?

In  vielen Städte und Regionen besteht bei der Infrastruktur von Ladestationen ein erheblicher Nachholbedarf. Dazu gehört auch die Umstellung des öffentlichen Nahverkehrs auf Elektrofahrzeuge. Zur Angebotspalette und  Reichweite von Elektroautos sagte der BMW-Chef:  „Wir bringen 2019 einen Elektro-Mini auf den Markt. Der wird eine ordentliche Reichweite haben. Jetzt geht es Schlag auf Schlag, deshalb ist es ja so wichtig, dass die Infrastruktur kommt, vor allem Schnell-Ladestationen. Das darf höchstens 15 bis 20 Minuten dauern. Technisch ist es schon möglich, aber selbst das bringt nichts, wenn zehn Autos vor der Ladestation stehen.“

Der Weg in die Elektromobilität wird länger dauern,  als es die Politiker und  Propagandisten voraussagen. Angela Merkel wollte bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße bringen, dafür gab es kräftige Subventionen. Letztes Jahr haben trotz dieser Zuschüsse aus der Staatskasse nur 25.502 Deutsche ein Elektroauto gekauft, dieses Jahr bislang 34.022. Selbst Merkel musste inzwischen einsehen, dass ihr Planziel nicht aufgeht.

Deutschland wäre auf einen massenhaften Umstieg auf Elektroautos auch gar nicht vorbereitet.  IG-Metall-Chef Jörg Hofmann warnte: „Das wäre das größte Schreckensszenario überhaupt. Dazu müssten wir einen anderen Energiemix haben. Aber unser ganzes Energienetz würde kollabieren. Wir sind darauf nicht im Geringsten vorbereitet. Sie können nicht über Nacht ein paar Millionen Elektroautos zusätzlich an die Steckdosen hängen. Trauriger Fakt ist: Wir haben bei der E-Mobilität bis heute kein Konzept für die Energiewende, was Netze und Infrastruktur betrifft.“

In den deutschen Medien besteht jedoch breiter Konsens, dass die Automobilindustrie für die geringen Erfolge bei der Elektromobilität verantwortlich ist. Sie halte halsstarrig an einer veralteten, umweltschädlichen Antriebstechnik fest und weigere sich aus schnödem Profitinteresse, den Weg zum Fortschritt der Elektromobilität zu beschreiten, heißt es. „Unternehmen, die mit der bislang verwendeten Technologie sehr erfolgreich sind, tendieren immer zur Verbesserungsinnovation“, sagt der Innovationsforscher Andreas Pyka. „Der Erfolg der Vergangenheit ist die Gefahr für die Zukunft.“ Auch Angela Merkel warnt: „Wir sollten nicht vergessen, dass von denen, die Kutschen hergestellt haben, nur einer den Sprung zur Automobilindustrie überlebt hat.“

Es melden sich auch zunehmend Stimmen mit der Forderung, dass die Politik den Autobauern Beine machen müsse: mit noch schärferen Grenzwerten, Fahrverboten für Diesel in Städten und Produktionsquoten für Elektrofahrzeuge. Vorbild dieser „politischen Suprematie über die Märkte“ ist das kommunistische China von heute. Mit Milliardensummen erzwingt der chinesische Staat den Umstieg zur Elektrotechnologie. Planwirtschaft ist inzwischen auch der Traum vieler Leute in der freien Welt, den Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, eingeschlossen. Man nennt es nur Industriepolitik.

Woher wissen die Propagandisten der Elektromobilität, dass die Batterietechnik dem Verbrennungsmotor überlegen ist? Zurecht wird darauf hingewiesen, dass Elektroautos teuer und träge sind: Es dauert Stunden, bis der Akku wieder voll ist. Auch ihre Ökobilanz ist längst nicht so unproblematisch, wie die Elektrofreunde behaupten, solange fossile Brennstoffe zur Stromherstellung benutzt werden. Und wo bleiben die vielen Millionen ausgemusterter Autobatterien? Niemand weiß auch, ob es zukünftig nicht womöglich technische Alternativen gibt, die überzeugender sind. Menschen überschätzen sich, wenn sie glauben, die Zukunft voraussehen und planbar dem menschlichen Zugriff unterwerfen zu können.

Nationale Plattform Mobilität

Die Bundesregierung hat beim Bundesministerium für Verkehr die „Nationale Plattform zur Zukunft der Mobilität“ eingerichtet. Unter der Federführung des Ministeriums sollen in sechs Arbeitsgruppen „verkehrsträgerübergreifende Lösungsansätze für eine nachhaltige, bezahlbare und klimafreundliche Mobilität“ (NPM) entwickelt werden. „Wir müssen verkehrsträgerübergreifend alle Dimensionen der Mobilität aktiv, strategisch und aus einer Hand gestalten, um auch in Zukunft eine bezahlbare, nachhaltige und klimaschonende Mobilität sicherzustellen und wettbewerbsfähige Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Die NPM wird hierzu Konzepte und Handlungsempfehlungen erarbeiten“, sagte Henning Kagermann, Vorsitzender der NPM, bei der konstituierenden Sitzung.

Die Bundesregierung erwartet von der NPM, dass sie bis Ende März  Vorschläge unterbreitet, was der Verkehr zum Erreichen der internationalen Klimaschutzziele beitragen kann – so wie die Kohlekommission für den Energiesektor. Während die Emissionen von Industrie und Energiewirtschaft seit 1990 deutlich sanken, sind sie im Verkehr weiter gestiegen. Auf das Konto des Verkehrs in Deutschland gingen 2017 gut 170 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Die Bundesregierung hat sich im Klimaschutzplan 2050 vorgenommen, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990 zu vermindern. Autos, Lastwagen und Flugzeuge sollen dann nur noch 95 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen.

Das erfordert drastische Einschnitte, wie ein Arbeitspapier zeigt, das aus der Regierungskommission lanciert wurde. Das mögliche „Maßnahmenbündel“ reicht vom 50-Cent-Aufschlag auf den Liter Benzin über eine Zwangsquote für Elektroautos bis zum Tempolimit auf Autobahnen. Dass die Luft in Berlin nach Bekanntwerden dieser Vorschläge brennt, war offensichtlich beabsichtigt. Denn solche Vorschläge sind eine Kampfansage an die Autofahrer und haben das Potential zur Radikalisierung.

Unabhängig davon ist das Mobilitäts-Programm der Regierung mit immensen Kosten verbunden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe für notwendig, damit Deutschland bis zum Jahr 2030 die Klimaziele im Verkehr erreicht. „Das Klimaschutzziel der Bundesregierung ist bei Ausreizung aller technischen Hebel und mit zusätzlichen Mehrinvestitionen zwischen 243 und 256 Milliarden Euro theoretisch erreichbar.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Boston Consulting Group und Prognos im Auftrag des BDI.

Nach Überzeugung des Industrieverbands stoßen Wirtschaft und Gesellschaft hier aber an die Grenzen der praktischen Umsetzbarkeit. „Nötig ist eine Strategie, die dieses enorm ehrgeizige Ziel auf politisch, sozial und ökonomisch vertretbare Weise angeht“, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. „Es gibt nicht die eine Wunderwaffe, mit der wir das Klimaziel im Verkehr erreichen können. Wir wollen individuelle Mobilität erhalten, dafür braucht es technologieoffene Lösungen.“

Der BDI hält ein Aufschieben der Ziele für erwägenswert. „Eine Klima-Planwirtschaft, die schlicht Jahresziele definiert, ist der falsche Weg“, warnte Lösch. Als wesentlichen Hebel für die Verminderung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 betrachten die Autoren der Studie die Umsteuerung zur Elektromobilität und einen höheren Einsatz CO2-neutraler Kraftstoffe. Dadurch ließen sich rund drei Viertel der nötigen Emissionsminderungen erreichen. „Dafür müssten rund sieben bis zehn Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 in Deutschland zugelassen und der Einsatz CO2-neutraler Kraftstoffe gegenüber 2015 um das Vier- bis Fünffache erhöht werden“, heißt es.

 


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